Lindenfels/Darmstadt. Am fünften Verhandlungstag im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder der im Juni 1986 getöteten Lindenfelser Schülerin Jutta Hoffmann standen vor allem die ermittelnden Beamten im Fokus der Befragung durch den Vorsitzenden Richter am Darmstädter Landgericht.
Die erste Zeugin, eine Kriminaloberkommissarin, berichtete davon, dass sowohl der Telefonanschluss des Tatverdächtigen Peter F. als auch der seiner Ehefrau und seines Sohnes zwei Jahre lang abgehört wurden, in der Hoffnung, auf diese Weise stichhaltige Beweise sammeln zu können. Die Ehefrau habe zwar beispielsweise mit dem Sohn über die Vorkommnisse gesprochen und Peter F. gegenüber auch kritische Nachfragen gestellt. Diese habe er aber ignoriert oder sei darüber hinweggegangen. Die Tat selbst stritt er ab. Er habe weder Jutta Hoffmann gekannt noch habe er sich zum fraglichen Zeitpunkt am Lindenfelser Schwimmbad herumgetrieben, das Jutta besucht hatte, bevor sie verschwand.
Faible für Cold-Case-Fälle
„Seine Frau hat ihn kontrolliert“, schilderte die Kriminaloberkommissarin weiter. „Sie hat die Teamviewer-App installiert und hatte durch diese Remote-Verbindung Zugriff auf seinen Laptop.“ Über den Wortlaut, mit dem sich die Ehefrau in Gesprächen mit Peter F. über die Ereignisse vor 37 Jahren äußerte, zeigte sich die Beamtin überrascht: „Sie sagte ,Wegen sowas machen die so einen Aufstand’. Dabei geht es hier um Mord.“ Auch von „Blödsinn“ und „Zeitverschwendung“ sei in diesen Unterhaltungen die Rede gewesen.
„Das wird sicherlich eingestellt. Ich glaube nicht, dass daraus was wird. Das ist alles schwammig“, soll der Bruder von Peter F. gesagt haben. Die Telefonate von Peter F. hingegen beschränkten sich mehr auf familiäre Themen, etwa die Besuche seines Sohnes, seiner Schwiegertochter und der Enkelkinder. „Man konnte den Eindruck gewinnen, dass diese Besuche für den Angeklagten aber eher anstrengend waren und ihm das keinen Spaß gemacht hat“, erläuterte die Zeugin. In einem weiteren Anruf habe Peter F. vom Tod seiner Mutter im Mai 2022 erfahren, über den er hörbar betroffen gewesen sei.
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Als nächstes wurde ein Kriminalhauptkommissar in den Zeugenstand gerufen. Er konnte von der Durchsuchung der Wohnung der Ehefrau berichten, die allerdings nur „privates, aber nichts relevantes“ zutage förderte. Als man ihr sagte, dass ihr Mann des Mordes verdächtigt wird, sei sie erschrocken und verwundert gewesen. „Sie wollte aber nichts zum Sachverhalt sagen, also habe ich nicht weiter nachgebohrt“, so der Kriminalhauptkommissar.
Eine Polizeihauptkommissarin trug anschließend die Ergebnisse der digital-forensischen Auswertung von zwei Laptops, einem USB-Stick und dem Handy von Peter F. vor: „Im Internet hat er viel nach der Sendung Aktenzeichen XY...ungelöst gesucht. Er hat sich intensiv mit dem Beitrag zu Jutta Hoffmann beschäftigt.“ Doch auch für andere Cold-Case-Fälle habe er sich interessiert.
Telefonate mit Frau und Anwalt am Tag der Ausstrahlung
Mit seiner Frau habe er am Tag nach der Ausstrahlung der ZDF-Sendung am 22. März 2023, in der bekannt gegeben wurde, dass der Name „Peter“ womöglich eine Rolle im Mordfall Jutta Hoffmann spielt, via Whatsapp kommuniziert. Sie habe ihn gefragt, ob die Kripo bei ihm angerufen habe. Laut der forensischen Auswertung der Polizei folgten daraufhin Telefonate mit seiner Frau und seinem Anwalt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Angeklagte in einer psychiatrischen Klinik in Norddeutschland. Einem anderen Patienten in dieser Einrichtung hatte er laut der Polizeihauptkommissarin abends geschrieben, dass er mit den Nerven ziemlich runter sei.
Am 24. März hatte sich sein Sohn via Whatsapp erkundigt, was bei ihm los ist, nachdem er mit Peters Ehefrau telefoniert hatte. Eine Antwort erhielt er von seinem Vater allerdings nie, weil Peter F. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Besitz des Handys war.
