Migration

Platz schaffen für Flüchtlinge in Viernheim

Die Stadt hat dem Kreis zwei weitere Liegenschaften genannt. Bürgermeister Matthias Baaß sieht noch offene Fragen zum Haushaltsrecht.

Von 
Wolfram Köhler
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Das frühere Rhein-Neckar-Hotel ist die größte Flüchtlingsunterkunft in Viernheim. Die Stadt sucht nun nach weiteren geeigneten Gebäuden. © Bernhard Kreutzer

Viernheim. „Die Stadt bereitet sich gerade sehr intensiv auf die vom Kreis Bergstraße ab dem 1. Mai angekündigte Direktzuweisung von Geflüchteten vor.“ Mit diesen Worten reagiert Bürgermeister Matthias Baaß auf die Kritik des Kreisbeigeordneten Matthias Schimpf, die Kommunen würden sich nicht ausreichend bei der bevorstehenden Unterbringung von Migranten engagieren (wir berichteten).

Laut Baaß hat die Stadtverwaltung dem Landratsamt bereits im Januar eine Immobilie und eine Fläche benannt, wo Zuwanderer untergebracht werden könnten. Um welche Liegenschaften es sich dabei handelt, wollte der Rathauschef noch nicht sagen. Mit Sozialamtsleiter Rudolf Haas stehe zudem der gewünschte feste Ansprechpartner zur Verfügung, fügt er hinzu.

Riesige Herausforderung

Nach einer Berechnung von Schimpf muss der Kreis ab dem Frühjahr bis zu 1040 Menschen pro Quartal aufnehmen. Auf Viernheim kämen anteilsmäßig zwischen 98 und 131 Geflüchtete zu. Mit Blick auf diese Zahlen sieht Baaß die 22 Städte und Gemeinden des Kreises vor einer riesigen Herausforderung. Zudem stellten sich eine ganze Reihe an Fragen, etwa zum Haushaltsrecht.

Der städtische Etat liege gerade der Kommunalaufsicht zur Genehmigung vor, die kurzfristig anberaumte Unterbringung von Geflüchteten sei darin aber noch nicht aufgeführt. Gemäß Planung erhält die Stadt künftig 300 Euro pro Flüchtling und Monat vom Kreis, teilt der Bürgermeister mit. Demgegenüber stünden enorme Kosten, zum Beispiel für die mögliche Anmietung von Wohncontainern.

Dies alles gelte es, im Haushaltsplan abzubilden. Sollte sich die Stadt Viernheim nun für die Aufstellung eines Nachtragshaushalts entscheiden, sei das nicht im Handumdrehen zu erledigen. Denn, so Baaß: „Vor Beschluss und Genehmigung eines neuen Haushaltsplans darf nach geltendem Recht kein Auftrag erteilt werden.“

Zuwanderung im Kreis Bergstraße

  • Dem Kreis Bergstraße werden aktuell rund 60 Geflüchtete pro Woche zugewiesen. Die Menschen kamen zuletzt vornehmlich aus den Drittländern Türkei, Afghanistan, Syrien, Irak und Iran sowie den Kriegsgebieten in der Ukraine.
  • Der Kreis betreibt drei Gemeinschaftsunterkünfte in Viernheim. Im früheren Rhein-Neckar-Hotel samt Nebengebäude sind 187 Flüchtlinge untergebracht, in der Bunsenstraße 65 und in der Industriestraße 72 Menschen.
  • Gemäß Landesaufnahmegesetz (LAG) Hessen sind die Landkreise und Gemeinden verpflichtet, Ausländer nach dem Aufenthaltsgesetz und dem Asylverfahrensgesetz aufzunehmen und unterzubringen. Die Zuweisung innerhalb der Landkreise an die kreisangehörigen Gemeinden obliegt dem Kreisausschuss. wk

Unter anderem mit diesen Themen beschäftigten sich nach Angaben von Baaß die Bürgermeister des Landkreises, als sie vor wenigen Tagen in Viernheim zusammentrafen. Die Verwaltungschefs hätten sich in der Sitzung darauf geeinigt, in der Flüchtlingsfrage ein „gemeinsames, strukturiertes Vorgehen“ auf Kreisebene anzustreben. Deshalb habe man direkt im Anschluss um ein Gespräch mit Landrat Christian Engelhardt und dem zuständigen Dezernenten Matthias Schimpf gebeten. Das Treffen soll in dieser Woche stattfinden. In Viernheim werde sich am Montag, 27. Februar, der Magistrat mit der Angelegenheit beschäftigen, berichtet Baaß.

Bislang hat das Regierungspräsidium Darmstadt dem Landkreis die Geflüchteten – ob Asylbewerber, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine oder afghanische Ortskräfte - zugewiesen. Der Kreis verteilte die eingetroffenen Menschen daraufhin auf seine Gemeinschaftsunterkünfte, die er in den einzelnen Orten betreibt. Ab Mai soll sich das Prozedere ändern.

Der Kreis will dann die ankommenden Personen direkt an die Kommunen übergeben. Die Verwaltung in Heppenheim klärt Baaß zufolge lediglich Formalien mit den Betroffenen. „Noch am gleichen Tag erfolgt die Weiterleitung. Die Kommunen bringen die Personen dann in von ihnen vorzuhaltenden Unterkünften unter.“

Baaß bezeichnet es rückblickend als „sehr sinnvoll“, dass der Landkreis Bergstraße die Unterbringung der Geflüchteten über viele Jahre wahrgenommen und den Kommunen somit diese Aufgabe abgenommen hat. Dies sei „nicht in allen Landkreisen Hessens“ so gewesen, sagt Baaß. Allerdings sehe sich die Heppenheimer Behörde nun nicht mehr in der Lage, diese Leistung zu erbringen, „weil die Immobilien und das Personal fehlen“. Jetzt sei eine andere Ebene zuständig, die Probleme würden dadurch aber nicht verschwinden.

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„Im Kern ist die Problematik nur lösbar, wenn es auf bundesdeutscher und europäischer Ebene eine bessere Steuerung des Zugangs von Geflüchteten gibt“, erklärt der Viernheimer Verwaltungschef. Auf Kreisebene wäre es Baaß lieber gewesen, „wenn der Landkreis in persönlichen Gesprächen auf eine engere Mitarbeit der Städte und Gemeinden als bisher gedrungen und man sich dann gemeinsam zu einer veränderten Aufteilung der Aufgabenstellung verabredet hätte“.

Der Bürgermeister räumt ein, dass dies der etwas mühsamere Weg gewesen wäre. Die einseitige Entscheidung des Kreises Bergstraße, die Flüchtlinge künftig direkt zuzuweisen, sei allerdings nicht in seinem Sinne.

Redaktion

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