Lindenfels. Am 3. Juli 1985 beschloss die rot-grüne hessische Landesregierung mit dem „Förderstufen-Abschlussgesetz“ die verbindliche Einführung einer Förderstufe zum Schuljahr 1987/88. In und um Lindenfels gab es zu dieser Zeit vier neue Schulen: In den 70er Jahren war in Gadernheim die Mittelpunktschule (MPS) eröffnet worden, in Reichelsheim entstand die Georg-August-Zinn-Schule als indirekte Nachfolgeeinrichtung der Dorfschulen im oberen Gersprenztal und in Fürth die Heinrich-Böll-Schule.
Die neue Lindenfelser Grundschule war zum Schuljahr 1983/84 in Betrieb genommen worden. Vor diesem Hintergrund begann im Kreis Bergstraße das Ringen um die Förderstufen-Standorte. Größte Fraktion in der Lindenfelser Stadtverordnetenversammlung war 1985 die LWG/CDU – damals noch in einer gemeinsamen Fraktion – mit elf der 23 Sitze vor der SPD (acht Sitze). Zum ersten Mal saßen in dieser Wahlperiode auch je zwei Vertreter der FDP und der Grünen im Stadtparlament.
Hintergrund: Zur Förderstufe
Mitte der 80er Jahre wurde in Lindenfels leidenschaftlich darüber debattiert, ob die Carl-Orff-Schule eine Förderstufe erhalten sollte.
Hintergrund war das von der rot-grünen Landesregierung am 3. Juli 1985 beschlossene „Förderstufen-Abschlussgesetz“. Damit sollte die Einführung einer Förderstufe zum Schuljahr 1987/88 verbindlich festgelegt werden.
Das Landesgeschichtliche Informationszentrum Hessen beschreibt den Inhalt des Gesetzes so: „Es sieht vor, an allen hessischen Schulen die Klassen 5 und 6 ab 1. August 1987 durch die obligatorische Förderstufe abzulösen. Elf-und zwölfjährige Schulkinder würden so im Anschluss an die Grundschule eine weitere zweijährige gemeinsame Pflichtausbildungsphase durchlaufen. Die Schulzeit an Haupt- und Realschulen sowie an Gymnasien würde sich entsprechend um zwei Jahre verkürzen und mit Eintritt in die Klasse 7 beginnen.“
Das Gesetz überstand zwar Klagen beim Bundesverfassungsgericht und beim Hessischen Staatsgerichtshof, trat aber nie in Kraft. Die im April 1987 neu gewählte schwarz-gelbe Landesregierung unter Walter Wallmann kippte es zwei Monate vor seiner Wirksamkeit. ppp
Die SPD-Fraktion unterstützte das Anliegen der Genossen in Wiesbaden, brachte eine entsprechende Resolution für die Förderstufe ein und forderte deren Einrichtung im Burgstädtchen. Diese Resolution wurde am 10. Dezember 1985 mit 10:12 Stimmen abgelehnt. Die Stadtverordnetenversammlung sprach sich mit 12:10 Stimmen grundsätzlich gegen die flächendeckende Einführung der Förderstufe aus, obwohl das auf das Förderstufenabschlussgesetz ebenso wenig Einfluss hatte wie die Ablehnung der SPD-Resolution. Wenn die Förderstufe trotzdem eingeführt werde, dann solle Lindenfels einer der Standorte werden.
Am 11. Februar 1986 lud Bürgermeister Peter C. Woitge zu Bürgerversammlungen in den Stadtteilen ein. Er schrieb über die vom Parlament gewollte Erweiterung der Grundschule in Lindenfels durch einen Förderstufenzweig: „Wegen der dazu notwendigen Schülerzahl ist das jedoch nur machbar, wenn sämtliche Kinder aus dem ganzen Stadtgebiet die Schule besuchen.“
Bei diesen Bürgerversammlungen Ende Februar 1986 positionierten sich Eltern in Kolmbach und Winterkasten wie in den 1960er Jahren, als es um den Bau einer Mittelpunktschule ging, gegen den Standort Lindenfels und für Gadernheim. Die wichtigsten Sachargumente in den zum Teil emotionalen Diskussionen: Der Betrieb an der MPS Gadernheim läuft gut, der Schülertransport funktioniert, die Kinder können für den Erwerb eines Realschulabschlusses zehn Jahre am Stück dieselbe Schule besuchen.
Doch bevor die Förderstufe eingeführt werden konnte, löste in Wiesbaden eine neue Landesregierung unter Walter Wallmann (CDU) die rot-grüne Koalition ab. Sie kippte das Förderstufengesetz zwei Monate vor dem Stichtag. ppp
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