Gesundheitsversorgung

Lindenfelser Ägivo-Praxis macht diese Woche dicht

Die Einrichtung der Ärztegenossenschaft schließt überraschend. Eine Insolvenz droht wegen gestiegener Kosten.

Von 
Philipp Kriegbaum
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Die Ägivo-Praxis schließt bereits in dieser Woche. © Privat

Lindenfels. „Die Messe ist gesungen.“ Der Patient, der am Montag seine Patientenakte bei der Ärztegenossenschaft im Vorderen Odenwald (Ägivo) in Lindenfels abholen wollte, aber die Praxis unverrichteter Dinge verließ, brachte auf den Punkt, was inzwischen auch offiziell ist: „Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass die Praxis ab Januar 2024 dauerhaft geschlossen ist“ steht auf einem Zettel, der am Eingang der Praxis hängt. Frank Bletgen, Geschäftsführer der Ägivo, bestätigte die Schließung zum Ende des Jahres auf Anfrage. „Wohl noch vor Weihnachten“ müsse aller Voraussicht nach ein Insolvenzantrag gestellt werden.

In Lindenfels gibt es dann nur noch eine kassenärztliche Praxis: Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) des Kreiskrankenhauses, nur einen Steinwurf entfernt von der früheren Praxis Dr. Wetzig, in dem die Ägivo noch ein paar Tage praktiziert.

In der Nachfolge der „Luise“

Als sich Mitte der 2010er-Jahre die Schließung des Luisenkrankenhauses immer deutlicher abzeichnete, stemmten sich der alteingesessene Lindenfelser Hausarzt Dr. Gerhard Wetzig und Joachim Wahlig, Chirurgie-Chefarzt der Klinik, gegen das Ende der „Luise“. Sie stellten sich an die Spitze der im vergangenen Jahr aufgelösten Bürgerinitiative für die Gesundheitsversorgung im Vorderen Odenwald (Bügevo), organisierten 19 Montagsdemonstrationen für den Erhalt des Krankenhauses und entwarfen das Konzept eines genossenschaftlich getragenen Krankenhauses unter dem Arbeitstitel „Luise light“.

Das Konzept wurde allerdings nicht umgesetzt, das Luisenkrankenhaus wurde allen Protesten zum Trotz 2016 geschlossen. Es folgte auf Betreiben von Dr. Wetzig die Gründung der Ärztegenossenschaft im Vorderen Odenwald (Ägivo) mit ihm als Vorstand. Wetzig brachte seine Hausarztpraxis in die Genossenschaft ein und arbeitete dort als angestellter Arzt.

In unmittelbarer Nachbarschaft dieser Praxis übernahm Ende 2016 das Kreiskrankenhaus Bergstraße das neu erbaute Medizinische Versorgungszentrum (MVZ). Am 3. Dezember 2018 trat Dr. Wetzig als Ägivo-Vorstand zurück, zum 30. September 2019 schied er aus der Genossenschaft aus. Danach arbeitete er als angestellter Arzt im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) des Kreiskrankenhauses, bevor er in den schulärztlichen Dienst des Kreises Bergstraße wechselte. ppp

Gerhard Wetzig war 2016 einer der Gründer der ersten Hausärztegenossenschaft Deutschlands und erster Vorstand der Ägivo. Im Dezember 2018 trat er von seinem Amt zurück. Zehn Monate später, im September 2019, verließ er die Genossenschaft und ging zum MVZ des Kreiskrankenhauses. Über die Hintergründe wollte sich der Mediziner nicht äußern. Er lege aber Wert auf die Feststellung, „dass er seit fünf Jahren nichts mehr mit der Ägivo zu tun“ habe. Dennoch werde er immer wieder auf die Situation der Genossenschaft angesprochen.

Auch der jetzige Vorstand Thomas Fuckner steht der Genossenschaft nicht länger zur Verfügung. Frank Bletgen sagte, der Arzt habe seine Praxis übergeben und praktiziere nur noch als angestellter Arzt. Damit scheide er automatisch als Mitglied der Genossenschaft aus. Nur zugelassene Ärzte können ihr angehören. Bletgen erwartet „ein Problem bei der Nachbesetzung“. Derzeit ist nur noch die Allgemeinmedizinerin Katharina Tils als Ärztin beschäftigt. Gut informierte Lindenfelser gehen davon aus, dass sie zu einer Gemeinschaftspraxis außerhalb der Stadt wechselt.

Stadt fordert Hilfe vom Kreis

„Sie hat sich aufgrund der Gesamtsituation entschieden, sich neu zu orientieren“, drückte es Frank Bletgen aus. Auch wenn Tils geblieben wäre: Der Weiterbetrieb der Praxis sei „perspektivisch nicht mehr zu schaffen“ gewesen. Die weiteren Angestellten hätten alle „ein Übernahmeangebot eines Ägivo-Mitglieds“. Bürgermeister Michael Helbig sagte auf Nachfrage, er sei seit Ende November mehrfach von Bürgern auf die Praxisschließung angesprochen worden. Eine offizielle Bestätigung habe er noch nicht. Dennoch schrieb er schon mit Datum vom 30. November an die Gesundheitsdezernentin des Kreises, die Erste Beigeordnete Diana Stolz.

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„Dem Magistrat geht es einerseits um den Arztsitz für Lindenfels und die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung hier am Ort“, heißt es in dem Brief, der uns vorliegt. Der Verwaltungschef verweist darin auch auf die rund 180 Bewohner der Seniorenresidenz Parkhöhe, die etwa 20 Bewohner des Pflegeheims Lebensburg und die 280 im ehemaligen Luisenkrankenhaus untergebrachten Ukrainer. Helbig bittet Stolz, sich bei den Trägern des Kreiskrankenhaus-MVZ dafür einzusetzen, einen weiteren Arzt anzustellen.

Manager Bletgen sieht die Ursache für das Aus der Praxis und die drohende Insolvenz in den gestiegenen Kosten. Die Genossenschaft bezahle nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern. Bei Vermittlungen von Ärzten durch Beratungsbüros fielen zusätzlich Prämien in Höhe von „bis zu 20 Prozent eines Jahresgehalts“ an. Diplomkaufmann Bletgen selbst ist nicht bei der Ägivo angestellt, sondern Geschäftsführer der Beratungsfirma BL healthconsult in Mannheim und arbeitet für die Ägivo als freier Mitarbeiter. ppp

Freier Autor Schwerpunkte: Lokales Lindenfels / Lautertal, Chorgesang, Vereine, Hintergründe.

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