Lindenfels

Lindenfelser Bürgermeister erklärt, warum er nicht mehr antritt

Der Bürgermeister Michael Helbig erklärt, warum er für eine dritte Amtszeit nicht mehr zur Verfügung steht. Dabei spielt auch Frustration eine Rolle.

Von 
Nora Strupp
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Seit elf Jahren steht Michael Helbig an der Spitze der Stadt Lindenfels. Die Ausübung des Bürgermeisteramts kostete ihn viel Kraft. Deshalb hat sich der 61-Jährige dazu entschlossen, nicht noch einmal als Rathauschef zu kandidieren. © Thomas Neu

Lindenfels. Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres findet in Lindenfels die nächste Bürgermeisterwahl statt. Während der genaue Wahltermin noch nicht endgültig festgelegt wurde, ist eins jedoch schon jetzt gewiss: Der Name des derzeitigen Amtsinhabers Michael Helbig wird definitiv nicht mehr auf dem Wahlzettel auftauchen, denn seine derzeitige zweite Amtszeit wird die letzte sein. Ein drittes Mal wird er als Verwaltungschef nicht mehr zur Verfügung stehen, wie er kürzlich bekannt gab. Ihr Kreuzchen machen können die Bürger nach aktuellem Stand nun stattdessen beim CDU-Kandidaten Rico Schrot und bei Maximilian Klöss, der zwar SPD-Mitglied ist, aber parteiunabhängig antritt.

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Michael Helbig wurde am 3. März 2013 zum Nachfolger des wegen Krankheit aus dem Amt geschiedenen Oliver Hoeppner (LWG/CDU) gewählt. Mit 62,1 Prozent der Stimmen setzte er sich damals als unabhängig angetretener Kandidat deutlich gegen seine Mitbewerberin Alexandra Kleiné (LWG/CDU, 37,9 Prozent) durch.

Sechs Jahre später – am 11. April 2019 – trat Helbig seine zweite Amtszeit an, nachdem sich die Bürger bei der Wahl am 28. Oktober 2018, bei der er als alleiniger Kandidat angetreten war, mit 85,3 Prozent der Stimmen erneut klar für ihn aussprachen.

In elf Dienstjahren als Bürgermeister gab es viele Herausforderungen für Lindenfels

Mittlerweile kann Michael Helbig auf elf turbulente Dienstjahre zurückblicken, in denen es viele Herausforderungen zu bewältigen gab: Auf den nicht ausreichenden hessischen Finanzausgleich für Lindenfels als Flächenkommune und die Lindenfelser Finanzkrise ab 2012, die in der Teilnahme am hessischen Schutzschirmprogramm 2013 bis 2018 mündete, folgte ein Jahr später Griechenlands Kampf gegen die Staatspleite und die Eurokrise.

Dann kam die erste Flüchtlingskrise 2015 und die Corona-Pandemie 2020. Darüber hinaus haben auch die ansteigenden Flüchtlingszahlen 2021, der Krieg in der Ukraine seit 2022 sowie der eskalierte Nahostkonflikt seit Oktober 2023 seine Spuren hinterlassen.

„Letztendlich sind wir permanent im Krisenmodus“, betont Helbig. Auch die städtischen Mitarbeiter seien in einer dauerhaften Belastungssituation. „Hinzu kommt, dass wir für immer mehr Vorschriften eigentlich immer mehr Personal brauchen, weil ja kaum Vorschriften wegfallen“, erläutert der Bürgermeister. Qualifiziertes Personal sei jedoch nur schwer zu finden und die dafür notwendigen, zusätzlichen finanziellen Mittel bekäme man nicht im Haushalt abgebildet.

Finanzen, Wasser, Feuerwehr und Kindergärten seien Prioritäten

Die immer mehr zunehmende prekäre Lage der deutschen Kommunen – insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Ausstattung und die Bürokratie – lähme Kommunalpolitiker und Verwaltungen massiv in ihrer Arbeit. Zwar halte er bürokratische Strukturen in einem demokratischen Gemeinwesen für notwendig, um Verlässlichkeit zu generieren. Die Geschehnisse der vergangenen Jahre würden allerdings viele Entwicklungen ausbremsen, sodass Frustration und Stagnation eintreten.

„Wir verwalten nur noch den Mangel und haben für die Infrastruktur nicht mal mehr das Geld zum Erhalt“, zeigt sich Helbig verärgert. „Nach der Konsolidierung der Finanzen ist Wasser und Abwasser das wesentliche Thema. Dann Feuerwehr, da der Bereich ,Sicherheit und Ordnung’ direkt dem Bürgermeister untersteht. Dann Kindergarten“, zählt Helbig die Prioritäten auf. Für Straßen, Friedhöfe und Bürgerhäuser fehle aber dann oft das Geld. Letztlich sei das mitunter der Grund, warum er künftig nicht mehr für das Bürgermeisteramt zur Verfügung steht: „Der fehlende Gestaltungsspielraum gepaart mit der dauerhaften Überbelastung ist für mich als Kommunalpolitiker demotivierend“, erklärt er.

