Hauptversammlung

Glattbacher Feuerwehrleute fühlen sich übergangen

Hauptversammlung: Glattbacher Brandschützer sehen die geplante Auflösung der Einsatzabteilungen Eulsbach, Seidenbuch und Winkel kritisch.

Von 
Nora Strupp
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Die Glattbacher Feuerwehr fühlt sich übergangen. (Symbolbild) © picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Glattbach. Auch fast zwei Monate nach dem Bekanntwerden, dass die Einsatzabteilungen der Freiwilligen Feuerwehren Eulsbach, Seidenbuch und Winkel aufgrund der zu geringen Personalstärke und der mangelhaften Gerätehäuser auf Anordnung des Kreises Bergstraße und des Kreisbrandinspektors aufgelöst und die Gerätehäuser geschlossen werden sollen, wird das Thema noch immer heiß diskutiert. So auch bei der Hauptversammlung der Freiwilligen Feuerwehr Glattbach.

Die Mitglieder der drei betroffenen Einsatzabteilungen sollen auf andere Standorte verteilt werden, wie der bisherige Vorsitzende des Glattbacher Feuerwehrvereins, Bernd Rettig, in seinem Bericht schilderte. Geplant ist die Zusammenlegung der Abteilung Seidenbuch mit Glattbach sowie der Abteilung Eulsbach mit der von Schlierbach. Aufgrund der topografischen Lage von Winkel werden hier die Abteilungen Lindenfels-Mitte, Glattbach oder Schlierbach zuständig sein.

Unterbringung von Personal und Fahrzeugen wurde nicht bedacht

Wie mit den Lindenfelser Ortsteilwehren umgegangen wird, stimme ihn nachdenklich, so Rettig. Die Entscheidung, die Einsatzabteilungen zu fusionieren, sei getroffen worden, ohne dass man sich im Vorfeld irgendwelche Gedanken gemacht habe, wie das Personal oder die Fahrzeuge untergebracht werden sollen. „In anderen Kreisen wird erstmal die Infrastruktur – sprich die Unterkunft – gebaut und dann wird der Zusammenschluss, wenn er von der Mehrzahl der Aktiven gewünscht ist, umgesetzt. In Lindenfels kommt es mir momentan so vor, als wenn ich mein Bad erneuern möchte, aber mir erst überlege, wo ich meine täglichen Bedürfnisse erledigen kann, wenn ich alles rausgerissen habe“, so Rettig.

„Ich sehe auch Probleme bei der Umsetzung der Anforderungen nach den heutigen Vorgaben, was die Auswahl und die Größe des Grundstücks für ein Feuerwehrgerätehaus betrifft. Diese Vorgaben sind im ländlichen Bereich in den Stadtteilen fast nicht umsetzbar.

Eine Umsetzung im Außenbereich scheitert dann meistens wiederum am Naturschutz“, monierte Rettig. „Ein weiterer sehr wichtiger Bereich ist meiner Meinung nach auch die Finanzierung dieser Baumaßnahmen bei finanzschwachen Kommunen.“

Allerlei Räume und Stellplätze nötig

Auf der einen Seite wolle die Politik, dass alle Feuerwehren – gerade die Ortsteilwehren – erhalten bleiben, da sie eine unverzichtbare Einrichtung für die Sicherheit in den Ortsteilen seien und als soziale Einrichtung teilweise das Ortsleben mitgestalteten. Auf der anderen Seite würden zahlreiche Vorgaben in Bezug auf die Ausstattung eines Gerätehauses gemacht, was eine gewisse Größe des Grundstücks erforderlich mache. „Es muss einen Schwarz-Weiß-Bereich für verschmutzte Einsatzkleidung und Privatkleidung geben, Spindräume, Duschräume, Sanitärräume getrennt für männlich und weiblich, einen Raum für die Jugendfeuerwehr, einen Büroraum für die Wehrführung, einen Aufenthaltsraum, Schulungsraum und Lagerraum, Stellplätze für die Fahrzeuge mit entsprechender Größenvorgabe. Die gleiche Größe muss auch vor dem Gerätehaus vorhanden sein“, listete Rettig einige Vorgaben auf.

