Prozess

War es wirklich Jutta, die die Mutter mit Kinderwagen sah?

Die Beobachtung einer Pflegerin lässt die Frage aufkommen, wer der getöteten Lindenfelser Schülerin tatsächlich zuletzt begegnete.

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Nora Strupp
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Mit einem großen Aufgebot wurde 1986 vergeblich nach Jutta Hoffmann gesucht. Die Leiche war aber nach Ansicht der Ermittler sofort nach dem Mord im Wald am Freibad vergraben worden. © Polizei

Lindenfels/Darmstadt. Während der vorsitzende Richter beim Prozessauftakt im Mordfall Jutta Hoffmann am Mittwoch noch vorwiegend im familiären und nachbarschaftlichen Umfeld des mutmaßlichen Mörders Peter F. der 1986 getöteten Lindenfelser Schülerin nach Indizien geforscht hatte, ging er bei der gestrigen Verhandlung im Darmstädter Landgericht auf Spurensuche bei den Zeugen, die die damals 15-Jährige zum letzten Mal gesehen hatten. Dazu gehörten unter anderem ihre Freunde und Bekannte, mit denen sie am 29. Juni 1986 den Nachmittag im Lindenfelser Freibad verbrachte.

Widersprüchliche Aussagen

Aufgrund dessen, dass die Ereignisse jedoch schon 37 Jahre zurückliegen, fiel es den Befragten schwer, konkrete Erinnerungen zu äußern – vor allem, was die Kleidung betrifft, die Jutta getragen haben soll, sowie die Gegenstände, die sie an diesem Tag bei sich geführt haben soll, also die Adidas-Tasche, das bunte Badetuch und die Bastmatte. An dem Tag, an dem Jutta verschwand, fand das Endspiel der Fußball-WM statt. Einige Freunde aus ihrer Clique wollten sich dieses Spiel im Fernsehen anschauen.

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Das Fußballfieber ihrer Freunde teilte Jutta jedoch nicht, weshalb sie sich dazu entschloss, nach Hause zu gehen. Sie habe einen der Jungs gefragt, ob er sie mit dem Moped nach Hause fahren könne. „Das Moped war aber defekt, deshalb war das nicht möglich“, schilderte ein Zeuge, der damals Teil der Jungen-Gruppe war. Daraufhin habe Jutta das Schwimmbad alleine zu Fuß verlassen. Das war das letzte Mal, dass sie das Mädchen gesehen hätten. Die Jungs gingen anschließend ins Dorfgemeinschaftshaus nach Schlierbach, um Fernsehen zu schauen. Ein anderer Zeuge sagte aus, dass ihm nach dem Freibadbesuch auf dem Waldweg in Richtung Innenstadt ein Mann mit hellen Haaren und Vokuhila-Frisur entgegengekommen sei. „Er kam mir nicht bekannt vor, was in Lindenfels doch eher selten vorkommt, dass man jemanden nicht kennt. Und Kurgäste verirren sich wohl kaum auf diesen Weg“, berichtete er. Nähere Hinweise zum Unbekannten konnte er aber nicht geben.

Noch immer sichtlich mitgenommen von den Ereignissen war eine Zeugin, die Jutta Hoffmann gesehen haben will, als sie das Schwimmbad verließ. „Ich stand mit meinem Mann und den Kindern an unserem Auto, das vor der Treppe am Schwimmbad geparkt war. Wegen der Hitze hatten wir die Autotüren offen gelassen. Die Türen mussten wir dann aber schließen, damit Jutta die Treppe hochlaufen konnte.“ Diese Schilderung bestätigte zwar ihr Ehemann gestern. Für Irritationen sorgte allerdings eine Aussage der Gattin gegenüber der damaligen Polizei. Demnach sei sie gerade dabei gewesen, das zerkratzte Familienauto in Augenschein zu nehmen, als Jutta an ihr vorbeilief. „Mein Auto wurde an diesem Tag aber nicht beschädigt“, dementierte der Ehemann im Gerichtssaal.

