Herr Younosi, angenommen, Sie hätten zum Jubiläum einen Wunsch frei: Welches Projekt würden Sie für die Belegschaft umsetzen?
Cawa Younosi: Einen Swimmingpool in Walldorf, auf dem Dach unseres Headquarters - da hoffe ich immer noch, dass wir das hinkriegen. Aber darüber hinaus? Da muss ich wirklich überlegen. Das heißt, ich habe keine großen Wünsche offen. In der Vergangenheit hätte ich gerne ein Betreuungsangebot für Hunde aufgebaut - die „Wau Wau“-App -, das ließ sich in Walldorf aber nicht realisieren. Und jetzt, wo Homeoffice quasi normal geworden ist, weiß ich gar nicht, ob da noch Bedarf wäre. Insgesamt ist aus meiner Sicht das Coole bei SAP: Wenn etwas wirklich im Sinne der Mitarbeiter ist und man beim Finanzierungsbedarf nicht übertreibt, kann man eigentlich alles umsetzen. Diese Kultur ist für mich das größte Benefit - und das kann man nicht kaufen.
Welche Benefits kommen in der Belegschaft am besten an?
Younosi: Die klassischen Dinge wie unser Arbeitszeitkonto, mit dem man Geld in Stunden-Guthaben verwandeln kann. Das war schon vor den allerersten Vorruhestandsprogrammen beliebt und hat in der Null-Zins-Phase noch einmal an Attraktivität zugenommen. Gleiches gilt für das Angebot zur Altersvorsorge. Sehr gut genutzt werden unsere Angebote rund um Achtsamkeit und mentaler Gesundheit - da hat SAP das größte Programm in der deutschen Industrie. 15 000 Kolleginnen und Kollegen haben bisher daran teilgenommen. Das Thema klingt ein bisschen soft, ist aber eine gute Erklärung dafür, warum psychische Erkrankungen in unserer Belegschaft weniger ein Thema sind als anderswo. Auch die SAP-Väterzeit kommt gut an: Seit 2019 können Männer nach der Geburt ihres Kindes die ersten acht Wochen 20 Prozent frei nehmen - ohne Gehaltsverlust. Neben Firmenwagen, Job-Fahrrad und kostenlosem Mittagessen ist auch unser Programm MobiLife beliebt: Beschäftigte können mehrmals im Jahr die neuesten Handy- oder Tabletmodelle für private Zwecke günstig leasen.
Zur Person
- Cawa Younosi, geboren am 18. Dezember 1975, stammt aus Afghanistan. Als Jugendlicher flüchtete er aus seiner Heimatstadt Kabul.
- Während des Jura-Studiums in Bonn jobbte er als Kellner, Handyverkäufer und Kioskbesitzer.
- Seine Karriere startete Younosi als Arbeitsrechtler bei der Deutschen Telekom. 2009 der Wechsel zu SAP.
- Seit 2018 ist der Manager Personalchef von SAP Deutschland – und damit verantwortlich für rund 24 000 Beschäftigte.
- Younosi leitet nun auch die Organisation „People Experience“. Die Aufgabe: Weltweit sollen bis 1. Juli alle Personalchefs und -chefinnen von SAP zu einem Team zusammengeführt werden.
- Der Manager liest gerne, schaut Serien und kreiert elektronische Musik am Computer. Younosi ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt in Walldorf.
Trotz der vielen Benefits gab es bei der letzten Gehaltsrunde auch unzufriedene Stimmen. Ist im Kampf um Fachkräfte am Ende doch entscheidend, wer am besten zahlt?