Kontakt im Tierheim hergestellt
Bei der Durchsuchung des Handys von Peter F. tauchte auch immer wieder der Name „Mirko“ und ein Hund namens Elliott auf. Dass diese beiden Namen eine gravierende Rolle bei den polizeilichen Ermittlungen spielten, stellte sich im weiteren Verlauf der Verhandlung heraus. „Von Oktober 2021 bis März 2023 hatte ein verdeckter Ermittler Kontakt zu Peter F.“, offenbarte ein weiterer Kriminalhauptkommissar die wahre Identität von „Mirko“. „Wir wollten sein Vertrauen gewinnen, aber ohne Druck aufzubauen“, erläuterte der Beamte die Intention. Die Chance dazu bot sich bei den monatlichen Tierheimbesuchen, die Peter F. als Hunde-Fan absolvierte. „Mirko“ hatte sich als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Tierheims ausgegeben und so die Verbindung zum Angeklagten immer weiter intensiviert.
Die beiden tauschten ihre Handynummern aus und unterhielten sich bei ihren zahlreichen Spaziergängen vor allem über Hundetraining, Fußball und Cold-Case-Fälle. Das Vertrauen in den verdeckten Ermittler war bei Peter F. offenbar so groß, dass er beantragte, dass „Mirko“ künftig seine Begleitperson wird. Auch Hund Elliott hatte eine große Bedeutung. „Peter F. wollte ihn nach seiner Entlassung aus der Klinik übernehmen. Der Hund saß seit vier Jahren im Tierheim und hat nie eine Erziehung genossen. Er hat sich in dem Hund wiedererkannt.“
Die Aktion mit dem verdeckten Ermittler erreichte schließlich ihren Höhepunkt, als „Mirko“ und Peter F. die „Aktenzeichen XY“-Sendung im März diesen Jahres gemeinsam in einem Strandhaus anschauten. „Der Ermittler bekam kein Geständnis, aber die Gestik und Mimik von Peter F. waren auffällig“, betonte der Kriminalhauptkommissar. „Er schaute gespannt, konzentriert und mit starrem Blick den Beitrag zu Jutta Hoffmann.“ Dabei habe er dauernd seine Hände bewegt. All diese Regungen habe er bei den anderen in der Sendung vorgestellten Kriminalfällen nicht gezeigt. „Während der Ausstrahlung zum Mordfall Jutta Hoffmann hätte man eine Stecknadel im Raum fallen hören können“, gab der Beamte die Schilderungen des verdeckten Ermittlers wider.
Widersprüchliche Aussagen
Als bei „Aktenzeichen XY...ungelöst“ bekannt gegeben wurde, dass es sich beim Mörder um einen Sexualstraftäter aus Norddeutschland handle und der Name „Peter“ als Hinweis gegeben wurde, sprach der Ermittler den Angeklagten darauf an. „Er sagte, er hat damit nichts zu tun und er fühle sich nicht angesprochen, da es viele Peter gebe, die von Hessen nach Norddeutschland gezogen seien.“ Dabei habe er jedoch nervös gewirkt. „Er sagte, ,Ich bin kein Kindermörder. Ich habe eine Persönlichkeitsstörung, aber ich habe keine Leiche im Keller’“, fuhr der Kriminalhauptkommissar fort. „Mirko“ gegenüber beteuerte der Angeklagte, dass er zum Tatzeitpunkt längst nicht mehr in Darmstadt gewohnt habe. Dies widerspricht jedoch einer früheren Aussage gegenüber des Ermittlers, dass er das Fußball-WM-Spiel, das am Tag von Juttas Verschwinden ausgetragen wurde, alleine bei seiner Freundin in Weiterstadt geschaut hätte.
Zweiter Ermittler undercover
Nach der „Aktenzeichen XY“-Sendung rief der Therapeut Peter F. an und informierte ihn darüber, dass die Polizei in der Klinik eingetroffen sei und dass es DNA-Spuren gebe, die mit der Tat in Zusammenhang stehen könnten. Der Angeklagte sei daraufhin spürbar nervös und aufgeregt gewesen und habe geäußert, er wisse nicht, wo ihm der Kopf steht. „Der verdeckte Ermittler hat Peter F. gefragt, ob er nicht doch am Tattag in Lindenfels war. Peter F. gab dann an, dass er tagsüber dort spazieren war und eine Zigarette weggeschnippt hatte. Aber er sei nicht im Schwimmbad gewesen und habe Jutta Hoffmann auch nicht gekannt“, erklärte der Kriminalhauptkommissar.
Nach der Ausstrahlung der „Aktenzeichen XY“-Sendung trat noch ein zweiter verdeckter Ermittler auf den Plan, der sich als Angestellter der Klinik ausgab, in der sich der Angeklagte befand. Ihm soll Peter F. eine Akte gezeigt haben, die angeblich beweisen soll, dass er sich zur Tatzeit nicht in Lindenfels aufgehalten hat, sondern vorher bereits nach Norddeutschland gezogen war.
Die Verhandlung wird heute am Darmstädter Landgericht fortgeführt.
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