Festakt Auf das Lorscher Kloster sind heute alle sehr stolz
Vor gut 30 Jahren wurde aus der Lorscher Klosteranlage ein Unesco-Weltkulturerbe. Lorsch war der erste Ort in Hessen, der mit dem begehrten Titel geadelt wurde. Wie sehr die Stadt und die gesamte Region von dieser Auszeichnung profitieren würden, dürfte damals nur wenigen Bergsträßern klar gewesen sein. Glücklicherweise aber gab es Menschen, die das Potenzial in Lorsch früh erkannten und sich in ihrem Einsatz für die Aufwertung der Klosteranlage auch gegen Widerstände nicht beirren ließen. Als am Montagabend das 30-jährige Bestehen der Welterbestätte mit zahlreichen geladenen Gästen gefeiert wurde, dankten Festredner auch diesen frühen Kämpfern, die manchen erst mutig „wachrütteln“ mussten.
Vom Rohdiamanten zum Juwel
Auf die Entwicklung in Lorsch könne man „stolz“ sein, das wurde immer wieder unterstrichen. Frage man Bergsträßer nach den Charakteristika ihrer Region, dann antworteten sie mit Wein und Blüten – und auch das Kloster Lorsch sei bei der Aufzählung immer ganz vorne dabei, berichtete Landrat Christian Engelhardt. Ältere Besucher würden das Areal heute kaum wiedererkennen, lobte er die vor wenigen Jahren erfolgte Neugestaltung. Aus einem „Rohdiamanten“ sei „ein Juwel“ gearbeitet worden. Wer durch die Torhalle schreite, könne sich prompt ins Mittelalter versetzt fühlen. Die Welterbestätte sei zudem Initialzündung für die Ansiedlung weiterer Institutionen gewesen, die weit über die Stadtgrenzen hinauswirken: Kreisvolkshochschule und Geopark etwa.
Mitspielen in der „Weltliga“
Einen Bewusstseinswandel konstatierte Bürgermeister Christian Schönung. Früher habe man die Torhalle gern „verniedlichend“ als Kapellchen bezeichnet, inzwischen seien allseits „Stolz und Verantwortung“ für das Weltkulturerbe im Herzen der Stadt gewachsen. Der Status als Welterbe habe Lorsch in die „Weltliga“ katapultiert, schließlich steht die Klosteranlage seitdem auf einer Liste mit international berühmten Namen wie etwa der Chinesischen Mauer oder dem Tajh Mahal in Indien.
{element}
Schönung erinnerte an Bedeutsamkeiten wie den Lorscher Codex als eine Art Grundbuch und an den Lorscher Bienensegen. Dass der kommunale Anteil bei der millionenschweren Aufwertung der Anlage für den städtischen Haushalt eine „große Zahl“ ausmachte, verschwieg er nicht und dankte allen, die damals in den städtischen Gremien trotzdem die Hand für die Maßnahmen hoben.
Mofa-Rennstrecke durchs Areal
Kirsten Worms, Direktorin der Schlösserverwaltung Hessen, blickte einige Jahrzehnte zurück auf eine Zeit, als das Welterbegelände noch als „Mofa-Rennstrecke“ genutzt wurde, Pflanzen wild wucherten und die eindrucksvolle Zehntscheune als Maschinenhalle herhalten musste. Lorsch habe einen „erstaunlichen Weg“ zum „Weltrang“ zurückgelegt. Hätte es unter ihrem Vorvorgänger im Amt, Dr. Kai Mathieu, nicht den Antrag bei der Unesco in Paris gegeben, die Anlage wäre wohl – abgesehen vom Solitär Königshalle – irgendwann aufgegeben worden, meinte sie.
Dass die Antragsteller offenbar auf Erfolg hofften, obwohl in Lorsch wenig originäre Bausubstanz vorhanden ist, hob Worms hervor. Herausragend sei es gewesen, dass sie schon damals aber auch die „immaterielle Bedeutung“ des Klosters hervorhoben, auf die Bedeutung als Geistes- und Machtzentrum verwiesen und die internationalen Verbindungen des Königsklosters im Mittelalter.