Finanzen und Wasserversorgung prägten die elfjährige Amtszeit

Die Corona-Pandemie habe zudem wie ein Katalysator gewirkt und bestimmte Verhaltensweisen in Menschen hervorgebracht, die ihn nachdenklich stimmen. „Die Ich-Bezogenheit nimmt zu und auch die verbalen Angriffe, es gibt immer weniger Gemeinwesen. Das ist nicht mehr meine Welt. Ich fühle mich wie ein Anachronismus“, schildert Helbig seine Eindrücke. Er sei sogar selbst schon verbalen Attacken ausgesetzt gewesen, weil er Kritik übte an der von AfD-Politikern bei einem Geheimtreffen diskutierten „Remigration“, die die Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland vorsieht. „Jeder weiß, wohin die Reise geht mit diesen Kameraden, aber als ich das gesagt habe, wurde ich dafür angegangen.“

Zur Entscheidung, kein drittes Mal als Bürgermeister zu kandidieren, beigetragen hätten letztlich aber auch seine Gesundheit und „meine eigene Wahrnehmung, dass ich teilweise nicht mehr mit dem nötigen Elan Dinge anpacken kann. Das Bürgermeisteramt kostet sehr viel Kraft. Ich glaube, Amt und Stadt brauchen von Zeit zu Zeit neue Energien, frische Ideen und Impulse“, so Helbig.

Burgstadt Lindenfels für Helbig weiterhin Lebensmittelpunkt

Die vergangenen elf Jahre waren für den 61-Jährigen jedoch auch von zahlreichen positiven und schönen Momenten geprägt: „Das Burgstädtchen war und ist noch bis April 2025, neben der Familie, mein Lebensmittelpunkt. Ich bin dankbar für die große Unterstützung, die ich von vielen Seiten erfahren habe und die Erfahrungen und vielen Begegnungen, die ich machen durfte.“

Auch die Arbeit zwischen dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung laufe „super gut“. Die Haushaltsberatungen seien im Rekordtempo vonstattengegangen, weil die Stadtverordneten und die Ausschüsse sie gut vorbereitet hätten. „Das läuft sehr kollegial ab“, lobt Helbig.

Fortschritte gab es bei der Nahversorgung, der Feuerwehr und der Kinderbetreuung

Zudem seien während seiner Amtszeit viele Projekte initiiert und abgearbeitet worden. An vorderster Stelle stehen da etwa die Finanzen. „Der erste Meilenstein in der Haushaltskonsolidierung wurde erreicht. Seit 2015 machen wir keine neuen Schulden, ohne dass eine Investition gegenübersteht“, führt er aus. Auch die Wasserversorgung im gesamten Stadtgebiet sei konzeptionell und personell neu aufgebaut worden. Mit dem Supermarkt in der Nibelungenstraße sei zudem die Nahversorgung gewährleistet. Außerdem sei im Bereich der Feuerwehren viel erreicht worden. Mitte 2021 wurde etwa das Feuerwehrgerätehaus in Lindenfels fertiggestellt, mehrere Fahrzeuge wurden angeschafft und die Tageseinsatzstärke bei drei Feuerwehren gesichert.

Bei der Kinderbetreuung gab es ebenfalls Fortschritte: Der Waldkindergarten und die „Morgensternchen“-Kinderkrippengruppe in Winterkasten wurden geschaffen sowie ein Kindergartenvertrag mit den Kirchen abgeschlossen. Hinzu kommen mehrere Sanierungs- und Bauprojekte im Stadtgebiet, zu dem der Musikpavillon im Kurgarten, das äußere Fürther Tor der Stadtmauer, das neue Dach für die alte Einsegnungshalle des Lindenfelser Friedhofs, die Burgschänke und das Bürgerhaus zählen.

Stadt will sich um Ausrichtung des Mittelalterfests kümmern

Außerdem wertet Helbig die Abschaffung der Straßenbeiträge, die Stilllegung von Waldflächen, die Abwicklung der Schulden des Luisenkrankenhauses, den Abschluss des Verfahrens „Hochbehälter Dornklingen“ und die interkommunale Zusammenarbeit mit der Gemeinde Lautertal in Bezug auf das Wasserwerk als Erfolg.

Nicht zuletzt sorgten das Altstadt-Café, die Minigolfanlage, die Etablierung des Kino-Open-Airs auf der Burg Lindenfels und diverse weitere Veranstaltungen wie die Brauch-tumstage, der Ostermarkt oder die Jazz-Matinee des Freundeskreises Moëlan-sur-Mer/Lindenfels für eine Belebung der Innenstadt. Im nächsten Jahr wolle die Stadt sich auch darum kümmern, dass das Mittelalterfest, das bis 2023 vom mittlerweile aufgelösten Verein „Drachenvolk“ ausgerichtet wurde, wieder zu neuem Leben erweckt wird.

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Doch auch der neue Bürgermeister wird ab 2025 zahlreiche Themen abzuarbeiten haben. So steht etwa noch der vierte Bauabschnitt – die Sanierung der Außenfassade – des Bürgerhauses an. Auch mit der Frage, ob das Lindenfelser Schwimmbad erhalten und umfänglich saniert werden soll, muss er sich auseinandersetzen. Vor allem aber müssen die medizinische Versorgung und die Stadtentwicklung vorangetrieben, ein Kurarzt gefunden und die Planungen für das gemeinsame Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehren Kolmbach und Gadernheim fortgeführt werden.

Auch bei der Entwicklung des Bau- und Gewerbegebiets in der Ludwig-Schüßler-Straße sind noch viele Punkte ungeklärt. Jüngst befasste sich Michael Helbig zudem mit der Frage, ob Geothermie künftig als Energiequelle für Lindenfels genutzt werden kann – auch dieses Thema wird den neuen Rathauschef sicherlich beschäftigen.

Redaktion

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