Younosi: Nicht nur. Sicher verlieren wir immer mal Beschäftigte an Firmen, die auf absolutes Wachstum aus sind und die mit Geld alles kompensieren, was wir sonst anbieten. Das sind Softwareunternehmen, die Mitarbeiter förmlich abkaufen, indem sie 200 Prozent mehr zahlen als wir oder andere etablierte Firmen. Das ist aber kein echtes Problem für uns. Unsere Fluktuationsraten sind an allen Standorten sehr niedrig und im vergangenen Jahr sind wir netto um 1500 neue Mitarbeiter gewachsen. Und zur Gehaltsrunde: Die Belegschaft ist es gewohnt, dass das Budget dafür deutlich über der Inflation liegt. Das ist dieses Mal nicht der Fall, daher die Unzufriedenheit. Was oft vergessen wird: Viele der knapp 24 000 Beschäftigten in Deutschland bekommen zusätzlich Aktien im Wert von einer viertel Milliarde Euro geschenkt - das gibt es in dieser Dimension sonst nirgends.
Früher galt es teilweise als Herausforderung, Top-Talente an einen Ort wie Walldorf zu locken - hat sich das durch das mobile Arbeiten in der Pandemie erledigt?
Younosi: Das hat sich schon vorher erledigt. Wir haben schon 2016/17 bei der weiteren Planung für den Standort gedacht, wir bräuchten keine weiteren Gebäude, weil die Beschäftigten teilweise mobil arbeiten und nicht nach Walldorf kommen müssen beziehungsweise wollen. Allerdings war das Gegenteil der Fall: Wir sind praktisch überrannt worden und mussten ganz schnell einen Neubau errichten. Die Leute arbeiten eben doch gerne in der Nähe eines Teams und schätzen auch die Infrastruktur in einer Region wie Baden-Württemberg.
Beispiele für Zusatzleistungen
- Arbeitszeitkonten: Beschäftigte haben die Möglichkeit, Teile ihres Monatsgehalts/ihrer Zusatzvergütungen in Zeitguthaben umzuwandeln. Damit können sie sich unter Fortzahlung der Grundbezüge für einen längeren Zeitraum von der Arbeit freistellen lassen – zur Erholung, für eine Reise oder zur beruflichen Weiterqualifikation.
- Kinderbetreuung: SAP verfügt über ein Krippenplatzkontingent für Mitarbeiterkinder in Kindertagesstätten an verschiedenen Standorten in Deutschland. In Walldorf ist es das „Haus der kleinen Hände“, in St. Leon-Rot das „Haus der kleinen Füße“. Fällt die reguläre Kinderbetreuung eines Mitarbeiters kurzfristig aus, kann dieser das Kind mit zur Arbeit bringen. In einigen Büros gibt es Spielzimmer.
- Sport und Freizeit: Beschäftigte können in Walldorf und St. Leon-Rot Tennisplätze, Beachvolleyball-Felder und Fitnessräume nutzen. Zudem gibt es interne Sportgruppen (unter anderem Laufen, Radfahren, Schach) und Fitnesskurse (Rückentraining, Pilates). Fernab vom Sport wird es musikalisch: So haben sich in Walldorf und St. Leon-Rot die SAP Big Band, der SAP-Chor und das SAP Sinfonieorchester etabliert.
- Baudarlehen: SAP bietet anspruchsberechtigten Mitarbeitern einmal im Laufe der Betriebszugehörigkeit ein zinsloses Darlehen von maximal 26 000 Euro zur Finanzierung des Kaufs oder Baus von eigengenutztem Wohnraum an.
- Essen und Getränke: Beschäftigte in Walldorf und St. Leon-Rot erhalten ein kostenloses Mittagessen und Gratis-Getränke.
Doch durch das mobile Arbeiten wächst bestimmt auch die Versuchung, Arbeit an günstigere Orte zu verlagern, oder?
Younosi: Das trifft auf Tätigkeiten von SAP nicht zu. Ja, wir sind in Indien, Brasilien und anderen Teilen der Welt vertreten - die Kollegen und Kolleginnen dort machen im Prinzip nichts anderes als jene in Deutschland. Zwar verdienen die Beschäftigten dort teilweise kaufkraftbedingt weniger. Doch man muss wissen: Deutschland gehört in der SAP-Welt nicht zu den Hochlohn-Ländern, sondern eher zum Mittelfeld. Wir hätten tatsächlich nichts davon, Arbeit von hier aus woanders hin zu verlagern.
Wird der Stammsitz Walldorf in Zukunft gestärkt?