Mustergültig sei seit der Auszeichnung als Welterbe die Entwicklung verlaufen. Von einem eher vernachlässigten Ort habe sich die Anlage zu einem „touristischen Magneten“ gemausert. Durch das Investitionsprogramm sei eine immense Aufwertung möglich geworden. Die Aura sei dem berühmten Ort zurückgegeben worden, so Worms mit Blick auf die heutige Präsentation des großen Geländes, in dem Footprints im Boden die Umrisse früherer Gebäude markieren.
Keine Arbeit nach Schema F
Worms lobte die zeitgemäße Vermittlung, die von Welterbestättenleiter Dr. Hermann Schefers und seinem Team geleistet werde. „Nicht nach Schema F“, betonte sie. Als „großes didaktisches Plus“ bezeichnete sie zudem das Freilichtlabor Lauresham. Sie dankte allen Kooperationspartnern und wissenschaftlichen Begleitern und Unterstützern, darunter auch dem Kuratorium Weltererbe Kloster Lorsch.
Als sie mit ihren Töchtern Lauresham besuchte, sei sie dort „kaum mehr weggekommen“, erzählte Angela Dorn vom Anziehungspunkt am Kloster, geleitet von Claus Kropp. Mit Superlativen solle man vorsichtig umgehen, so Hessens Ministerin für Wissenschaft und Kunst – in Lorsch könne sie darauf aber nicht verzichten. Kloster Lorsch skizzierte sie als einen der bedeutendsten Orte für die abendländische Geschichte, Ausgangspunkt vieler Reformen von königlicher Hand.
In der berühmten Bibliothek sei ein enormer Wissenstransfer geleistet worden. Auch das Lorscher Arzneibuch, das medizinische Werk leitete im achten Jahrhundert eine Neubewertung der Heilkunst ein und zählt mittlerweile zum Weltdokumentenerbe, erwähnte die Ministerin beispielhaft. Dorn erinnerte an das vorbildliche interkulturelle Netzwerk, das in Lorsch gepflegt wird und an mehrere Preise, die nach Lorsch für besondere Arbeit vergeben wurden, etwa im Bereich Landschaftsgestaltung und für die Museumspädagogik.
{furtherread}
Die emeritierte Professorin Dr. Jutta Ströter-Bender von der Universität Paderborn zeigte auf, das Welterbebildung immer auch Friedenspädagogik beinhaltet. Hermann Schefers lobte sie als einen „großen Vordenker“ im Bereich Welterbe-Pädagogik. Er habe mit Claudia Götz, Leiterin der Museumspädagogik, Methoden entwickelt, die andernorts viele Nachahmer fanden. Vermittlung werde in Lorsch „nicht standardisiert“, sondern im Dialog, betrieben, freute sie sich. Auch die Idee des „Welterbe-Koffers“, in Lorsch geboren, sei andernorts x-fach aufgenommen worden. Tausende Leute profitierten davon. Kinder, die ihren Geburtstag an der Welterbestätte feiern können, werden als Erwachsene gerne wiederkommen, zeigte sie sich überzeugt.
Dr. Walter Anderau überbrachte im Namen der Partnerklöster beste Grüße und stellte die Besonderheiten der Anlage St. Johann in Müstair in der Schweiz vor. Lorik Pylla von der Akademie für Tonkunst in Darmstadt umrahmte das Fest musikalisch mit seiner Gitarre.
Nicht Kulisse für Event-Kultur
Welterbestättenleiter Schefers zeigte sich am Montag „überwältigt von so viel Lob“. Kommunalpolitische Skepsis – der Aufwand fürs Kloster sei „entbehrlicher Luxus“ – habe sich als falsch erwiesen. Es lohne sich, in Kultur zu investieren. Die Welterbestätte, so erinnerte er in seiner Rede nebenbei, sei aber nicht als beliebige Kulisse für Event-Kultur misszuverstehen, sondern habe einen Bildungsauftrag. Denn was man nicht verstehe, halte man leicht für entbehrlich, machte er klar.
Mehr erfahren