Kommunen

Lindenfelser Bürgermeister Helbig fordert Bürokratieabbau

Lindenfels

Von 
red
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Verleihung der Urkunde zum Prädikat "Heilklimatischer Kurort" an die Stadt Lindenfels, von links: Bürgermeister Michael Helbig, Horst Wenzel (RP Kassel), Erster Stadtrat Stefan Ringer, Kurservice Leiterin Sabrina Lütcke und ihr Vorgänger Klaus Johe, Bild: Thomas Neu © Thomas Neu

Lindenfels. Der Hessische Städte- und Gemeindebund und weitere öffentlich-rechtliche hessische Wirtschaftsverbände darunter der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen, der Kommunale Arbeitgeberverband und der Verband Kommunaler Unternehmen Hessen haben sich an den neugewählten hessischen Landtag gewandt und eine tiefgreifende Änderung der politischen und verwaltungsmäßigen Praxis in unserem Land angemahnt. Die Forderung ist, dass sich die nächste Wahlperiode mit Aufgabenkritik, Priorisierung und Bürokratieabbau befassen muss.

„Die vielfachen Krisen der letzten Jahre und die demografische Entwicklung führen zu einem spürbaren Arbeitskräftemangel. Die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche stellt gewohnte Abläufe in Frage, Klimaschutz und Anpassung an den wahrscheinlich nicht mehr zu vermeidenden Klimawandel, mit Großschadenslagen, sind kaum zu bewältigen“, schreibt der Lindenfelser Bürgermeister Michael Helbig (BILD: Neu).

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Gleichzeitig sei bereits zu spüren, dass das Maß an öffentlichen Aufgaben – in der Regel Unterhaltungs- und Kontrollmaßnahmen – in vielen Fällen nicht mehr eingehalten werden könne, also mit der tatsächlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr übereinstimme. Die Stadt Lindenfels sei – wie viele anderen Kommunen – „selten Entscheiderin, sondern nur noch ausführende Instanz. Dinge werden in Brüssel, Berlin, Wiesbaden, Darmstadt oder Heppenheim entschieden. In der Wahrnehmung vieler Menschen – und ich führe viele Gespräche in dieser Art – kümmert sich der Staat mehr um Flüchtlinge und das Weltklima als um Rentner, Geringverdiener, chronisch Kranke oder auch den arbeitenden Mittelstand und die Unternehmen in Deutschland“, so Helbig.

Das sei emotional besetzt, also Gefühle subjektiver Natur. Es seien deshalb auf allen staatlichen Ebenen hierzu Überlegungen nötig. In einer immer komplexeren Welt gebe es keine einfachen Lösungen.

Die Kommunen sollen die Infrastruktur umbauen und verbessern – Wasser, Abwasser, Straßen, Strom, Internet, aber gleichzeitig auch die Energie- und Mobilitätswände bewältigen, Wohnungsnot bekämpfen, die Digitalisierung beschleunigen und das Klima sowie die Demokratie retten. Die kommunalen Beschäftigten sollten das Informationsfreiheitsgesetz umsetzen und gleichzeitig den Datenschutz beachten, die äußere, innere und die Cyber-Sicherheit wirksam stärken, unzählige Statistiken ausfüllen, deren Sinnhaftigkeit sich immer weniger erschließe sowie Biotopverbund- und Wärmenetzplanung erstellen. Förderanträge müssten über externe Dienstleister vergeben werden, da weder Bundes- noch Landesbehörden und schon gar nicht die Kommunen in der Lage seien, hier noch den Durchblick zu wahren.

Bürgermeister Helbig: „Der Bürger erlebt seine Verwaltung als nicht funktionsfähig“

„Die Herausforderungen der kommenden Jahre sind so gewaltig, dass wir zu all dem vollumfänglich nicht mehr in der Lage sind. Wer dies verkennt und immer weiter Hoffnungen und Erwartungen in der Bevölkerung weckt, die Kommune könne dieses oder jenes noch zusätzlich tun, leistet einer gefährlichen Entwicklung Vorschub. Der Bürger erlebt seine Verwaltung als nicht funktionsfähig“, mahnt der Lindenfelser Bürgermeister. „Das Vertrauen der Menschen in Politik und in Verwaltung nimmt ab und sorgt dafür, dass unser gutes demokratisches System von immer mehr Bürgern als nicht mehr lösungskompetent wahrgenommen wird.“ Das bringe rechtsextremen Parteien Zulauf. Und dabei zahle der Bürger mit seinen Steuern „die Veranstaltung, die wir EU, Bund, Land, Regierungspräsidium, Kreis und Stadt nennen“, so Helbig weiter.

Viele rechtliche Vorgaben bänden knappe personelle und finanzielle Mittel in Verwaltung, Kommunalpolitik, Wirtschaft und Ehrenamt. Menschen seien in aller Regel aktiv, um Nützliches für andere zu tun. Ehrenamtliche wollten sich nicht in erster Linie mit Antragsverfahren, Dokumentations- und Berichtspflichten auseinandersetzen, sondern etwas tun.

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Helbig forderte, das dezentrale und eigenverantwortliche Handeln zu stärken, indem insbesondere „bürokratische Vorgaben möglichst beseitigt oder wenigstens verschlankt werden. Das wäre ein erster Schritt der großen Politik. Das signalisiert Vertrauen in Verantwortungsbewusstsein und Gestaltungskraft einer großen Mehrheit unserer Gesellschaft und in eine leistungsfähige Wirtschaft.“

Der Untergang der Weimarer Republik habe viele Parallelen zur aktuellen Zeit, so der Lindenfelser Bürgermeister. Die Bevölkerung müsse wieder das Gefühl haben, dass etwas für sie getan werde. „Viele haben den Eindruck, dass dem nicht so ist. Manche fallen dann sehr leicht auf rechte Bauernfänger und ihre simplen Problemlösungsparolen herein.“

Rückbesinnung auf die Kernaufgaben als Ziel

Helbig fordert unter anderem eine Rückbesinnung auf die Kernaufgaben der Kommunen und des Staates, eine Aufgabenkritik, eine Diskussion über Standards, beispielsweise in Baurecht und Naturschutz und Entbürokratisierung. Dazu sei eine Reduktion auf zwei Verwaltungsebenen sinnvoll. Außerdem müsse das Allgemeinwohl vor das Einzelwohl gestellt werden.

„Wir lernen, wenn wir zu schnell in eine Kurve fahren, dass wir die Physik nicht betrügen können. Mit der Mathematik ist es genauso: Wenn am Ende des Monats das Konto leer ist, lernt man, dass man einen Euro genau einmal ausgeben oder sparen kann“, verdeutlicht der Bürgermeister. „Wir wissen also, was zu tun ist, deshalb brauchen wir eine Entlastungsallianz für Kommunen und Entbürokratisierung in Gesellschaft und Wirtschaft. Voraussetzung dafür ist der ernsthafte politische Wille, beginnend im Land Hessen und genau jetzt“, so Helbig. red

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