Schlierbach. Gesellschaftliche und politische Themen gibt es reichlich. Die Teilnehmer des Schlierbacher Kerbzugs schöpften aus dem Vollen und bearbeiteten die Themen auf ihre humorige Weise, womit sie beim Umzug den vielen Zuschauern viel Freude bereiteten. Das einmalige spätsommerartige Wetter lockte viele Schaulustige nach Schlierbach.
Die Kerbumzüge im Ort sind schon seit Jahren bekannt für ihren Charme und Witz. Mit dabei waren viele, teils sehr alte Schätzchen von der Bulldog- und Schlepperabteilung der Interessengemeinschaft Motorsport Schlierbachtal (IMS). Für Musik sorgten am Anfang des Zuges die „Roabdigalle“ von Bensheim und am Ende die Brass-Band „Gut druff“.
Nach zwei lauten Böllerschüssen setzte sich der Zug, der sich in der Hohensteinstraße aufgestellt hatte, in Bewegung – angeführt vom kleinen Bulldog mit dem Schriftzug „Alleweil kumme se“, dem Schirmherrn Bürgermeister Michael Helbig, dem Polizeidiener Maximilian Kuznik und dem Plugskeich. Auf dem Plugskeich, einem schrägen mit Eisen behauenen Holzrad, das sich auf der Straße drehte und von einem Bulldog gezogen wurde, hatten Ben Vetter und Paul Mohr Platz genommen.
Großer Zusammenhalt im Dorf
Die erste Motivgruppe beschäftigte sich mit der Pferdeallergie („Woas solls, doann nemme me däs aus Holz“). Ein speziell für Schlierbach aufgebautes Glücksrad war mit dabei („Mer häwwes soad uff unse Gligg se woarde“). Andere zogen das „Chillen vor Ort“ vor. Die Fußballer der SG freuen sich schon auf ihr Trainingslager. Eine große Gruppe Kinder, Mütter und werdender Mütter warb in Badeanzug und Bademantel sowie vielen aufblasbaren Tieren und Schwimmreifen für den Erhalt des Schwimmbads in Lindenfels. Für Applaus sorgten die Glattbacher Badenixen, die immer wieder aus ihrem (trockenen) Pool auftauchten.
Apropos Landtagswahl: In Schlierbach hat sich eine Bier-Partei gegründet: „Mer fer eich“. Es wurde mit Flyern fleißig Werbung gemacht und am Motivwagen wurde deutlich: „Doaschd is uns ned woaschd, do bleibt koa Kehl trogge, woann mer de Loanddoag rogge“. Die richtigen Minister sind auch schon auserkoren – etwa ein Trinkschutzminister oder ein Bier-Hopfen-Minister.
Die Winterkäster Kerbjugend macht klar, dass ihnen die 40 Jahre Winterkäster Kerb wichtiger sind als „900 Jahre Lindenfels“. Doch am Sonntag war erst mal Schlierbach ein Rebellental. Nicht etwa Klimakleber waren unterwegs, sondern junge Protestler blockierten die Straße und gaben sie erst wieder frei, wenn sie eine Bierflasche bekamen.
Ebenfalls Thema in Schlierbach ist der Film der Barbie-Puppe – passend dazu die „Schlierbach-Edischon“. Mit dabei beim Umzug war auch die jüngste Gruppe der Feuerwehr. Die „Löschdrachen“ waren auf ihren Feuerwehr-Bulldogs unterwegs. „Dorfkinder halten zusammen“ lautete ihre Botschaft.
Der Zusammenhalt im Dorf ist sowieso groß, Zugereiste sind willkommen, wenn sie mitmachen und sich nicht gegen den Hahnenschrei wehren. Ein Motivwagen machte deutlich „Giggel derffe in Schlierboch weijre krehe“.
Ein Mann für alles
Aus der weithin diskutierten Klimaerwärmung wird in Schlierbach kurzerhand „Gaige die Biererwärmung“. Völlig unnötig ist für Schlierbach auch die Künstliche Intelligenz, kurz KI. „Mer brauche koa KI, her häwwe uns eigenie“. Auf dem Zugwagen hatten sich die Teilnehmer ein großes Sieb auf den Kopf gesetzt und mit Drähten verbunden. Jetzt konnten sie ihr Wissen beim Kreuzworträtsel schnell austauschen. Hinterher liefen die Defekten („Kabudd“), aus den Drähten war Stroh geworden.
Den Fachkräftemangel lösen die Schlierbacher auf ihre Weise. Ein Mann für alles und alles gleichzeitig – als Frauenarzt, Friseur und Bauarbeiter. Egal sind in Schlierbach auch die Spritpreise – der Sprit wird kurzerhand selbst gemacht. Und die Wirtschaftskrise wird mit einem „Durst-Notdienst“ gelöst. Vielleicht wird als nächstes auch das Rockkonzert in Wacken kopiert – eine Party im Schlamm wurde jedenfalls im Umzug schon mal geübt.
Am Üben war auch die Bulldog- und Schlepperabteilung der IMS. Sie planen ab dem 19. Juli 2024 ihr nächstes großes Bulldog- und Schleppertreffen im Ort. Auf dem großen Frontbulldog hatte sich der Nachwuchs auf Tretbulldogs versammelt – die Zukunft der Abteilung ist demnach gesichert. Auf einem Oldtimer ließen sich Kerweparrer Robin Hördt und Mundschenk Justin Hördt durch Schlierbach chauffieren. Sie freuten sich schon darauf, in der nächsten Stunde die Kerweredd vorlesen zu dürfen.
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