Weltgebetstag 2024

Weltgebetstag: Lindenfelserinnen gaben Palästinenserinnen eine Stimme

Der Weltgebetstag fand in diesem Jahr unter dem Motto „...durch das Band des Friedens“ statt.

Von 
Gisela Grünwald
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Zusammen mit den Besuchern betete Pfarrerin Nina Niklas-Bergmann (Zweite von links) für alle Menschen, die von Flucht und Vertreibung betroffen sind. © Grünwald

Lindenfels. Wie jedes Jahr hat eine Gruppe von Frauen um die Lindenfelser Pfarrerin Nina Niklas-Bergmann den Weltgebetstag vorbereitet. Der Gottesdienst folgt einem Ritual aus Gebeten, Liedern und Texten. In diesem Jahr stand Palästina im Mittelpunkt des Weltgebetstag in der evangelischen Kirche in Lindenfels.

Schon 2017 vom internationalen Komitee ausgewählt, ist das Land jetzt fast jeden Abend in den Weltnachrichten. Der Nahostkonflikt tobt und Israel verteidigt sich gegen die Palästinenser im eigenen Land, da die Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 Israelis überfallen und getötet hat. Aus den Fernsehnachrichten kennt man den langen Zaun und die Mauer, die den von mehrheitlich Palästinensern bewohnten Gazastreifen von Israel trennt. Palästina ist ein Teil Israels, das gelobte Land aus der Bibel, in dem Jesus zur Welt gekommen ist und seine ersten Jünger um sich sammelte.

Oliven als Friedenssymbol

Der Weltgebetstag fand in diesem Jahr unter dem Motto „...durch das Band des Friedens“ statt. Der Satz stammt aus dem Brief an die Gemeinden in Ephesus, Kapitel 4, Verse 1-7: „Der Frieden ist das Band, das euch alle zusammenhält.“ Angesichts der vielen kriegerischen Konflikte in der Welt – ob in Nahost oder der Ukraine stellt sich die Frage: Wann, wenn nicht jetzt, sollten sich Christen aller Konfessionen weltweit zu Gottesdienst und Gebet, zu Klage und Schweigen, zu inständigem Bitten um Frieden versammeln?

In Lindenfels folgten dem Aufruf am Freitagabend rund 100 Frauen und Männer. In der Kirche lief arabische Musik. Nachdem die Glocken aufgehört hatten zu läuten, gingen die Frauen mit einer Kerze in der Hand zum Altar. Am Altar waren die palästinensische Flagge sowie eine Karte von Israel und Palästina angebracht. Vor dem Altar hatten die Frauen auf einem Tuch verschiedene Gegenstände ausgebreitet: leuchtend, gelbe Zitronen und Oliven, die dort von den Bauern angebaut werden. Daneben lagen Feigen, Aprikosen und Fladenbrot, außerdem ein Buch mit Stickereien aus der Region und eine Tischdecke mit dem gestickten Satz „no place like home“ („Es gibt keinen Ort wie daheim“).

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Die Palästinenser sind wie die Juden immer wieder aus ihrer Heimat vertrieben worden. Im Einklang mit den internationalen Leitlinien fühlt sich das deutsche Komitee des Weltgebetstag der Frauen verpflichtet, die Stimmen der christlichen Palästinenserinnen hörbar zu machen, die von ihrem Glauben, ihrem Alltag und der Friedenssehnsucht erzählen.

Andreas Demmel sang und spielte Klavier, die christlichen, arabischen Lieder nahmen das Publikum mit in die Region Palästina. Das Lied „Yarabba ssalami“ heißt auf Deutsch „Du Gott des Friedens, gieß deinen Frieden auf uns, Du Gott des Friedens, fülle mit Frieden unser Herz“. Darin die Bitte: „Klare Worte mit den Mächtigen der Welt zu sprechen. Ihnen keine Chance zu geben, sich zurückzuziehen.“

Im Anschluss erklärten Renate Schneider von der katholischen Kirche und die ehemalige evangelische Pfarrerin Jutta Grimm-Helbig, wie man sich auf Arabisch grüßt: „Friede sei mit euch – Salam“. Dann beteten die Frauen: „Dreieiniger Gott, begleite uns auf unserer Reise durch das Land, in dem Jesus gelebt und gelehrt hat. Öffne unsere Augen, um das Leiden der Menschen zu sehen, die heute dort wohnen. Gib uns die Kraft und den Mut zu handeln. Wir beten mit allen Menschen, die überall auf der Welt leiden.“ Dazu wurde das Lied „Durch das Band des Friedens“ gespielt.

Gemeinsame Wurzeln

Die Frauen berichteten von Psalmen und Gebeten, die zu den gemeinsamen Wurzeln von Christentum und Judentum in der hebräischen Bibel gehören, auch von den Schwierigkeiten, andere vorurteilslos anzunehmen. Bevor sie die Lebensgeschichte dreier palästinensischer Frauen erzählten, wurde nochmal an das erinnert, was Jesus nur Stunden vor seinem Tod am Kreuz zu seinen Jüngern gesagt hat: „Dies ist mein Gebot: Dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe“, heißt es im 15. Kapitel des Johannesevangeliums.

