Gadernheim. Bei dem weltweiten Gebetstag der Frauen stand in diesem Jahr Palästina im Mittelpunkt. Alljährlich übernehmen Frauen eines Landes die Vorbereitung eines Gottesdienstes, der am ersten Freitag im März stattfindet. Zu dem Gottesdienst sind Frauen aller Konfessionen eingeladen, Männer sind auch willkommen. In dem Gottesdienst wird sich mit dem Land selbst und dem Leben der Frauen beschäftigt. Sie berichten von ihrer Stellung in der Familie, ihren Berufen und ihrem gesellschaftlichen Stand.
Krieg veränderte die Liturgie
Um Zeit für die Vorbereitungen zu haben, fällt die Entscheidung, welches Land in welchem Jahr diese Aufgabe übernimmt, schon ein paar Jahre früher. 2017 fiel auf der Weltgebetstagskonferenz in Brasilien die Entscheidung für Palästina. Die Frauen haben daraufhin in den Jahren 2020 bis 2022 an der Gottesdienstordnung gearbeitet. Alle Vorarbeiten waren Anfang Oktober 2023 abgeschlossen. „Durch den Terrorangriff der Hamas haben sich der Bezugsrahmen und die Deutungsmöglichkeit zum Thema Israel-Palästina in Deutschland so verschoben, dass die Liturgie eine Einordnung und Einbettung in die aktuellen Kontexte brauchte“, ist im zum Weltgebetstag erschienenen Heft nachzulesen.
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Mit der Umsetzung der Gottesdienstordnung beschäftigten sich im Lautertal die Frauen der evangelischen Kirchengemeinden Reichenbach, Beedenkirchen, Gadernheim und der katholischen Gemeinde Sankt Andreas Reichenbach . Gastgeber war in diesem Jahr Gadernheim, in der Kirche wurde der Gottesdienst gefeiert und im Gemeindezentrum war zum Abendessen mit landestypischen Speisen eingeladen worden. Es gab Kichererbsensalat oder Mshat Zahrah (Blumenkohlbratlinge).
Der Gottesdienst begann mit den Gedanken „Wann, wenn nicht jetzt? Lasst uns ein Band des Friedens als Hoffnungszeichen knüpfen. Wir hoffen und bitten Gott darum, dass es bald Frieden im Nahen Osten gibt, einen Frieden der mit Gerechtigkeit und Vergebung einhergeht und Lebensperspektiven für alle Menschen in der Region eröffnet“ und einem Friedensgebet. Als Bild zum Weltgebetstag sowie als Symbol eines Bandes des Friedens wurden Zweige und Blätter des Olivenbaums gewählt.
Tempelberg für alle bedeutsam
Palästina ist eine Region, Teile des Gebiets liegen heute im heutigen Staat Israel, in Jordanien, im Gazastreifen und im Westjordanland. Westlich grenzt das Gebiet an die südöstliche Küste des Mittelmeeres. Es gibt etwa 14 Millionen Palästinenser, etwa 2,2 Millionen davon leben im schmalen Gazastreifen, der gerade mal so groß ist wie die Stadt Köln. Verwaltet wird der Gazastreifen von der islamistischen Hamas, während im Westjordanland die Fatah regiert. Die religiösen Wurzeln vom Judentum, Christentum und dem muslimischen Glauben befinden sich in der Region. Auf dem Tempelberg in Jerusalem steht die für Juden bedeutsame Klagemauer, Christen bringen den Berg mit biblischen Geschichten in Verbindung. Und für Muslime ist der Berg bedeutsam als erste Gebetsrichtung und nach dem Koran Ziel der Himmelsreise des Propheten Muhammad.
Die Geschichte von Palästina zeugt von dem Interesse vieler Völker. Die Römer eroberten das Land, es folgte die frühislamische Zeit, dann zogen die christlichen Kreuzfahrer ein und errichteten die Kreuzfahrerstaaten. Im Ersten Weltkrieg kamen die Briten und nach den Zweiten Weltkrieg wurde 1948 der Staat Israel gegründet. Auch die jüngste Geschichte brachte keine Ruhe in die Gegend. Von Vertreibungen und auch Kriegen ist die Rede, die Region ist entzweit. Wachposten und Checkpoints finden sich immer wieder.
Erste Vertreibung erlebt
Für die palästinensischen Frauen ist das Leben nicht einfach. Sie arbeiten in der Pflege, als Reinigungskraft oder in der Landwirtschaft und einige verdienen sich ihr Geld als Straßenverkäufer. Im muslimisch geprägten Palästina leben 98 Prozent der Frauen in einer männerdominanten Welt. Seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel und die Reaktion von Israel darauf ist das Leben der Frauen mit Erfahrungen von Vertreibungen und Tod noch schwieriger geworden.
Beim Weltgebetstag der Frauen stellen Frauen ihr Leben vor. Eleonor erzählt, dass ihre Haut so runzelig ist wie der Stamm eines Olivenbaumes und wie alte Olivenbäume hat sie schon viele Kriege und Gewalt erlebt. Als palästinensische Christin ist sie mit Jerusalem tief verwurzelt. Ende 1940 hat sie die erste Vertreibung erlebt und dankbar erfahren, dass Juden bereit waren, die wertvollen Ikonen der orthodoxen Kirche sicher zu verwahren.
Lina erzählt die Geschichte ihrer Tante, die als Journalistin im Westjordanland getötet wurde. „Sie kämpfte für den gleichberechtigten Zugang aller Religionen zu den heiligen Stätten in Jerusalem.“
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