Lindenfels. „Die gebietliche Neuordnung hatte in erster Linie zum Ziel, die Verwaltungskraft der Gemeinden und Kreise zu stärken und ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern.“ So erklärt das Hessische Innenministerium auf seiner Internetseite die Gebietsreform, bei der Anfang der 70er-Jahre die Zahl der Städte und Gemeinden in Hessen von über 2600 auf unter 430 eingedampft wurde.
In Wiesbaden regierte zu diesem Zeitpunkt eine sozialliberale Koalition unter dem Ministerpräsidenten Albert Osswald (SPD). Innenminister war Hanns-Heinz Bielefeld (FDP). Beim Stöbern in alten Presseberichten und Sitzungsprotokollen wird deutlich: Die Sorge, über den Tisch gezogen zu werden, war groß in den Gemeinden. Der Bergsträßer Landrat musste in dem einen oder anderen Fall den Gemeindevertretern persönlich vorrechnen, dass man sich dank höherer Zuschüsse als Stadtteil finanziell verbessern könne.
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Auch Bürgernähe im wörtlichen Sinne spielte eine Rolle: Wenn es schon keine eigene Bürgermeisterei mehr gab, so wollte man wenigstens eine Verwaltungsstelle im Dorf behalten. Und eine eigene Feuerwehr: Alle Gemeinden ließen sich in den Grenzänderungsverträgen schriftlich geben, dass die Feuerwehren sich nur selbst auflösen können.
Ein Umweg über Gadernheim
Auf dem Weg zur Stadt Lindenfels machte der eine oder andere Ort schon einmal einen Umweg. Der von Kolmbach führte über Gadernheim: Vom 31. Dezember 1970 bis zum 31. Dezember 1971 gehörte Kolmbach zu dieser Gemeinde, bevor diese ihrerseits in der neuen Gemeinde Lautertal aufging und Kolmbach schließlich Lindenfels zugeschlagen wurde.
Vergleichsweise geräuschlos erfolgte dagegen die Eingliederung von Eulsbach, Glattbach, Schlierbach und Winkel in das Gebiet der Stadt Lindenfels. Ein kleiner Flirt mit Fürth hier, die Idee einer Talgemeinde dort, am Ende jedoch zügig die freiwillige Eingemeindung nach Lindenfels zum 31. Dezember 1970. Besiegelt vom Innenminister mit einer einzigen gemeinsamen Urkunde.
Die Winterkäster brauchten für ihre Entscheidungsfindung etwas länger. Dort tendierten einige nach Lindenfels, andere nach Reichelsheim. Dem Lauf der Gersprenz folgend, deren Quellfluss durch das Waldhufendorf fließt. Die Gemeindevertreter beraumten zur Entscheidungsfindung für den 26. September 1971 eine „Volksbefragung“ an und bastelten dazu amtlich aussehende Stimmzettel. Der Landrat bekam allerdings Wind von dem Vorhaben und wies schon einmal darauf hin, dass nur die gewählten Gemeindevertreter entscheiden dürften. Auf dem Stimmzettel wurde denn auch ein entsprechender Hinweis aufgenommen.
Die Gemeindevertreter hielten sich an die Spielregeln, folgten aber mit ihrem Votum für Lindenfels dem Ergebnis der Bürgerbefragung: 230 Personen hatten für Lindenfels gestimmt, 61 für Reichelsheim, vier Stimmen waren ungültig. Der Beitritt von Winterkasten erfolgte am 31. Dezember 1971. ppp
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