Dann erzählte Jutta Grimm-Helbig die Geschichte von Eleonor: „Ihre Haut ist runzelig wie der Stamm eines Olivenbaums. Wie die Olivenbäume habe ich viele Kriege und Gewalt erlebt. Ich bin eine palästinensische Christin und gehöre zur griechisch-orthodoxen Kirche im Heiligen Land. Meine Familie ist tief in Jerusalem verwurzelt.

Im 19. Jahrhundert erbaute mein Urgroßvater die orthodoxe St.-Georgs-Kirche. Seitdem hatten auch die Christen außerhalb der Stadtmauern einen Ort für ihre Gottesdienste bis 1947. Unter schwerem Beschuss und Bombardierung rannten meine Eltern um ihr Leben. Sie fanden Unterschlupf im Haus der Cousine meiner Mutter und hofften, bald zurückkehren zu können. Daraus wurde nichts. Heute sind das Haus meiner Eltern und die St.-Georgs-Kirche ein israelisches Kulturzentrum. Die jüdischen Nachbarn versprachen, auf das Haus und die Abendmahlskelche aufzupassen.“

Inzwischen sind die Eltern von Eleonor gestorben. Sie lebt als palästinensische Christin in Jerusalem und hat viele Nothilfe-Entwicklungsprojekte ins Leben gerufen: Offen für alle Menschen, unabhängig von Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, Status oder Bedürftigkeit. Sie konnte Hunderte Frauen in Jerusalem, im Gazastreifen und im Westjordanland dabei unterstützen, ihre Familien zu ernähren. „Auch wenn ihr einander nicht mögt – der Frieden ist das Band, das euch alle zusammenhält. Wir denken an die aktuelle Situation in Palästina und Israel“, so Jutta Grimm-Helbig.

Die Geschichte von Sara

Über die Lage im Gazastreifen informierte einst die Journalistin Shireen Abu Akleh, die am 11. Mai 2022 bei einem Presseeinsatz getötet wurde. Wie sie zu Tode kam, ist bis heute nicht vollständig geklärt und sorgte für zusätzliche Spannungen im Westjordanland. Das erzählte Renate Schneider als deren Nichte Lina. Shireen Abu Akleh berichtete 25 Jahre lang über ihre Erfahrungen beim Fernsehsender Al Jazeera.

Im Anschluss beteten die Frauen, dass Gott weiterhin den Geflüchteten und Vertriebenen in ihrer Not beisteht. Sie beteten für die Stadt Jerusalem, die christlichen, jüdischen und muslimischen Gläubigen heilig ist. Sie beteten für die gleichen Rechte, Religionsfreiheit, Bewegungsfreiheit und Meinungsfreiheit, für alle Opfer des Terrorangriffs der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel sowie für die Juden, die sich in Deutschland nicht sicher fühlen.

Zum Schluss gab eine der Frauen Sara eine Stimme: „Die Staatsgründung Israels 1948 schaffte für Juden einen sicheren Zufluchtsort, für Palästinenser hatte sie vielfach Vertreibung und Verlust von Heimat zur Folge“, berichtet sie. Sara fühle sich wie ein Blatt am Olivenbaum, der mit den Wurzeln verbunden ist und von innen heraus blüht. Sara wurde in Jerusalem geboren und ist als lutherische Christin aufgewachsen. Das Leben als palästinensische Frau ist eine Herausforderung. Deshalb freut sie sich, dass in ihrer Kirche zum ersten Mal eine Frau zur Pastorin ordiniert wurde.

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Veröffentlicht
Von
Jutta Haas
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Saras Großeltern lebten früher in Jaffa. Sie wuchsen dort auf mit christlichen, jüdischen und muslimischen Familien. Bis sie 1948 mit Gewalt vertrieben wurden und nach Jordanien flüchteten. Viele Jahre später kamen Saras Großeltern zu Besuch nach Jerusalem. Sie wollten sich ihr altes Haus in Jaffa nur anschauen, aber die neuen Besitzer, vertrieben Saras Großeltern erneut.

Als Sara dann später ihre Großeltern in Jordanien besuchte, zeigte ihr ihre Großmutter die Schlüssel, die ihre Mutter mitgenommen hat – in der Hoffnung, eines Tages wieder in ihr Haus in Jaffa zurückkehren zu können.

Der Gottesdienst zum Weltgebetstag in Lindenfels endete mit dem Lied „Menschheitsfriedenstraum“ und dem Segen von Pfarrerin Nina Niklas-Bergmann. Jeder Besucher durfte sich abschließend eine Olive mitnehmen oder ein Stück Fladenbrot abbrechen. Mit der Kollekte, die an diesem Abend gesammelt wurde, werden rund 150 Partnerorganisationen unterstützt, die Frauen und Kinder stärken – darunter auch zwölf Projekte in Israel und Palästina. Bei mehreren arbeiten Israelis und Palästinenser zusammen.

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