Stadtverordnetenversammlung

Wieder keine Einigung zur Grundsteuer in Bensheim

Im Juni muss die Entscheidung über den Hebesatz fallen. Auf der Versammlung gab es klare Worte der Bürgermeisterin zur Zusammenarbeit mit dem Bürgernetzwerk Bensheim.

Von 
Anna Meister
Lesedauer: 
Die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der Stadt sei bei einer weiteren Aufschiebung ernsthaft gefährdet. © Thomas Neu

Bensheim. Vor der Abstimmung über den neuen Hebesatz der Grundsteuer B fand Bürgermeisterin Christine Klein bei der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstagabend klare Worte: „Wenn die Entscheidung heute nicht fällt, droht der Stadt Bensheim ab Juni die Zahlungsunfähigkeit. Wenn wir uns nicht auf einen Hebesatz, der nach heutigem Stand bei 1275 Punkten liegen muss, einigen, gefährden wir die Aufnahmemöglichkeit des Liquiditätskredites um zehn Millionen Euro, den wir dringend benötigen.“ Die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der Stadt sei bei einer weiteren Aufschiebung ernsthaft gefährdet. Von einer Kreditaufnahme über zehn Millionen Euro hinaus sei dringend abgeraten worden - denn jeder Kredit, egal wie hoch, müsse bis zum Ende dieses Jahres wieder zurückgezahlt werden. „Neben der Grundsteuererhöhung brauchen wir natürlich weitere Einsparungen. Daran arbeitet die eigens eingerichtete Steuerungsgruppe Haushalt mit Hochdruck.“ Klein verdeutlichte weiter: „Wenn ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung geltendes Recht verletzt oder das Wohl der Gemeinde gefährdet, habe ich das Recht, diesem Beschluss zu widersprechen. Sollten Sie also für eine weitere Verschiebung der Entscheidung stimmen, werde ich prüfen, ob ein solcher Fall vorliegt.“

Das saß. Und führte dazu, dass die Stadtverordnetenversammlung unterbrochen wurde, da sich die Fraktionen noch einmal beraten wollten. Mit dem Ergebnis, dass sich die Mehrheit (31 Ja-, acht Neinstimmen und eine Enthaltung) trotz Kleins eingehender Mahnung für einen weiteren Aufschub der Grundsteuererhöhung aussprach. Erst wenn der Haushalt beraten wurde, möchte sich das Gremium auf einen finalen Hebesatz verständigen. Das muss am 5. Juni passieren, denn sonst verstreicht die Frist zur rückwirkenden Erhöhung der Grundsteuer B, die bis 30. Juni möglich ist. Es wird also eine mehr als knappe Kiste.

Auch 1000 Punkte finden keine Mehrheit

Viel Neues an Inhalt gab es in der Debatte um den Hebesatz nicht, hatte doch der Finanzausschuss das Thema vergangene Woche eingehend beraten. Weiterhin halten BfB und VuA einen Hebesatz über 1000 Punkte für die Grundsteuer B für unsozial. Deswegen hatten sie einen entsprechenden Änderungsantrag eingereicht, der allerdings von den anderen Fraktionen geschlossen abgelehnt wurde. „Wir vermissen weitere Beratungen zum Haushalt 2025, der eigentlich heute hätte beschlossen werden sollen“, sagte Franz Apfel (BfB). Grund für die Verzögerungen waren erneute Einbrüche bei der Gewerbesteuer, die im Februar bekanntgeworden waren. Den maximalen Hebesatz sieht Apfel bei 1000 Punkten, dieser Wert könne weiter sinken, wenn der Konsolidierungszeitraum für den Haushalt von den Aufsichtsbehörden verlängert würde.

Derzeit befindet sich die Stadt hierfür allerdings in keiner guten Verhandlungsposition. Ebenso abgelehnt wurde der Antrag von BfB und VuA, die Gewerbesteuer um zehn Punkte, auf glatte 400, anzuheben. Die anderen Fraktionen sehen darin eine zusätzliche und doppelte Belastung der Gewerbetreibenden, die wie alle Bürgerinnen und Bürger Grundsteuer zahlen. Weitere Maßnahmen, die in Augen der beiden Fraktionen helfen könnten, wären neben der vieldiskutierten MEGB-Ausschüttung der Verkauf von GGEW-Aktien, eine hohe Ausschüttung der Sparkasse, der Verkauf von Gebäuden oder die Verschiebung von Investitionen. „Wer heute keine Entscheidung treffen möchte, will keine Verantwortung übernehmen“, so Apfel weiter.

