Bergstraße. „Integration funktioniert nicht im Kreis, sondern in der Kommune”, sagte der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf (Grüne) in der Kreistagssitzung am vergangenen Montag. Der Kreis Bergstraße sei zwar zuständig für die Verteilung der Geflüchteten auf die Kommunen, dennoch müssten die Menschen in der Gemeinde integriert werden. Um dies zu ermöglichen, pocht man im Landratsamt darauf, dass nur Personen mit einer sicheren Bleibeperspektive im Kreis aufgenommen werden.
Die AfD stellte im November 2023 einen Antrag zum Thema „Aktuelle Asylpolitik und Zuweisungspraxis des Landes”, in dem die Partei kritisierte, dass die Belastungsgrenze der Kapazitäten für Asylbewerber längst erreicht sei und bereits den „sozialen Frieden” der Einwohner störe. Die Zuweisung der Geflüchteten müsse daher rechtlich überprüft werden, heißt es im schriftlichen Antrag des AfD-Vorsitzenden Karsten Bletzer.
Thomas Fetsch (AfD): „Das Land ist überfordert“
Laut AfD-Mitglied Thomas Fetsch gibt es keine Bemühungen, die Migration zu begrenzen. „Die Haltung der Kreisspitze ist unverändert”, betonte er. Im Vergleich zu 2022 habe es 2023 noch einmal einen massiven Anstieg der Asylanträge in Deutschland gegeben. „Aufgrund dieses Anstiegs ist es völlig klar, dass unser Land sowohl finanziell als auch organisatorisch überfordert ist”, hob er hervor. Deshalb müsse die Kreisverwaltung weitergehende Maßnahmen zu dieser Situation prüfen.
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Zum einen müsste ein Norm- und Kontrollantrag gegen die landesrechtlichen Zuweisungsvorschriften gestellt werden. Zum anderen würde die Zuweisungspraxis des Landes in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingreifen. „Das würde ein deutliches Signal dafür setzen, dass es so nicht mehr weiter gehen kann.“
Die FDP hatte im Oktober des vergangenen Jahres ebenfalls einen Antrag zu dieser Thematik gestellt und forderte den Kreistag darin dazu auf, „die Grenzen der Aufnahmefähigkeit bei der Zuweisung von Geflüchteten an die kommunale Ebene aufzuzeigen”. Dabei betont die Partei, dass sich der Kreis auf Personen mit einer Bleiberechtsperspektive konzentrieren soll.
Beim Kreistag bemängelte FDP-Fraktionsvorsitzender Christopher Hörst, dass der Antrag der AfD „schlichtweg schlecht” sei und deutlich mache, wohin die Reise gehe, nämlich „auf Konfrontation” und „auf Biegen und Brechen dagegen sein”.
Derzeit betreibt der Kreis Bergstraße 75 Unterkünfte und vier Notunterkünfte
In diesem Zuge würdigte Hörst die Arbeit des Landrates und des Kreisbeigeordneten Schimpf und erläuterte, dass seine Fraktion die Arbeit „voll umfänglich” unterstütze. Trotzdem sei es wichtig, den Sinn der Zuweisung zu überdenken. „Das ist inzwischen passiert”, betonte er. Der Antrag der FDP stamme aus einer Zeit, in der die Situation „prekär” war. Diese Situation bestehe heute nicht mehr. Deshalb zog seine Fraktion ihren Antrag zurück. „Den Handlungsdruck, den es im Oktober und November gab, sehen wir so heute nicht mehr”, erklärte der FDP-Fraktionsvorsitzende.
Matthias Schimpf kritisierte gleichermaßen den Antrag der AfD und erläuterte, dass das Anliegen der Partei keine Entlastung bringe. Es ergebe keinen Sinn, juristisch etwas auszufechten, was Jahre dauern wird. Ebenso habe es Überlegungen gegeben, ob die kommunale Selbstverwaltung betroffen ist. Dies treffe in der Praxis jedoch nicht zu.
Derzeit betreibt der Kreis Bergstraße 75 Unterkünfte und vier Notunterkünfte. 2950 Personen seien in diesen Unterkünften im Moment untergebracht. In 2023 seien insgesamt 2881 Menschen aufgenommen worden, davon 2199 aus dem Asylbereich und 843 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Die größte Gruppe im Asylbereich komme aus der Türkei. „Die Bleibeperspektive für Personen aus der Türkei beträgt 13 Prozent”, erklärte Schimpf. Eine sichere Bleibeperspektive läge derzeit bei 20 Prozent. „Aus unserer Sicht ist das deutlich zu wenig, sie müsste bei mindestens 50 bis 75 Prozent liegen”, betonte der Kreisbeigeordnete. Das Land Hessen versichere dem Kreis Bergstraße aber, dass nur Personen mit Bleibeperspektive zugewiesen werden.
Der nächste Schritt sei dann die Einführung einer einheitlichen Bezahlkarte und die Ausweitung der Mittel für die Integration. Dazu gehöre auch der Ausbau von Wohnungen. Dies sei nicht nur eine Frage der Organisation, sondern auch der Stadtplanung. Zum jetzigen Stand seien 1400 Menschen aus der Ukraine auf dem freien Wohnungsmarkt untergekommen. Dies zeige aber auch, dass die Reserven und Kapazitäten endlich sind. „Wir brauchen Flächen für Wohnungen”, hob Schimpf hervor. Das langfristige Ziel müsse sein, dass die Verweildauer der Menschen in den Unterkünften kürzer wird.
Lediglich die Mitglieder der antragstellenden Fraktion stimmten geschlossen zu
Auch Birgit Heitland (CDU) meldete sich zu Wort und bedankte sich bei der FDP für das Zurückziehen des Antrages, da er „überholt” sei. Mit dem neuen Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung seien die Kapazitäten der Erstunterbringungen des Landes aufgestockt worden. „Wir verstehen uns in Wiesbaden als Partner der Kommunen”, betonte Heitland. Zum AfD-Antrag äußerte Birgit Heitland, dass nicht nur der Kreis Bergstraße zu kämpfen habe, sondern alle, weswegen bereits Maßnahmen eingeleitet wurden, um der Problematik entgegenzuwirken.
Im Anschluss wurde der Antrag der AfD mit großer Mehrheit abgelehnt, lediglich die Mitglieder der antragstellenden Fraktion stimmten geschlossen zu.
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