Ellenbach/Schlierbach. Es war ein Abend, der unter die Haut ging. In der vollbesetzten TSV-Halle verabschiedeten sich vier Chöre aus dem Odenwald auf bewegende Weise von ihrem langjährigen Chorleiter Oliver Fath. Mit einem mehr als zweistündigen Konzert sagten sie nicht nur Danke – sie ließen auch eine über 20-jährige musikalische Reise Revue passieren, die von Professionalität, Leidenschaft und gegenseitigem Vertrauen geprägt war.
Schon zu Beginn war zu spüren, dass dieser Abend kein gewöhnlicher war. Die Goldkehlchen des Männergesangvereins „Sängerlust“ Schlierbach eröffnete mit dem traditionellen Shanty „The Wellerman“ – kraftvoll und rhythmisch, fast wie ein symbolisches Aufbruchslied. Mit „Über den Wolken“ folgte eine nachdenklich-luftige Nummer, die das Publikum zum Mitsummen brachte und das Bild des gemeinsamen Höhenflugs mit Oliver Fath musikalisch unterstrich.
Frauenchor trat bei „I will follow him“ im Nonnenkostüm auf
Die Chorgemeinschaft Siedelsbrunn griff diesen Gedanken auf und ergänzte ihn um das ergreifend vorgetragene „Tage wie diese“. Kaum ein Titel hätte besser zum Anlass gepasst: ein Tag voller Emotionen, Erinnerungen und dem Gefühl, etwas Großes gemeinsam erlebt zu haben. In „Poquito cantas“ wurde es tänzerisch und temperamentvoll – ein Ausflug in andere Klangwelten, wie ihn Fath immer wieder in seine Programme einzubauen verstand.
Mit dem Frauenchor Fahrenbach wurde es innig. Sein „Can‘t help falling in love“ ging direkt ins Herz. „Nobody knows“ und „Que sera“ spiegelten jene Mischung aus Unsicherheit und Gelassenheit, die ein solcher Abschied mit sich bringt. Besonders stimmungsvoll: Der Überraschungsauftritt des Frauenchors in Nonnenkostümen mit dem spritzigen „I will follow him“ – ein Augenzwinkern mit Gänsehautfaktor und ein weiterer Beleg für den Ideenreichtum, der Faths Chorarbeit immer auszeichnete.
Oliver Fath hat in der Region musikalische Akzente gesetzt
Oliver Fath ist seit Jahrzehnten eine prägende Figur der regionalen Chorszene. Seine musikalische Laufbahn begann bereits in seiner Kindheit: Von 1981 bis 1987 war er Mitglied der renommierten Weinheimer Sängerknaben. Es folgten Stationen im Singkreis Rimbach und dem evangelischen Kirchenchor in Siedelsbrunn, wo früh seine Begeisterung für mehrstimmigen Chorgesang und seine spätere Berufung zum Chorleiter reiften.
Nach dem Abitur absolvierte Fath eine umfassende musikalische Ausbildung. Er erwarb die Chorleiterlizenzen D und C der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und nahm Unterricht in Orgel, Keyboard und Klavier. Die praktische Seite des Dirigierens erlernte er unter anderem bei Bezirkskantor Klaus Thielitz und Karl-Heinz Treusch.
2002 übernahm er nach vierjähriger Tätigkeit als Korrepetitor den Kirchenchor in Siedelsbrunn. 2003 gründete er die „Swinging Chords Ellenbach“ – ein Projekt, das ihn über 20 Jahre lang begleiten und maßgeblich mitprägen sollte.
Fath steht für anspruchsvolle, stilistisch vielfältige Programme, in denen klassische Chorliteratur ebenso ihren Platz findet wie Pop, Musical und Filmmusik. Besonders liegt ihm die Eigenständigkeit der Stimmen am Herzen – er liebt vielschichtige Chorsätze, komponiert und arrangiert auch selbst. Er leitete mehrere Chöre im Odenwald, wirkte als stellvertretender Kreischorleiter im Sängerkreis Weschnitztal-Überwald und war Teil des Musikausschusses.
