Lindenfels. Die „Lokale Agenda 21“ läuft bis heute in der Burgstadt unter dem Titel „Bürgerquelle Lindenfels“. Damit ist in Lindenfels ein ganz eigner Weg zu der 1992 in Rio de Janeiro bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung von 178 Staaten abgeschlossenen „Agenda 21“ gegangen worden – und mit einem besonderen Schwerpunkt, der mit dem ursprünglichen Gedanken der Agenda nur wenig zu tun hat.
Wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung formuliert, handelt es sich bei der Agenda 21 „um ein umweltpolitisches Aktionsprogramm mit konkreten Handlungsempfehlungen für das 21. Jahrhundert“. In vielen Bereichen sollten zwischen Industriestaaten und den armen Ländern entwicklungspolitische Ziele wie die Armutsbekämpfung und nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen erreicht werden. Umweltpolitische Ziele und die Reduzierung des Treibhauseffektes wurden ebenfalls formuliert.
Nachhaltigkeit ist somit das Stichwort. Es wurde ein System entwickelt, damit sich an diesen Gedanken möglichst viele Regierungen und Menschen beteiligen. Diese Gedanken stehen unter dem Motto „Global denken, lokal handeln“.
Wie die Heinrich-Böll-Stiftung ausgearbeitet hat, haben sich daran weltweit über 10 000 Städte und Gemeinden sowie einzelne Bürger, Gruppierungen und Vereine beteiligt, um die Agenda 21 auf lokaler Ebene umzusetzen. „Die Mehrzahl dieser Kommunen liegt in Europa“, heißt es auf der Internetseite der Stiftung.
In der Anfangsphase standen Umweltthemen im Mittelpunkt, ab Ende der 90er-Jahre kamen weitere Gedanken zur Nachhaltigkeit dazu, nämlich die Begriffe „Soziales, Ökologie und Ökonomie“. Diese sollten zum Ziel haben, bewusst einen verantwortungsvollen Umgang mit der Erde zu pflegen, sodass diese auch für zukünftige Generationen lebenswert bleibt.
Für Lindenfels wurde nun der Aspekt der „Sozialen Nachhaltigkeit“ interessant. Für die Schaffung der Lindenfelser Bürgerquelle konnte der inzwischen verstorbene Professor für Soziologie und Religionspädagogik, Bernhard Suin de Boutemard, gewonnen werden. Er entwickelte die Idee zur Schaffung der „Lindenfelser Bürgerquelle“.
„Die Lindenfelser Bürgerquelle ist eine der vielen Möglichkeiten und Gelegenheiten, um die Lebensqualität nachhaltig zu sichern und zu verbessern. (…) Auch das kulturelle, das soziale und öffentliche Leben in den Ortschaften und Regionen gehört dazu“, schrieb er als Vorwort für die erste Ausgabe des Heftes „Lindenfelser Bürgerquelle“ im Jahr 2000. In den Mittelpunkt stellte er das Wasser, das die Hanglagen des Odenwaldes hinunter fließt. Sollte es passieren, dass die Böden mal nicht mehr bewachsen sind, dann würde das Wasser die wertvolle Erde wegschwemmen und einzig die Felsen würden übrig bleiben. „Das nennt man Erosion“, so der Autor.
Auf der Suche nach Bürgern mit besonderen Eigenschaften, Interessen oder Hobbies
Um eben eine Erosion im sozialen Miteinander entgegen zu wirken wurde ganz im Sinn der Agenda 21 die Bürgerquelle geschaffen. In Zusammenarbeit mit der Stadt Lindenfels begab sich Bernhard Suin de Boutemard auf die Suche nach Bürgern mit besonderen Eigenschaften, Interessen oder Hobbies und fragte an, ob sie denn bereit wären, ihr Wissen mit anderen Menschen teilen zu wollen. Die Menschen sollten ins Gespräch kommen, sich kennen lernen und gemeinsam Dinge unternehmen, die ihnen Freude bereiten.
So schuf er bis 2000 eine Gruppe von 63 Kontaktpersonen mit 98 Angeboten, diese konnten 2002 auf 71 Kontakte mit 124 Angeboten erhöht werden. Ein Blick ins Heft von damals zeigt eine bunte Palette von Aquarellmalerei, Astrologie, Bauernmalerei, Binseneier, Bleiverglasung, Buchbinden, Dia-Vorträge, Dudelsackkurse, Fotografie, Gartenwindmühlen, Gesprächspartner gesucht, Imkerei, Kakteensammlung, Kunststricken, Heilfasten, Heimische Orchideen und Naturerlebnisse, Meditation, Mountainbike, Nachbarschaftshilfe, Odenwälder Tracht, Regenerative Energien, Schlepperstammtisch und Schmetterlingsmuseum.
20 Jahre später ist davon nicht viel übrig geblieben, aber die Bürgerquelle existiert noch. Aus der 35 Seiten starken Broschüre ist ein Flyer geworden mit 23 Angeboten aus den Bereichen Kunst – Kultur – Kreatives. Diese Informationen sind im Kur- und Touristikservice der Stadt Lindenfels und bei Thomas Neumark (Atelier Neumark) zu bekommen.
Zuletzt hatte Hanjörg Morckel die Leitung der Bürgerquelle inne, die er nun aus persönlichen Gründen niedergelegt hat. Bislang konnte sich kein Nachfolger finden. Die Bürgerquelle erlebt damit gerade eine Trockenphase, vergleichbar den derzeitigen klimatischen Verhältnissen. Es wäre wünschenswert, wenn ein aktive Lindenfelser Bürger bereit wären, diese Quelle wieder zum Sprudeln zu bringen.
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