Jubiläum

„Was kommt die nächsten 50 Jahre?" - SAP-Chef Christian Klein im Interview

Vorstandssprecher Christian Klein steht seit Oktober 2019 an der Spitze. Ein Gespräch über das Jubiläum von SAP, sein Verhältnis zu den Gründern - und bei welchem Verein in Mühlhausen er ab und zu mittrainiert.

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Alexander Jungert
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Christian Klein ist eit Mitte April 2020 alleiniger Vorstandssprecher der SAP. © SAP

Walldorf. Herr Klein, wie cool ist SAP am 50. Geburtstag?

Christian Klein: Sehr cool! SAP will für Technologie, Innovation und Nachhaltigkeit stehen. Gerade helfen wir Kunden zum Beispiel dabei, die Lieferketten zu digitalisieren. Man muss sich immer wieder damit beschäftigen, wie sich komplette Industrien wandeln. Anders können wir nicht die Software liefern, die gebraucht wird. So etwas hält jung. Zudem stellt SAP weiterhin ein - und achtet dabei besonders auf junge Talente.

Wie feiern Sie das Jubiläum persönlich?

Klein: Für mich als Vorstandssprecher ist es ein Moment, in dem ich auf meine Verantwortung schaue und etwas zurückblicke. Dabei darf man durchaus stolz sein, denke ich. Gleichzeitig frage ich mich: Was kommt die nächsten 50 Jahre?

Sie haben es mit harter Konkurrenz vor allem aus den USA zu tun.

Klein: Konkurrenz belebt das Geschäft, wie man so schön sagt. Klar: Wir müssen liefern. Das Geschäft ist sehr schnelllebig. SAP geht durch eine Transformation, unsere Kunden auch. Der Strategie-Wechsel hin zur Cloud (Miet-Software im Internet, Anm. d. Red.) ist schon einschneidend. Aber ich bin mir sicher: Es ist der richtige Weg. Das bestätigen Kunden und Mitarbeiter. In den Kernmärkten ist SAP sehr erfolgreich und gewinnt Marktanteile. Nun geht es auch um neue Märkte.

Welche zum Beispiel?

Klein: Produktivität ist wichtig, Wachstum ist wichtig - jetzt geht es um Nachhaltigkeit. Nehmen Sie als Beispiel das Catena-X-Netzwerk. Ziel ist es, standardisierte Daten- und Informationsflüsse entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette zu schaffen. Ein Autohersteller kann so etwa den CO2-Fußabdruck seines Produktes abbilden oder sicherstellen, dass Lieferanten soziale Standards einhalten. Am Thema Nachhaltigkeit kommt künftig kein Unternehmen mehr vorbei.

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Wie ist Ihr Verhältnis zu den Gründern von SAP? Was haben Sie von Ihnen gelernt?

Klein: Wie gesagt: Wir machen gerade eine der größten Transformationen unserer Geschichte durch. Aber auch früher hat es schon Technologie-Wechsel gegeben. Wenn ich mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hasso Plattner darüber rede, was damals gut gelaufen ist und was nicht so gut, wäre ich verrückt, seine Antworten zu ignorieren. Mit Dietmar Hopp spreche ich zudem über Corona und die Frage, wie man die Beschäftigten im Homeoffice motiviert hält. Zu denken, man weiß schon alles, ist der größte Fehler, den man machen kann.

Weshalb?

Klein: Weil man dann schon verloren hat. Ich weiß sehr wohl, dass es hier viele Experten auf dem Campus gibt, die sich mit manchen Themen besser auskennen als der Konzernchef. Wäre ja auch schlimm, wenn nicht (lacht). Sich auszutauschen und verschiedene Ansichten anzuhören, ist immer wichtig. Auch im Verhältnis mit der Arbeitnehmervertretung.

Zur Person

  • Christian Klein wurde am 4. Mai 1980 in Heidelberg geboren. Er ist in Mühlhausen (Rhein-Neckar-Kreis) aufgewachsen, in Östringen zur Schule gegangen und hat in Mannheim studiert.
  • Sein Vater Karl Klein war früher Bürgermeister von Mühlhausen und saß bis 2021 für die CDU im baden-württembergischen Landtag.
  • Die Karriere bei SAP begann Christian Klein 1999 als Werkstudent.
  • Im Vorstand sitzt der Manager seit 2018, an der Spitze ist er seit Oktober 2019. Zunächst gemeinsam mit Jennifer Morgan, seit Mitte April 2020 allein.
  • Auf seinem Profil bei Twitter bezeichnet sich der Vater zweier Kinder als jemanden, der an junge Talente glaubt und als großen Fußballfan.

