Lindenfels. „Das ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk“ – der Lindenfelser Stadtbrandinspektor Michael Höbel machte keinen Hehl aus seiner Freude. Der Grund war nicht zu übersehen: Im Hof des Feuerwehrgerätehauses stand ein nagelneues Drehleiterfahrzeug. Kurz vor Weihnachten übergab Bürgermeister Michael Helbig offiziell den Schlüssel für das Gefährt im Wert von 720 000 Euro mit der Typbezeichnung „DLAK 23-12“ für „Drehleiter automatisch mit Korb, Nennrettungshöhe 23 Meter, Nennausladung zwölf Meter“.
Vor fast fünf Jahren hatte der stellvertretende Stadtbrandinspektor Stefan Schepula offiziell den Bedarf für das neue Auto beim Kreis Bergstraße angemeldet, am 16. Dezember rollte es auf den Hof der Lindenfelser Wehr. Schepula ist im Einwohnermeldeamt beschäftigt und kümmert sich in der Stadtverwaltung um alle Feuerwehrangelegenheiten. Mit sechs Lindenfelser Feuerwehrmännern bastelte er in einem Drehleiterausschuss die Antragsunterlagen.
Das alte Drehleiterfahrzeug hatte bei der Bedarfsanmeldung schon 27 Jahre auf dem Buckel und damit die vorgeschriebene Mindestnutzungszeit um zwei Jahre überschritten. Drei Jahre später geriet es bei der Heimfahrt von einer Übung auch noch in einen Verkehrsunfall und war fortan nicht mehr zu gebrauchen. Danach hielt die Lindenfelser Wehr mit einem Leihfahrzeug ihre Einsatzbereitschaft aufrecht, später mit einem gebraucht gekauften Gefährt.
Einsatz über die Stadt hinaus
Die Stadtverordnetenversammlung hatte schon vor der Bedarfsanmeldung eine knappe halbe Million Euro freigegeben, das Land Hessen steuerte 250 000 Euro bei. Außerdem fließt jedes Jahr ein fünfstelliger Betrag von der Kreis- in die Stadtkasse, weil die Freiwillige Feuerwehr Lindenfels mit dem Drehleiterfahzeug über die Stadtgrenzen hinaus ausrückt: Nach Fürth, Lautertal, Modautal, Reichelsheim, Grasellenbach und in den Waldmichelbacher Stadtteil Kocherbach. „Überörtliche Hilfe“ lautet dafür der amtliche Begriff.
Preis und Wendigkeit des Fahrzeuges sowie die Funktionalität des Rettungskorbes waren die wichtigsten Kriterien für die Beschaffung. Denn 70 Prozent aller Drehleiter-Einsätze fahren die Feuerwehren, um Menschen zu retten. Der Korb des neuen Geräts kann bis zu 500 Kilogramm tragen, einschließlich einer Schwerlasttrage mit bis zu 300 Kilogramm Gesamtgewicht. Dadurch können im Notfall mehrere Personen gleichzeitig in Sicherheit gebracht werden.
Aus Karlsruhe kam das neue Fahrzeug in den Odenwald
Sieben Lindenfelser Feuerwehrleute managten als Drehleiterausschuss den Beschaffungsprozess für das neue Drehleiterfahrzeug: Jürgen Bitsch (zur Zeit der Antragstellung Stadtbrandinspektor), Michael Höbel (aktueller Stadtbrandinspektor), dessen Stellvertreter Stefan Schepula, Otto Bitsch, Thomas Höbel, Sven Collin und Michael Höly.
Sie alle haben die Befähigung zum Drehleitermaschinisten in einem einwöchigen Lehrgang in der Landesfeuerwehrschule in Kassel erworben. Da zwei von ihnen bald die Altersgrenze von 65 Jahre erreichen, haben sich bereits zwei jüngere Lindenfelser Feuerwehrleute für die Ausbildung angemeldet.
2018 wurde der Bedarf für ein neues Drehleiterfahrzeug bei der Abteilung Gefahrenabwehr des Kreises Bergstraße angemeldet. Die dort aufgestellte Prioritätenliste war Grundlage für den Zuwendungsbescheid des Hessischen Innenministers im Jahr 2019.
Als Grundlage für die folgende europaweite Ausschreibung stellte der Drehleiterausschuss einen Katalog mit 120 Kriterien zusammen. Anfang 2022 wurde das 720 000 Euro teure neue Fahrzeug bestellt, mit einem Fahrgestell des Typs Mercedes ATEGO 1630 und einem Drehleiteraufbau, Typ Rosenbauer L 32 XS. Am 16. Dezember holten es die sieben Wehrmänner beim Hersteller in Karlsruhe ab und überführten es nach Lindenfels. (ppp)
Die Steuereinheit des Korbes ist in einer Ecke montiert und lässt sich um 90 Grad schwenken. Das erhöht im Einsatz die Flexibilität. Das obere Ende der Leiter mit dem Rettungskorb lässt sich abknicken. Im Leitstand am unteren Ende der Leiter hat ein in der Landesfeuerwehrschule ausgebildeter Drehleitermaschinist seinen Arbeitsplatz. Nur wenn er vom Boden aus die Steuereinheit im Korb freischaltet, kann von dort aus gelenkt werden. Bis alle Einsatzkräfte die erforderliche Einweisung im Rettungskorb haben, werden Einsätze mit dem alten Leiterfahrzeug gefahren.
Vorstellung zur 900-Jahr-Feier
Die Nennrettungshöhe von 23 Metern ist der senkrechte Abstand Drehleiterkorbes zum Boden, die Nennausladung von zwölf Metern der waagerechte Abstand vom Fahrzeug bis zur Außenkante des Korbs. Mit Hilfe des Drehleiterfahrzeuges kann die Lindenfelser Feuerwehr Menschen aus den höher gelegenen Stockwerken des ehemaligen Luisenkrankenhauses retten, wo derzeit Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht sind. Auch an der Eleonoren-Klinik in Winterkasten und am Seniorenheim Parkhöhe in Nachbarschaft des Lindenfelser Feuerwehrhauses ist ein Einsatz zur Rettung aus den oberen Etagen nur mit einer Drehleiter möglich.
Bürgermeister Helbig dankte bei der Schlüsselübergabe allen Beteiligten der Feuerwehr und der städtischen Gremien. Er kündigte an, im Rahmen der Feiern zum 900-jährigen Bestehen der Stadt Lindenfels das neue Fahrzeug in größerem Rahmen vorstellen zu wollen, auch im Beisein von Vertretern der Lindenfelser Partnergemeinden Moëlan sur Mer (Frankreich) und Pawlowiczki (Polen). Das Angebot, den Rettungskorb am ausgefahrenen Arm persönlich zu testen, lehnte der Verwaltungschef dankend ab: „Ich habe furchtbare Höhenangst“.
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