Eisernes Schweigen des mutmaßlichen Mörders am ersten Verhandlungstag

Bei einer erneuten Prüfung von Genspuren nach fast 40 Jahren wurde an den alten Beweismitteln DNA des Verdächtigen entdeckt. Jetzt muss dieser sich vor dem Landgericht in Darmstadt verantworten, schweigt jedoch bislang.

Von 
Nora Strupp
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Zahlreiche Zuhörer sowie Medien- und Pressevertreter verfolgten gestern den Prozessauftakt im Darmstädter Landgericht. © Nora Strupp

Lindenfels/Darmstadt. Als Peter F. am Mittwoch um 9 Uhr von Justizbeamten in den Sitzungssaal A213 im Darmstädter Landgericht geführt wird, hat er die Kapuze seiner schwarzen Jacke tief ins Gesicht gezogen. Die Anklage, die von der Staatsanwältin wenige Minuten später vorgelesen wurde, nahm er regungs- und emotionslos zur Kenntnis.

Dem 62-Jährigen wird vorgeworfen, die damals 15-jährige Schülerin Jutta Hoffmann am 29. Juni 1986 in einem Waldstück abgefangen, vergewaltigt und ermordet zu haben, nachdem sie nach einem Besuch im Lindenfelser Schwimmbad gegen 17.45 Uhr alleine nach Hause laufen wollte.

Die Anklageschrift offenbarte gestern allerdings noch weitere grausame Details: So soll Peter F. ihren Gürtel, den sie an diesem Tag trug, abgenommen, diesen zweimal um ihren Hals gelegt und sie so gewürgt haben. „Damit wollte er sein Machtgefühl verstärken“, führte die Staatsanwältin aus. Dann soll er sie zum Sex gezwungen haben. Anschließend habe er mit einem Messer mehrmals auf sie eingestochen. Damit wollte er um jeden Preis verhindern, dass Jutta Hoffmann ihn bei der Polizei anzeigt und identifiziert. Aus einer Waldhütte soll er einen Spaten genommen, ein Erdloch ausgehoben, ihre Leiche darin versteckt und das Loch anschließend mit Ästen und Erde verdeckt haben.

DNA auf einem Spaten gefunden

Zu den Vorwürfen schweigt der Anklagte allerdings bislang. Im Verhandlungssaal ihm gegenüber saßen die Eltern von Jutta Hoffmann. Sie wurden gleich zu Beginn als Zeugen befragt, nachdem der vorsitzende Richter den Anwesenden die Folge der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY...ungelöst“ vorgespielt hatte, die im März dieses Jahres deutschlandweit im Fernsehen zu sehen war. Darin wurde verkündet, dass es konkrete Hinweise im Mordfall Jutta Hoffmann gibt und dass der Name „Peter“ eine Rolle spielen könnte. Kurz darauf konnten die Behörden tatsächlich einen Ermittlungserfolg verzeichnen. Der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Darmstadt hatte auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Untersuchungshaftbefehl gegen den gebürtigen Bensheimer Peter F. wegen des dringenden Verdachts des Mordes erlassen.

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Im Sitzungssaal wurde Juttas Mutter (84) zunächst bezüglich der persönlichen Gegenstände befragt, die sie am Tag ihres Verschwindens bei sich geführt hatte. Konkret geht es dabei um eine Adidas-Tasche und ein buntes Badetuch. Die Mutter konnte auf Nachfrage des Richters zumindest bestätigen, dass ihre Tochter eine helle Adidas-Tasche besessen hat. Juttas Vater (87) schilderte die intensive Suchaktion, die eingeläutet wurde, nachdem die Schülerin nach ihrem Schwimmbadbesuch nicht nach Hause zurückkehrte. Erst rund zwei Jahre später – im Februar 1988 – entdeckte ein Spaziergänger ihre skelettierte Leiche.

Als nächstes wurde Kriminalhauptkommissarin Tanja Becker in den Zeugenstand gerufen. Sie berichtete von der Cold-Case-Einheit, die sich mit dem Fall beschäftigte. Becker erläuterte, dass sie mit den sogenannten Asservaten betraut wurde, also den Dingen, die untersucht wurden und als Beweismittel dienten. Neben Juttas Bikini, ihrem blauen Kleid, dem Gürtel, mehreren Porzellanscherben und einem Knopf befand sich darunter auch der Spaten, mit dem der Angeklagte das Erdloch gegraben haben soll. Letztlich waren es DNA-Rückstände von Peter F., die sich an diesem Spaten befanden und so die heiße Spur ermöglichten, die zum Ermittlungserfolg führte.

Visualisierte Zeugenaussagen

Im weiteren Verlauf des ersten Verhandlungstags, der insgesamt acht Stunden dauerte, wurden auch Beweise zusammengetragen, die belegen, dass der Angeklagte sich zum Tatzeitpunkt tatsächlich im südhessischen Raum aufgehalten hat. Hilfreich waren hier die Meldeanschriften sowie ein Impfbuch, in dem dokumentiert war, dass der damals 24-Jährige am 13. Juni 1986 eine Tetanus-Impfung in einer Arztpraxis erhalten hatte.

Die Vorstrafen von Peter F. waren ebenfalls Thema. So ist er bereits wegen Sexualdelikten und anderer Straftaten polizeilich bekannt. Seit 2012 befand er sich aufgrund eines Urteils des Landgerichts Kiel im sogenannten Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus in Norddeutschland.

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Ein Gutachter visualisierte anschließend die Aussagen der Zeugen, die Jutta Hoffmann am Tag ihres Verschwindens noch gesehen haben oder zumindest weitere wichtige Hinweise liefern können. Eine Mutter mit Kind begegnete der Schülerin auf einem Waldweg zwischen Schwimmbad und Ortsmitte. Zuvor hatte die Frau auf diesem Weg zwei Männer gesehen. Die Polizei schloss damals nicht aus, dass die beiden etwas mit dem Verbrechen zu tun haben könnten. Eine andere Passantin fand nur wenige Minuten später einen weißen Damenschuh und eine Badematte auf dem Boden. Die Badematte nahm sie an sich. Der Schuh wurde bei den späteren Ermittlungen nicht wiedergefunden.

Besonders viel Zeit in Anspruch nahmen die Ausführungen der Verwandten von Peter F., die ebenfalls als Zeugen zur Verhandlung erschienen waren. Die Aussagen einiger Brüder, Schwestern und Cousins gaben teilweise einen schockierenden Einblick in das, was sich zu Hause hinter verschlossenen Türen abgespielt haben muss.

Morgen wird Prozess fortgesetzt

Von sexuellem Missbrauch innerhalb der Familie war die Rede und sogar von einem Mordversuch. Peter F. soll 1986 einen damals 16-Jährigen an einem unbeschrankten Bahnübergang auf die Gleise gedrückt haben, während ein Zug herannahte. Dank des beherzten Eingreifens von Freunden des 16-Jährigen konnte Schlimmeres verhindert werden.

Am morgigen Freitag wird der Prozess im Mordfall Jutta Hoffmann am Darmstädter Landgericht fortgeführt. Bis mindestens Mitte Januar 2024 sind wöchentlich bis zu drei Termine angesetzt, an deren Ende die Familie von Jutta Hoffmann im besten Fall endlich Gewissheit hat, was genau mit ihrer Tochter am 29. Juni 1986 geschah und ob Peter F. womöglich eine weitere Verurteilung zu erwarten hat – denn Mord verjährt nie.

Redaktion

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