Zwei Männer sind auffällig

Ein weiterer Badegast berichtete von einem Pkw mit Aschaffenburger Kennzeichen, das an diesem Sommertag im Juni 1986 seine Aufmerksamkeit erregt hatte: „Es saßen zwei Männer im Auto. Sie haben sich angeregt miteinander unterhalten. Das Auto stand in der prallen Abendsonne. Wären sie einige Meter weitergefahren, hätten sie im Schatten gestanden. Das war für mich auffällig.“

Besonders lebhaft erinnern konnte sich auch jene Zeugin, die Jutta auf dem Waldweg zwischen dem Schwimmbad und der Lindenfelser Innenstadt gesehen haben will. Sie sei mit ihrer zweijährigen Tochter und dem Kinderwagen ebenfalls diesen Weg entlanggelaufen, als ihr zwei Männer entgegen kamen. „Sie sprachen eine slawische Sprache, aber es war kein Polnisch und kein Russisch. Sie trugen keine Freizeitkleidung, sondern eher Ausgehkleidung. Der, der rechts lief, hatte ein narbiges Gesicht“, erzählt sie. Da ihr die beiden unheimlich vorkamen, habe sie über ihre Schulter geschaut und bemerkt, dass hinter ihr noch eine weibliche Person lief. Als die Zeugin ihren Kinderwagen die Treppe hochziehen wollte, seien aber sowohl die weibliche Person als auch die zwei Männer verschwunden gewesen.

Doch keinen Schrei gehört?

Für mehr Verwirrung als Aufklärung sorgte die Schilderung einer Dame, die im Gerichtssaal aussagte, sie sei nach dem Freibadbesuch nach Hause gegangen, habe anschließend Wäsche auf der Terrasse aufgehängt und einen Schrei vernommen. Daraufhin hielt der Richter ihr jedoch vor, dass sie damals bei der Polizei aussagte, dass es der Nachbar und dessen Frau gewesen seien, die einen Schrei gehört hatten.

Als Zeugen zum zweiten Verhandlungstag erschienen waren zudem die Frau, die beim Waldweg den weißen Schuh sowie die Bastmatte von Jutta fand, sowie ein Mann, der bei der intensiven Suchaktion im Wald teilgenommen hatte. Im Rahmen dieser Suche habe er, wie er berichtet, bei einer Waldhütte einen älteren Herren angetroffen, der dort regungslos saß. Wie sich im weiteren Verlauf der Verhandlung herausstellte, handelte es sich bei diesem Senior um den Mann, den man später dehydriert im Wald aufgefunden hatte und der zwei Tage zuvor von zu Hause verschwunden war. Die Frau, die den älteren Herren damals als vermisst gemeldet hatte – laut eigenen Aussagen hatte sie den 91-Jährigen zu diesem Zeitpunkt gepflegt –, war gestern ebenfalls als Zeugin anwesend.

Angeklagter schweigt weiterhin

Besonders interessant waren ihre Ausführungen allerdings aus einem ganz anderen Grund. Am Tag von Juttas Verschwinden hatte sie nämlich ebenfalls das Lindenfelser Freibad besucht und dieses zwischen 17 und 18 Uhr verlassen. „Ich bin den Waldweg entlang gegangen und habe dort eine Mutter mit ihrer Tochter und dem Kinderwagen gesehen. Das Kind könnte etwa zwei Jahre alt gewesen sein.“ War es also womöglich gar nicht Jutta, die die Mutter mit Kinderwagen gesehen hatte, als sie den zwei Herren auf dem Waldweg begegnet war, sondern die Pflegerin des Seniors?

Befragt wurden anschließend noch der im Juni 1986 angestellte Bademeister des Lindenfelser Freibads und dessen Ehefrau, die zu diesem Zeitpunkt an der Kasse und im Kiosk des Freibads gearbeitet hatte. Der Bademeister wurde damals von seinem Nachbarn kontaktiert, der Juttas Leiche im Februar 1988 entdeckt hatte.

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Abschließend lenkte der Richter den Fokus noch auf die zwei Waldhütten, in deren Nähe Juttas Leichnam gefunden wurde. Bei einer dieser Hütten soll der mutmaßliche Mörder Peter F. den Spaten genommen haben, mit dem er das Loch grub, in dem Juttas Leiche vergraben war. Die Männer, die in jungen Jahren eine der Hütten gebaut hatten, sowie die Eltern des einen Mannes wurden gleichfalls befragt.

Peter F. machte auch am zweiten Prozesstag keinerlei Aussagen und schwieg zu den Vorwürfen. Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag, 21. November, am Darmstädter Landgericht fortgeführt.

Redaktion

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