Nur Stadtverordnetenversammlung kann über Einsparungen entscheiden

Rolf Kahnt (VuA) sieht in der Erhöhung der Gewerbesteuer einen verschmerzbaren „Solidarbeitrag“. Man habe sich intensiv mit Einsparmöglichkeiten auseinandergesetzt und Vorschläge erarbeitet. „Sie aber verweigern sich weiteren Einsparmöglichkeiten und der Streichung freiwilliger Leistungen und drücken uns Stadtverordneten die Verantwortung auf“, schoss er in Richtung Bürgermeisterin. Die Verwaltungsspitze habe nicht ausreichend geliefert. „Unter anderem durch die MEGB-Ausschüttung könnten weitere Millionen in die Stadtkasse fließen. Bis Juni brauchen wir eine Lösung.“

„Offensichtlich lesen Sie die Unterlagen nicht, denn mit dem Haushalt 2025 haben wir bereits eine Liste an Möglichkeiten zu Einsparungen bei freiwilligen Leistungen vorgelegt. Aber nur die Stadtverordnetenversammlung kann über diese Einsparungen per Beschluss entscheiden. Sie müssen diese Anträge stellen. Ich kann die Verantwortung dort übernehmen, wo ich zuständig bin“, entgegnete Klein. Allein innerhalb der Verwaltung habe man bereits über acht Millionen Euro einsparen können. Die AG Haushalt beleuchte aktuell zusätzlich Pflichtbereich wie die Kinderbetreuung, um auch dort weitere Potenziale zu definieren.

„Vertrauen in Bürgernetzwerk ist zerstört“

Bezüglich der MEGB-Ausschüttung und gegenüber dem Bürgernetzwerk Bensheim hat Christine Klein einen klaren Standpunkt: „Als Bürgermeisterin bin ich verpflichtet, alle geltenden Gesetze zu wahren und meine Pflichten gewissenhaft und unparteiisch zu erfüllen. An vorderster Stelle steht dabei das Wohl der Stadt, der Bürgerinnen und Bürger. Von meinem Anspruch, nach Recht und Gesetz zu handeln, bringen mich weder Druck noch Populismus in den Medien ab“, kommentierte sie die Aussage des Bürgernetzwerks, eine Ausschüttung sei ohne weiteres und vor allem kurzfristig möglich. Kraft ihres Amtes sei Klein auch die Verwaltungsratsvorsitzende der Sparkasse Bensheim, sowie Aufsichtsratsvorsitzende der MEGB und der GGEW. „Ich bin also auch dem Wohl dieser Unternehmen verpflichtet. Nur aufgrund valider Daten und Fakten können die Gremien verantwortungsvoll Entscheidungen treffen.“ Sie könne nicht einfach über diese Mittel verfügen.

Alleine die Stadtverordneten, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurden, hätten das Mandat, in der Stadtverordnetenversammlung Anträge zum Wohle der Stadt zu stellen und Beschlüsse zu fassen. „Weder das Bürgernetzwerk noch eine andere Institution hat hierfür die Legitimation. Ich bin immer offen für Austausch und Anregungen - auch vom Bürgernetzwerk. Allerdings hat sich meine Offenheit gegenüber den Verantwortlichen des Bürgernetzwerks verändert. Das Vertrauen wurde gebrochen. Damit sehe ich - derzeit - auch das Vertrauen in eine Zusammenarbeit als gestört an“, erklärte Klein mit Blick auf die Veröffentlichung vertraulicher Gesprächsinhalte zwischen MEGB und Bürgernetzwerk. Letzteres ist sich keiner Schuld bewusst.

