Lindenfels. Wenn Charlotte Schmidt aus dem Fenster ihres Büros schaut, hat sie alles im Blick. Sie steht am höhenverstellbaren Schreibtisch und sieht, wie viele ihrer Busse auf dem Parkplatz stehen, ob einer an der hauseigenen Tankstelle gerade mit Diesel befüllt wird und wann die Mitarbeiter kommen und gehen.
Der 38-Zoll-Monitor auf ihrem Schreibtisch zeigt an, wo die Busse mit dem blauen „Schmidt“ auf weißer Karosserie gerade unterwegs sind. Nun stellte sie dem Bürgermeisterkandidaten Maximilian Klöss den Betrieb vor, den sie nach dem Tod ihres Vaters vor drei Jahren übernahm.
Charlotte Schmidt ist 26, Klöss sechs Jahre älter. Man kennt sich und versteht sich, nennt sich Lotte und Max. Bevor es um Mitarbeiterzahlen, Geschäftsstrategie und Gewerbesteuer geht, wird das Burgfest nachbereitet. Gastgeberin und Besucher laufen von Kindesbeinen an in der Odenwälder Tracht beim Festzug mit. Diesmal durfte Klöss den Zug anführen: Er stellte mit seiner im richtigen Leben gerade angetrauten Anna das Brautpaar dar.
Der Burgfestumzug orientiert sich an einem traditionellen Odenwälder Hochzeitszug. Das Burgfest spielt eine große Rolle in dem Lindenfelser Familienunternehmen, das sich eng mit dem Städtchen verbunden fühlt. Als es vor Jahren den Busparkplatz von der Stadt erwarb, wurde vereinbart, dass der am Burgfestsonntag als Wendeplatz für den Festzug frei gehalten wird. „Dass würden wir natürlich auch ohne Vertrag machen“, lacht die junge Unternehmerin. Zusätzlich versorgt sie dort immer die schwitzenden Umzugsteilnehmer mit Mineralwasser.
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Auf dem Dispositionsmonitor fällt ein dicker, roter Balken auf, der über ein Wochenende bis einschließlich Dienstag geht und auf dem „Burgfest“ steht. Das Fest endet zwar am Montag, aber den Dienstag gönnt sich die Chefin zur Erholung – zumindest teilweise. Dann kommt sie nicht morgens um sieben ins Büro, sondern erst am Nachmittag.
Das Planungsprogramm mit dem Namen Webfleet hat sie im vorigen Jahr erweitert. Es zeigt in Echtzeit Schichtzeiten, Lenk- und Ruhezeiten, Fahrtenbücher und den Standort der Busse an. Da auch die Verkehrslage abgefragt werden kann, können Fahrer frühzeitig über Staus informiert werden und ihre Route anpassen.
Bietet die Stadt Lindenfels eine Veranstaltung an, kann man sie mit Schmidt-Busreisen besuchen. Die 50 Plätze für die Italienische Nacht auf der Burg am kommenden Samstag sind ausgebucht, inklusive Drei-Gänge-Klassik-Menü in einem Gasthaus in Winkel.
Die Gäste kommen zum größten Teil aus dem Ballungsraum Rhein-Neckar. Nicht nur bei den Tagesreisen nach Lindenfels, sondern auch bei den weit über 300 Mehrtagesfahrten im Schmidtschen Portfolio. Viernheim, Mannheim, Ludwigshafen, Schwetzingen und Heidelberg sind feste Einstiegsstellen. Mit etwas Glück werden die Gäste von der Chefin persönlich chauffiert: Charlotte Schmidt hat vor zwei Monaten ihren Busführerschein gemacht. Hinter dem Steuer eines Reisebusses sitzt sie allerdings nur, wenn gerade mal Not an der Frau ist oder eine zusätzliche Fahrerin gebraucht wird, um die Lenkzeiten einzuhalten.
Nur die Bäume müssten einmal gestutzt werden
Das könnte in Zukunft öfter vorkommen, denn: „Die meisten Fahrschüler wollen Linie fahren“, berichtet Schmidt. Regelmäßige Arbeitszeiten, die Nacht im eigenen Bett, planbare Freizeit mit der Familie – das sind nach ihrer Einschätzung die Gründe dafür, dass der Fahrersitz im Fernbus für viele nicht das Ziel aller Berufsträume ist.
„Mittelfristig kann Personalmangel auch bei uns ein Thema werden“, sagt sie. Die früher dominierenden Miet-Omnibusfahrten wie Schul- und Vereinsausflüge sind bei Schmidt-Reisen mit den Jahren von Komplettangeboten verdrängt worden, die Charlotte Schmidt selbst plant, in 15 000 Katalogen anbietet und über Internet, Telefon und im Reisebüro am Lindenplatz verkauft. Dorthin kommen auch viele Einheimische, um Urlaub zu buchen.
Als Maximilian Klöss nach Charlotte Schmidts Wünschen an die Stadt fragt, kommt wenig. Die Jungunternehmerin ist es offenbar gewohnt, sich selbst zu helfen. Auf Kosten für Diesel- und Ad-Blue, Maut, Reparaturen und Wartungen für die Busse, auf Hotelpreise, Ausgaben für Reiseleitungen, Weinproben und Busparkplätze in ganz Europa hat die Stadt Lindenfels keinen Einfluss. Nach einigem Nachdenken fällt ihr ein, dass die Äste der Bäume am Busparkplatz mal wieder gestutzt werden müssten.
Als Stärke ihres Unternehmens sieht Charlotte Schmidt das Preis-Leistungs-Verhältnis. Ihre Flotte besteht aus acht Vier-Sterne-Reisebussen, die angebotenen Hotels haben meist drei oder vier Sterne. Kein Schnickschnack, aber solide Qualität zu einem bezahlbaren Preis. Als Max Klöss wissen will, was sie am meisten motiviert, muss Charlotte Schmidt nicht lange nachdenken: Rückmeldung von Kunden, Freude der Mitarbeiter an der Arbeit und Stolz der Mitarbeiter auf die Firma.
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