Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Cawa Younosi, Personalchef von SAP Deutschland, eine bemerkenswerte E-Mail an die Belegschaft geschrieben. „Betriebsräte (m/w/d) gesucht!“ lautete die Betreffzeile. Und fettgedruckt der Appell: Wir möchten euch ermutigen, euch zur Wahl aufzustellen! Schließlich repräsentiere ein guter Betriebsrat die gesamte Vielfalt einer Belegschaft und könne sich aktiv für ihre Interessen einsetzen. „Die Arbeit im Betriebsrat eröffnet euch viele neue Möglichkeiten und Chancen und ist keineswegs ein Karrierekiller! Im Gegenteil, kann ein Türöffner sein!“
Solche Worte von einem Personalchef sind ungewöhnlich. Von einem Personalchef bei SAP erst recht. Denn man muss wissen, dass SAP als letztes börsennotiertes Großunternehmen in Deutschland einen Betriebsrat bekommen hat. Das war im Jahr 2006. Zuvor hatten der Vorstand und selbst die Belegschaft mehrheitlich die Gründung stets abgelehnt. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sollten reichen. Diese Meinung teilte auch Mitgründer Dietmar Hopp, er sprach sich nach seinem Abschied bei SAP 2005 vehement gegen einen Betriebsrat aus, wetterte gegen die IG Metall und warnte vor einer Fremdsteuerung des Unternehmens.
Mittlerweile gibt es bei dem Softwarekonzern vier Betriebsräte: von SAP Deutschland, von der SAP SE sowie von den Tochtergesellschaften Concur und Hybris. Über diesen Gremien steht der Konzernbetriebsrat, so etwas wie das Dach aller betriebsrätlichen Aktivitäten bei SAP.
In diesen Tagen und Wochen wird wieder gewählt. Bei der SAP SE etwa am 5. April. In dem mehr als 40-köpfigen, stark zersplitterten Gremium kämpfen IG Metall und Verdi um mehr Einfluss. Listen wie „Stark“, die keiner größeren Gewerkschaft nahestehen, stellen bis dato die Mehrheit.
Themen hat es zu Genüge: die Bezahlung der Mitarbeiter und die Unzufriedenheit mit den vergangenen beiden Gehaltsrunden, die neue Arbeitswelt aus Büro und mobilem Arbeiten, die Gesundheitsförderung. Bei der Bezahlung von Frauen gibt es unterschiedliche Positionen: Während die IG Metall eine Benachteiligung von Mitarbeiterinnen moniert, weist die Spitze des Betriebsrats der SAP SE diesen Vorwurf zurück.
Affären wie der außerordentlich gekündigte Betriebsratsvorsitzende der SAP SE im Sommer 2021 - er soll einem Kollegen dabei geholfen haben, Mauscheleien bei Arbeitszeiten zu verschleiern - kosteten Vertrauen. Kritiker dürften sich darin bestätigt sehen, dass sich die Mitglieder des Gremiums mehr um eigene Interessen kümmern statt um das Wohl der Belegschaft. „Der Betriebsrat ist die demokratisch gewählte Vertretung der Mitarbeiter und gestaltet die Arbeitswelt mit“, stellt Klaus Merx, Betriebsratsvorsitzender der SAP SE, klar. „Er ist ein wichtiges Element der betriebsinternen Demokratie.“
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Editorial Was SAP ausmacht