Zu seinen Meilensteinen zählen die Romfahrt mit dem Odenwaldchor 2007, die Aufführung des Pop-Oratoriums „Die 10 Gebote“ 2019 sowie zahlreiche thematische Konzertabende – darunter Musicalprogramme, Jubiläumskonzerte und gemeinschaftliche Großprojekte.
Oliver Fath ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Als Dirigent ist er fordernd, leidenschaftlich und dabei stets nah an seinen Sängerinnen und Sängern – ein Musiker mit Herz, Verstand und einem feinen Gespür für klangliche Balance. mpa
Die „Swinging Chords Ellenbach“ – seit ihrer Gründung im Jahr 2003 von Oliver Fath dirigiert – boten einen ihrer stärksten Auftritte: „Go down, Moses“ wurde zum dramatischen musikalischen Appell, „For-ever young“ zur gefühlvollen Hymne auf das Bleibende, das über die Zeit hinausgeht. Als dann „Sweet Caroline“ durch die Halle schallte, wurde mitgesungen, geklatscht, gelacht – ein lebendiger Kontrast, der das Programm so abwechslungsreich machte.
Pure Lebensfreude sprang von der Bühne auf die Zuhörer über
In der zweiten Programmhälfte bündelten sich die Stimmen zu beeindruckenden Kooperationen. Frauenchor und „Sängerlust“ verschmolzen in „You raise me up“ zu einem Klangkörper, der das Publikum mitriss – getragen, aufbauend, fast tröstlich.
Die „Sängerlust“ setzte später mit dem A-cappella-Klassiker „Only you“ einen emotionalen Höhepunkt und überraschte mit dem augenzwinkernden Lied „Wir sind die alten Säcke“, das viel Sympathie und Humor auf die Bühne brachte. Die Chorgemeinschaft überzeugte mit „Come Missa Tallyman“ und dem atmosphärischen „Sailing“, bei dem sich viele im Publikum ihre eigenen Reisebilder malten.
Mit den „Swinging Chords“ gemeinsam sangen sie schließlich ein elektrisierendes „Oh happy day“ – pure Lebensfreude, die von der Bühne auf die Zuhörer übersprang. In der Schlussphase wurde es fast schon intim. Die „Swinging Chords“ widmeten Fath das berührende „Geboren, um zu leben“, bevor sie mit „Thank you for the music“ noch einmal das Motto des Abends zusammenfassten. Es war nicht nur ein Lied – es war ein musikalischer Dank für Zeit, Geduld, Kreativität und Hingabe.
Und dann: der Moment, auf den viele gewartet hatten. Alle Chöre vereint auf der Bühne, die Halle still – „Tränen lügen nicht“, neu getextet: „Weil du für uns das Beste warst und bist“. Ein Satz, der mehr sagte als jede Laudatio. Tränen flossen, viele standen auf, einige sangen mit – es war ein würdiger, zutiefst ehrlicher Abschluss. Nicht ganz: Mit „Arcobaleno“ wurde noch einmal Hoffnung und Aufbruchsstimmung beschworen.
Kein großer Abschied mit Pomp, sondern ein stilles „Danke“
Den allerletzten Ton des Abends jedoch setzte Oliver Fath selbst – ganz allein, am Mikrofon, mit „My way“. Seine Stimme ruhig, klar, und doch von Gefühl durchzogen. Es war sein Weg – und ein Geschenk an die Chöre, an das Publikum, an alle, die dabei waren. Kein großer Abschied mit Pomp, sondern ein stilles, selbstbewusstes „Danke – und jetzt ist es gut“.
Für die Chöre beginnt nun eine Zeit des Umbruchs, wie Laura Schäfer, Pressewartin der „Swinging Chords“, erklärte: „Wir haben noch ein paar Proben mit Oliver, dann geht‘s in die Sommerpause. Und dann schauen wir weiter.“ Man sei auf der Suche nach einer Nachfolge. Der Blick geht also nach vorn – aber was an diesem Abend klang, wird nachhallen. In den Herzen. Und in den Liedern.
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