Arbeitnehmervertretung und Betriebsrat sind gute Stichworte. Deutschland-Personalchef Cawa Younosi hat kürzlich Werbung dafür gemacht, sich an den Betriebsratswahlen zu beteiligen oder sogar selbst zu kandidieren. Das ist eher untypisch für einen Personalchef. Unterschreiben Sie seinen Appell?

Klein: Arbeitnehmervertreter haben eine wichtige Funktion, schließlich treten sie für die Interessen der Mitarbeiter ein. Sich dafür zu engagieren, finde ich toll. Solange auch beim Wahlkampf alles fair und im Rahmen abläuft - und nicht zulasten von SAP - bin ich dafür auf jeden Fall zu haben.

Damit vertreten Sie den Gegenpol zu Dietmar Hopp. Er hatte im Jahr 2006 vor einer möglichen Fremdsteuerung des Unternehmens durch den Betriebsrat gewarnt.

Klein: SAP ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Entsprechend viele Themen gibt es, die die Beschäftigten bewegen. Dass es zwischen Management und Betriebsrat unterschiedliche Interessen gibt, ist völlig normal. Das Management muss auf die Belegschaft eingehen, klar, aber es muss gleichzeitig Kunden, Partner und Aktionäre im Blick haben. Wichtig ist ein konstruktiver Austausch. Am Ende geht es oft um Kompromisse. So lange die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat konstruktiv und vertrauensvoll ist wie momentan, schätze ich sie sehr.

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Im Sommer 2021 ist einem Betriebsratsvorsitzenden außerordentlich gekündigt worden, zudem musste er den Aufsichtsrat verlassen. Der Mann soll einem Kollegen dabei geholfen haben, Mauscheleien bei Urlaubs- und Arbeitszeiten zu verschleiern. Wie kann so etwas passieren? Hat das dem Image von SAP geschadet?

Klein: Natürlich liest man so etwas nicht gerne - und natürlich will man SAP nicht mit so einer Angelegenheit verbunden sehen. Man muss aber auch sagen: Wir haben mehr als 100 000 Beschäftigte. Es gibt eben solche Einzelfälle. Man darf diese keinesfalls generalisieren, das ist ein großer Fehler. Was passiert ist, war nicht gut, und wir werden unsere Schlüsse daraus ziehen.

Welche?

Klein: Wir werden bei bestimmten Abläufen sicherstellen, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen kann.

Warum geht wieder ein Vorstandsmitglied - und mit Luka Mucic sogar ein langjähriger SAP-Manager, den Sie als Mentor bezeichnen? Was bedeutet das für SAP?

Klein: Ich bin Luka Mucic sehr dankbar für alles, was er für SAP getan hat. Er ist seit 26 Jahren eine der treibenden Kräfte hinter unserem Erfolg, und ich bin überzeugt, dass seine Leistungen sich auch in der Zukunft positiv auf SAP auswirken werden. Unsere strategische Transformation kommt gut voran, und wir sind auf dem richtigen Weg - dazu hat Luka entscheidend beigetragen und wird dies auch noch bis zu seinem Ausscheiden tun. Der Aufsichtsrat hat die Suche nach einem Nachfolger eingeleitet. Luka wird Teil dieses Prozesses sein und bis zum 31. März 2023 seine Rolle als Finanzchef in vollem Umfang fortsetzen.

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Reden wir über den Krieg in der Ukraine, den Russland begonnen hat. Wie gehen Sie damit um?

Klein: Die Lage in der Ukraine lässt einen nicht kalt. Ich sehe die schrecklichen Bilder auch als Familienvater. Das ist ein großes Verbrechen gegen ein Land, in dem die Menschen in Freiheit leben wollen. Natürlich sind große Emotionen im Spiel. Deshalb kümmern wir uns in erster Linie um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ukraine - und natürlich auch um die breite Belegschaft. Vor Kurzem waren die ukrainische SAP-Landeschefin und der russische SAP-Landeschef auf einer virtuellen Mitarbeiterversammlung zu Gast. Die beiden sind Freunde, und sie haben sich über die Gemeinsamkeiten der beiden Nationen ausgetauscht. Ich denke, es ist wichtig zu verdeutlichen: Das ist kein Krieg Land gegen Land. Das ist der Krieg einer Einzelperson gegen ein Land.

Es gibt Kritik gegen SAP, weil Sie sich nicht komplett aus Russland zurückziehen.

