Lindenfels. Im Anschluss an den ökumenischen Gottesdienst trafen sich die Gläubigen beider Konfessionen zum Empfang im nunmehr gemeinsamen Gemeindesaal. Er liegt auf demselben Grundstück wie die katholische und nur einen Steinwurf entfernt von der evangelischen Kirche. Näher bei der evangelischen Kirche als das evangelische Gemeindehaus im Seewiesenweg.
Der evangelische Kirchenvorstand hatte sich vor geraumer Zeit zum Verkauf seiner Liegenschaft entschlossen. Das Anwesen war nicht nur für die heutigen Bedürfnisse zu groß geworden, sondern auch wegen der Hanglage für ältere oder gehbehinderte Menschen schwer zugänglich.
„Es bestand ohnehin keine allzu große emotionale Bindung zu dem Siebziger-Jahre-Bau“, erzählte der Vorsitzende des Kirchenvorstands Jochen Ruoff beim Empfang. Mit dem Ansinnen, bei den Katholiken einzuziehen, habe man dort „offene Türen eingerannt“.
Denn die Zusammenarbeit der christlichen Konfessionen habe in Lindenfels eine über die Jahre gewachsene Tradition. So seien bereits in der Vergangenheit ökumenische Gottesdienste gefeiert und gemeinsame Gremiensitzungen abgehalten worden. Der von Andreas Demmel geleitete Kirchenchor besteht seit Jahren aus Sängerinnen beider Konfessionen. Sowohl katholische als auch evangelische Akteure zeigten sich überrascht, wie unkompliziert die Bildung der „WG ohne Übernachtung“ (Ruoff) vonstatten ging.
„Partnerschaft auf Augenhöhe“
Für die katholische Seite war der Architekt Christoph Turetschek federführend an den Vorbereitungen beteiligt. Er hatte, obwohl ohne juristische Vorkenntnisse, eine Nutzungsvereinbarung aufgesetzt und dem Bistum Mainz zur Prüfung vorgelegt. Zu seiner Überraschung ging sie dort durch Rechts- und Bauabteilunge wie das Messer durch die warme Butter.
Nur Kleinigkeiten mussten nachgebessert und eine Hausordnung beigefügt werden. So wurde der Tag der Spaltung der christlichen Kirchen in Lindenfels zum Tag der Vereinigung der Konfessionen:
Am Reformationstag, dem 31. Oktober 2022, unterschrieben beide Seiten den Mietvertrag zur gemeinsamen Nutzung des seither katholischen Gemeindehauses. Beide Gemeinden haben dort jetzt eigene Büroräume, der früher Pfarrsäälchen genannte Raum wird gemeinsam genutzt. Das neue Schild neben dem Eingangsportal an der Burgstraße trägt die Aufschrift „Ökumenisches Gemeindehaus“.
Die stellvertretende Dekanin Silke Bienhaus repräsentierte das Dekanat Heppenheim, zu dessen Zuständigkeitsbereich die evangelische Kirchengemeinde Lindenfels gehört. Sie sprach von „gegenseitigem Vertrauen“ sowie einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“.
Sie hoffe, dass man sich in zehn Jahren frage: „Warum haben wird das nicht schon früher gemacht?“ Bürgermeister Michael Helbig, der zuvor mit seiner Familie den Gottesdienst besucht hatte, freute sich, dass die beiden Konfessionen „nach über 500 Jahren aufeinander zugingen“. ppp
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lindenfels_artikel,-lindenfels-tag-der-spaltung-wird-zum-tag-der-vereinigung-in-lindenfels-_arid,2048228.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lindenfels.html