„In den Alarmwegen dürfen keine Treppen vorhanden sein, die Türen müssen mindestens 2,20 Meter hoch sein, auf dem Außengelände müssen mindestens zwölf Stellplätze vorhanden sein und ein Begegnungsverkehr zwischen anfahrenden Einsatzkräften und ausrückenden Kräften ist nicht zulässig“, führte Rettig die lange Liste fort.

Vorgaben zu Gerätehäusern fast nicht umsetzbar

Die wenigsten dieser heute gültigen Vorschriften seien in den alten genehmigten und von Land und Kreis bezuschussten Gerätehäusern nicht vorhanden und auch nicht einfach umzusetzen. „Trotzdem fühlen sich viele Einsatzkräfte in ihren Unterkünften wohl, da oftmals auch viele finanzielle Mittel und Arbeitsleistungen aus den Vereinen eingeflossen sind. Ich kann an dieser Stelle nur für die Feuerwehr Glattbach sprechen, gehe aber davon aus, dass es anderen Feuerwehren in Lindenfels oder anderen Kommunen ähnlich gegangen ist“, erklärte Rettig.

Der Gerätehausbau in Glattbach sei damals nur möglich gewesen mit der Maßgabe, dass sich die Feuerwehr finanziell oder mit Arbeitsleistung einbringt. „Wir als Freiwillige Feuerwehr Glattbach haben hier über 1.100 Arbeitsleistungen aufgewendet. Die Einrichtung im Gerätehaus sowie im Mannschaftsraum musste auch von Mitteln aus dem Verein der Freiwilligen Feuerwehr Glattbach beschafft werden, gleiches galt für Geräte oder Mittel für den Unterricht wie Overhead-Projektoren, Beamer, Leinwände oder Computer“, führte Rettig aus.

Zudem sei vonseiten des Vereins viel in die Sicherheit der Einsatzkräfte investiert worden, etwa durch Lampen mit Bewegungsmeldern im Außenbereich und im Gerätehaus oder den Einbruchschutz vor den Fenstern. Selbst die Fassade oder die Innenräume seien von den Feuerwehrmitgliedern wieder neu angelegt worden.

Längerer Anfahrtsweg könnte Motivation gefährden

„Ich möchte alle zuständigen Personen, die in dieser Sache mitwirken, bitten, hier nicht rein nach Vorgaben zu entscheiden, sondern die eine oder andere Entscheidung mehr realitätsnah zu betrachten. Forderungen sollten immer verhältnismäßig sein. Ich möchte mich hier nicht gegen eine Zusammenlegung einzelner Einsatzabteilungen aussprechen, aber solche Entscheidungen sollten unter Einbeziehung der Betroffenen sowie mit Maß, einer genauen Planung – zum Beispiel, wo und wie ich die Einsatzkräfte und erforderlichen Fahrzeuge unterbringe – und einer Abwägung der Vor- und Nachteile getroffen werden“, plädierte Rettig.

„Schlecht wäre es, wenn die Einsatzkräfte, die einen längeren Weg zum Gerätehaus haben, immer nur die Rücklichter sehen und sich dann überlegen, ob sie überhaupt noch bei einem Alarm kommen. Ich vergleiche das mit dem unbezahlten Sportler, der immer am Training teilnimmt, aber fast nie eingesetzt wird. Irgendwann sieht man ihn auch nicht mehr beim Training, da er sich ein anderes Betätigungsfeld gesucht hat. Ist das unser Ziel? Oder müssen wir nicht um jede Einsatzkraft kämpfen, damit wir auch eine gewisse Personaldecke haben?“, appellierte Rettig.

Feuerwehr auch mit wenig Personal schlagkräftig

Abschließend ging Rettig auch noch auf die bereits langjährige Zusammenarbeit mit der Freiwilligen Feuerwehr Seidenbuch ein: „Seidenbuch war immer eine eigenständige Feuerwehr, die die Übungen, Ausbildungen und Einsätze mit der Feuerwehr Glattbach gemeinsam absolviert hat.