Younosi: Definitiv! Das Management hat schon vor der Corona-Pandemie große Pläne gemacht, um die Headquarter in Walldorf zu sanieren und sie bautechnisch auf den neusten Stand zu bringen. Das wird ohne Abstriche umgesetzt - und richtig gut werden. SAP investiert dafür einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Es gibt auch Unternehmen, die in der Pandemie Büroflächen abgebaut haben.
Younosi: Wir werden in absehbarer Zeit nicht neu bauen - dafür haben wir auch kaum noch Platz -, sondern die bestehenden Flächen besser nutzen. Auch im Sinne von Energieeffizienz der Gebäude und neuen Büro-Konzepten. Eine Verkleinerung der Flächen ist auf keinen Fall geplant.
An welchen bevorzugten Orten werden die Beschäftigten künftig arbeiten?
Younosi: Unsere Umfragen zeigen: Sollte die Pandemie irgendwann abflauen, geht der Trend zu etwa drei Tagen Büro pro Woche - der Rest mobil. Das ist ungefähr der Wert, den wir auch schon vor Corona hatten. Generell sollen unsere Beschäftigten möglichst flexibel sein - und dort arbeiten, wo es gerade für sie am besten passt. SAP macht hier keine strikten Vorgaben. Momentan arbeiten die meisten Beschäftigten wegen der Pandemie allerdings noch hauptsächlich von Zuhause aus.
Wie halten Sie es am liebsten? Büro oder Homeoffice?
Younosi: Ich wohne 700 Meter von SAP entfernt, von meinem Balkon aus kann ich das Logo sehen. Bei mir ist es daher fast egal, von wo aus ich arbeite (lacht). Im Ernst: Ich werde auch in Zukunft ab und an von zuhause oder von unterwegs aus arbeiten. Aber ich habe in den vergangenen zwei Jahren festgestellt: Das ständige mentale Umschalten zwischen Job und Privatleben in den eigenen vier Wänden überfordert mich allmählich. Erst bin ich in einer virtuellen Konferenz mit Kollegen - dann mache ich die Tür auf und treffe auf meine Frau und meinen Sohn, die beide sozusagen frei haben.
Sie haben vor Kurzem gesagt, bei SAP Deutschland gebe es dieses Jahr rund 1400 neue Stellen zu besetzen. Wie läuft die Talentsuche?
Younosi: Wir bekommen natürlich nicht alle, die wir gerne hätten. Bestimmte Fähigkeiten sind sehr gefragt, der Markt ist eng und angespannt. Entsprechend werden Nachwuchs- bzw. Fachkräfte von allen Seiten umworben. Der Vertrieb von Software ist sehr komplex; hier geht es nicht darum, einfach eine CD-ROM mit Programmen zu verkaufen. Beschäftigte im Vertrieb müssen die Abläufe in bestimmten Industrien ganz genau kennen, damit Kunden einen Nutzen von der Software haben.
Auf Ihrem Profil bei LinkedIn sind Sie als Astronaut zu sehen, der auf einem fremden Planeten spaziert. Was wollen Sie uns mit diesem Bild sagen?
Younosi: Oh ja, dieses Bild hat eine frühere Mitarbeiterin für mich gemacht, um mich aus ihrer Sicht zu beschreiben. Ich habe es schon seit ein paar Jahren auf meinem Profil. Das bringt mein Wesen in der Tat am besten auf den Punkt (lacht). Es geht darum, neue Pfade zu betreten. Den eigenen Weg zu suchen und nicht auf Dinge zu bauen, die es schon gibt.
Ist es das, was Sie auch jungen Menschen bei der Berufswahl raten?
Younosi: Wer seine Leidenschaft entdeckt hat, sollte dieser folgen. Egal, was die Leute sagen. Dann ist man auch erfolgreich. Wer sich über seine Leidenschaft noch nicht im Klaren ist, sollte sich in sozialen Medien umschauen, Praktika machen, sein gewohntes Umfeld verlassen und raus in die Welt gehen. Dann findet man am besten heraus, was einen ausmacht.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Editorial Was SAP ausmacht