„Es klingt so einfach, ist es aber nicht“

Eine schnelle Ausschüttung, wie sie gefordert wird, ist Klein zufolge nicht möglich. „Die MEGB hat viele Verpflichtungen, wir brauchen vor dieser wichtigen Entscheidung valide Unterlagen und Klarheit über die Auswirkungen, die die Ausschüttung haben wird.“ Dem pflichtete auch Maximilian Gärtner (CDU) bei: „Es klingt so einfach: Die MEGB überweist vier Millionen an die Stadt und alle Probleme sind gelöst. So einfach ist es aber eben nicht. Der Aufsichtsrat, die Gesellschafter und der Beirat der MEGB müssen bei all diesen Entscheidungen gehört und beteiligt werden. Diese Gremienarbeit ist nicht innerhalb weniger Tage getan - so schön diese Behauptung auch klingen mag.“ Die MEGB sei keine Schatztruhe, zitierte er die Geschäftsführerin Michaela Kemmeter. Die unüberlegte Entnahme von Kapital hätte nicht absehbare Folgen.

Mehr zum Thema

Haushalt Bensheim

Einigung zu Grundsteuer B in Bensheim könnte sich verzögern

Veröffentlicht
Von
Anna Meister
Mehr erfahren
Stadtverordnetenversammlung

Grundsteuer, MEGB und PV-Anlagen sind Thema in Bensheim

Veröffentlicht
Von
Anna Meister
Mehr erfahren
Streitfall MEGB

Streit um MEGB-Millionen: Steuerberater spricht von „hinterhältigem Vorgehen“

Veröffentlicht
Von
Anna Meister
Mehr erfahren

Alle Fraktionen seien sich darüber einig, dass eine solche Ausschüttung steuerfrei erfolgen muss. „Ansonsten wäre das verbranntes Geld. Aber das muss ausführlich geprüft werden. Wenn dieses Ergebnis vorliegt, haben wir eine Entscheidungsgrundlage“, appellierte er dafür, die Faktenlage abzuwarten. „Die MEGB leistet unter Hochdruck enorm gute Arbeit.“ Ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen über ebendiese Prüfung wurde mit zwei Enthaltungen angenommen. Die Ergebnisse sollen in der kommenden Sitzungsrunde vorliegen. „Ein weiterer Schlagabtausch ist irrelevant und nicht zielführend“, sagte Rolf Tiemann (FWG). Ob sich die Beteiligten dies zu Herzen nehmen, bleibt abzuwarten.

„Jede Entscheidung hat Konsequenzen - das müssen wir uns klarmachen. Es reicht nicht, nur die Überschriften zu lesen oder plakative Forderungen zu stellen. Ein enger Austausch zwischen Bürgernetzwerk und MEGB wäre wünschenswert gewesen, der Kontakt wurde aber nicht gesucht. Es gab die Bitte, Gesprächsinhalte vertraulich zu behandeln, das wurde missachtet. Es gibt einfach Dinge, die sich nicht gehören. Die Tatsachen sollten nicht weiter verdreht werden“, schloss Adriana Filippone (SPD).

Aufschub der Grundsteuer-Entscheidung hat Vor- und Nachteile

Es ist eine komplizierte Gemengelage, Sachverhalte können nicht länger im Einzelnen betrachtet, sondern müssen gemeinsam gedacht werden. „Jetzt die Höhe der Grundsteuer B festzulegen würde Klarheit bringen und eine bessere Verhandlungsposition für die Stadt. Aber es fällt uns schwer, einem so hohen Hebesatz ohne Grundlage des aktualisierten Haushaltes für 2025 zuzustimmen“, fasste Gärtner die Bedenken der Koalition aus CDU, SPD und FDP zusammen. „Genau dafür gibt es normalerweise die Ganztagssitzung im Finanzausschuss, in der das Zahlenwerk durchgearbeitet wird. Erst wenn wir alle Zahlen kennen, wissen wir sicher, bei welchem Grundsteuerhebesatz wir am Ende landen.“ 1000 Punkte, wie von BfB und VuA gefordert, seien aber absolut unrealistisch, ebenso sollte sich die Stadt nicht auf eine Sparkassen-Ausschüttung verlassen. „Das liegt nicht in unserer Hand.“

Die MEGB-Ausschüttung könnte - sofern umsetzbar - Erleichterung verschaffen. „Wir müssen aber noch viele weitere Stellschrauben diskutieren, etwa die Parkgebühren oder Einnahmequellen durch erneuerbare Energien“, sagte Doris Sterzelmaier (Grüne). Ein weiterer Schritt ist die nun beschlossene Erhöhung der Spielapparatesteuer, die Grünen möchten weitere Steuern - zum Beispiel auf Verpackungen oder unbebaute Grundstücke - prüfen.

Redaktion

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke
  • Winzerfest Bensheim