Bei zwei Brandeinsätzen in Seidenbuch hat die Feuerwehr Seidenbuch gezeigt, dass sie auch mit nur einem Kleinlöschfahrzeug und wenig Personal die Brände so weit eindämmen konnte, bis weitere Kräfte eingetroffen sind. Was das Personal angeht, das eben im ländlichen Raum nicht immer zur Verfügung steht, da es oftmals keine Arbeitsplätze vor Ort gibt, hat unser ehemaliger Stadtbrandinspektor verschiedene Ausrückebereiche gebildet, in den immer mehrere Feuerwehren gleichzeitig – auch bei niedrigen Einsatzstichworten – alarmiert worden sind.

Ein Ausrückebereich war Kolmbach, Glattbach, Seidenbuch, der andere Winkel, Schlierbach, Eulsbach und dann noch Winterkasten und Lindenfels-Mitte. Diese Regelung hat in den vergangenen Jahren meiner Meinung nach immer funktioniert.“

Gerätehaus ist ein Ort der Begegnung

An der Jahreshauptversammlung der Glattbacher Feuerwehr hatten auch Reinhard Bitsch vom Lindenfelser Magistrat, der künftige Bürgermeister Maximilian Klöss, Stadtbrandinspektor Michael Höbel und Kreisbrandinspektor Steffen Lutter teilgenommen. An Lutter gewandt forderte Bitsch, dass sich der Kreisbrandinspektor dafür einsetzen sollte, dass auch die kleineren Feuerwehren gesehen werden. „Das Funktionieren der Feuerwehren in einem kleinen Ort hängt auch am Gerätehaus, denn das Feuerwehrhaus ist ein Ort der Begegnung, das sollte man im Kalkül behalten. Im Moment frisst die Revolution ihre eigenen Kinder. Wenn die Feuerwehren auf den kleinen Dörfern nicht mehr vorhanden sind, haben wir nichts gewonnen.“

Wenn Vorgaben nicht erfüllt sind, gibt es keine Förderung

Lutter entgegnete, dass laut dem Bedarfs- und Entwicklungsplan mindestens 18 Einsatzkräfte und acht Atemschutzgeräteträger pro Gerätehaus vorhanden sein müssen. „Landrat Christian Engelhardt sieht, wie gut sich die Feuerwehr entwickelt hat, aber der Kreis ist zuständig für die Förderungen. Und wenn die Vorgaben nicht erfüllt sind, kann man auch nicht viel investieren“, erläuterte Lutter. Da die drei betroffenen Feuerwehrabteilungen die Richtlinien allein schon in Bezug auf die Personalstärke nicht erfüllen, habe der Gutachter die Fusion empfohlen. „Aber trotzdem steht immer der Mensch im Mittelpunkt“, versicherte Lutter.

Höbel betonte, dass die Feuerwehr in Glattbach gut aufgestellt sei und verwies darauf, dass zumindest die Feuerwehrvereine von Eulsbach, Seidenbuch und Winkel bestehen bleiben können. Rettig ergänzte, dass hierfür allerdings eine Satzungsänderung nötig sei – allein schon deshalb, um die Gemeinnützigkeit der Vereine, die gegeben sein muss, auch in Zukunft sicherzustellen und Spenden generieren zu können.

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Außerdem müssten aufgrund der Fusion auch neue Namen für die Feuerwehren her, etwa „Lindenfels West“ oder „Lindenfels Ost“, schlug er vor.Klöss bedankte sich bei den Einsatzkräften und Feuerwehrvereinsmitgliedern für deren Engagement: „Die Freiwillige Feuerwehr Glattbach steht für Kontinuität und Zuverlässigkeit.

Das Feuerwehrwesen ist eines der herausforderndsten Ämter, die es gibt. Jeder wird gebraucht und man muss jeden mitnehmen. Wir müssen uns noch mehr unterhaken, denn nur gemeinsam geht es voran“, machte Klöss klar. Kritisch sah er hingegen die Kosten, die so ein Gerätehausneubau mittlerweile verschlingt – mitunter seien das bei umliegenden Kommunen zweistellige Millionenbeträge. „Das kann so nicht weitergehen“, unterstrich er.

Redaktion

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