Klein: Die Politik hat Sanktionen vorgegeben, diese sind sehr zielgerichtet. Nun verbleibt allerdings ein Teil, nämlich Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen beispielsweise aus dem Gesundheitssektor und dem Handel - Unternehmen, die für Bürgerinnen und Bürger von entscheidender Bedeutung sind. Die Sanktionen klammern diese Unternehmen bewusst aus. Sollen wir jetzt als SAP sagen: Wir wissen es besser und ziehen uns noch mehr zurück? Wenn weitere Sanktionen beschlossen werden, setzen wir diese natürlich auch um. Als nächsten Schritt haben wir zum Beispiel zwischenzeitlich den Cloud-Betrieb in Russland eingestellt. Übrigens können wir mit unserer Technologie den Menschen in der Ukraine helfen: Sei es bei der Koordination der Flüchtlingshilfe oder der Logistik. Zudem melden sich SAP-Beschäftigte, die Wohnraum anzubieten haben. Auf solche Dinge fokussieren wir uns.

Durch den Krieg ist auch die Angst vor russischen Cyber-Attacken gewachsen. Wie sicher sind die deutschen Systeme?

Klein: Es herrscht nicht nur der physische Krieg in der Ukraine, sondern auch ein Cyber-War. Wir sehen direkt bei SAP, dass die Attacken in den vergangenen Wochen zugenommen haben. Gerade für uns als Technologieunternehmen ist es sehr, sehr wichtig, bei der Cyber-Sicherheit vorne dabei zu sein, da investieren wir viel Geld und Zeit. Das Problem ist nicht die Sicherheit unserer Cloud, sondern es sind die Rechenzentren der Kunden vor Ort. Viele Mittelständler haben gar nicht die Möglichkeiten, gegen die immer ausgefeilteren Attacken Schritt zu halten. Deshalb wollen gerade jetzt viele von ihnen in unsere Cloud, weil sie ihre Daten bei uns besser geschützt sehen. Wir beobachten hier eine wachsende Nachfrage durch den Krieg.

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Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand der Digitalisierung in Deutschland? Hat die Pandemie tatsächlich einen Schub gebracht?

Klein: Nehmen Sie die Corona-Warn-App, die wir mitentwickelt haben. Solche emotionalen Diskussionen um den Datenschutz gab es in anderen Ländern nicht. Wir teilen so viele Daten auf Facebook, warum nicht mitten in einer Pandemie in einer Warn-App? Wenn es darum geht, Menschenleben zu retten? Es geht doch darum, Testergebnisse möglichst schnell zu übermitteln. Die App hätte vieles mehr leisten können, was aber nicht gewollt war. Da liegt es eben an uns, Aufklärungsarbeit zu leisten. Digitalisierung kann gerade im Gesundheitswesen viel helfen, um Abläufe effizienter zu machen angesichts der Überlastung des Pflegepersonals.

Sie haben auch als SAP-Chef zwei Jahre Pandemie-Management hinter sich - und jetzt der Krieg. Wie schaffen Sie es persönlich, mental und körperlich gesund zu bleiben?

Klein: Meine Frau und ich haben zwei Kinder. Mein Sohn will am Wochenende regelmäßig in den Wald, das hält fit. Und unter der Woche bringe ich die Kinder morgens mal in den Kindergarten. Vor Kurzem habe ich auch beim Tischtennisverein in Mühlhausen mitgespielt und mittrainiert. Mein Team macht einen super Job und hält mich für ein paar Stunden frei. So richtig abschalten kann ich natürlich im Urlaub mit meiner Familie. Im Skilift ist es schwierig, immer auf das Smartphone zu schauen - das hilft. Irgendwann braucht jeder Mensch einen Ausgleich. Das ist wichtig.

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Beschäftigte von SAP sollen freitags möglichst keine Termine mehr vereinbaren, um sich sammeln und entspannt ins Wochenende gehen zu können. Wie klappt das bei Ihnen?

Klein: Wir bekommen aus den Teams, in denen der „Focus Friday“ bereits zum Arbeitsalltag gehört, durchweg positive Rückmeldungen. Für viele Kolleginnen und Kollegen ist der weniger dicht gepackte Freitag inzwischen ein wesentliches Element der Work-Life-Balance geworden. Sie nutzen den Tag, um Projekte zu finalisieren, die neue Arbeitswoche vorzubereiten oder um sich selbst weiterzubilden. Mir selbst fällt es zugegebenermaßen nicht ganz so leicht, den Freitag von Terminen freizuhalten. In meiner Funktion ist das wohl verständlicherweise eine große Herausforderung. Aber ich arbeite daran.

Als wir das vergangene Mal miteinander gesprochen haben, sagten Sie, Ihr Homeoffice-Zimmer sei relativ klein und Sie müssten deshalb noch einmal mit Ihrer Frau reden. Wie ist der Stand?

Klein: Ich muss nicht jeden Termin im Homeoffice machen (lacht). Bei abendlichen Meetings nehme ich manchmal meine Kopfhörer mit und laufe ein bisschen - damit ich etwas Bewegung bekomme.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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