Bensheim. Ein Vertreter des Bürgernetzwerks telefoniert mit dem langjährigen Steuerberater der Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim (MEGB). Inhalte des sogenannten „Fachgesprächs“ werden vom Bürgernetzwerk umgehend in einer Pressemitteilung und einem Beitrag auf Facebook verarbeitet. Die Initiative legt darin ihre Sicht der Dinge dar: Eine Kapitalentnahme über mehrere Millionen Euro bei der städtischen Tochtergesellschaft ist ohne steuerliche Konsequenzen innerhalb weniger Tage möglich. Mit dem Geld soll dem notleidenden städtischen Haushalt kurzfristig Linderung verschafft werden.
Sowohl bei der MEGB als auch im Rathaus riefen die Verlautbarungen des Bürgernetzwerks Verwunderung bis Verärgerung und Widerspruch hervor: Die Prüfungen laufen noch, denn eine Kapitalentnahme könnte unter Umständen wichtige und nicht aufschiebbare Sanierungsprojekte gefährden. Bürgermeisterin Christine Klein und MEGB-Geschäftsführerin Michaela Kemmeter sehen in dem Vorgehen des Bürgernetzwerks außerdem einen Vertrauensbruch.
Eine Mail des Steuerberaters, die der Redaktion vorliegt, stützt diese Ansicht. Aus ihr geht hervor, dass er von einem „informellen, vertraulichen Gespräch“ mit dem Vertreter des Bürgernetzwerks ausging, weswegen auch im Vorfeld beschlossen worden sei, dass die Bürgermeisterin nicht am ersten Gespräch teilnimmt, um diesen informellen Austausch zu ermöglichen. Dies habe er seinem Gegenüber am Telefon, der dem gleichen Berufsstand angehört, auch so mitgeteilt. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Zu keinem Zeitpunkt konnte ich davon ausgehen oder wurde ich darauf hingewiesen, dass Inhalte des Gesprächs protokolliert oder gar veröffentlicht werden. Ganz im Gegenteil, als Kollegen gehören wir beide einem Berufsstand an, der grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet.“
„Inhalte wurden aus dem Zusammenhang gerissen“
Aufgrund der besprochenen Inhalte habe sein Gesprächspartner zudem davon ausgehen müssen, dass es sich um vertrauliche Inhalte handele, die auf keinen Fall ungefiltert und unkommentiert in die Öffentlichkeit gehörten. Aus der Mail liest sich deutlich heraus, dass der Steuerberater mit der Vorgehensweise des Bürgernetzwerks alles andere als einverstanden ist – vorsichtig formuliert: „Umso hinterhältiger zu bewerten ist die Tatsache, dass eine Verbreitung trotzdem stattgefunden hat im bloßen Wissen um die Tragweite einer öffentlichen Verbreitung bestimmter Informationen beziehungsweise Fehlinformationen“, heißt es weiter.
Es seien auch nur Inhalte verbreitet worden, die argumentativ in den beabsichtigten Duktus seiner Informationsverbreitung passten. „Zudem sind die in meinem Namen aufgeführten Textpassagen inhaltlich nicht korrekt oder aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt. Der Inhalt des Gedächtnisprotokolls wurde mit mir im Vorfeld auch nicht abgestimmt“, verdeutlicht der Steuerberater und führt abschließend aus: „Insofern können Sie meine Verwunderung verstehen, dass die auf dem oben beschriebenen Weg zum Bürgernetzwerk gelangten Informationen nicht nur persönlich genutzt und auch nicht vertraulich behandelt wurden, sondern zudem noch digital per Mail oder in sozialen Medien verbreitet wurden, dazu auch noch inhaltlich unvollständig und falsch.“
Mehrere Anträge zur MEGB-Ausschüttung zur Stadtverordnetenversammlung
Mittlerweile liegen auf Grundlage der vom Bürgernetzwerk getroffenen Aussagen bereits zwei Anträge für die Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag (3.) vor. Die Grünen wollen den Magistrat beauftragen, für eine steuerfreie Kapitalausschüttung in Höhe von vier Millionen Euro zu sorgen. BfB und VuA wollen sinngemäß, dass fünf Millionen Euro von der MEGB auf das städtische Konto fließen. Im Raum steht zudem ein fraktionsübergreifender Antrag – in dem man sich allerdings auf eine Summe einigen oder eine etwas offenere Formulierung wählen müsste. Stadt und MEGB hatten in einer Pressemitteilung zuletzt verkündet, dass „steuer- und handelsrechtlich eine Auflösung oder Minderung der Kapitalrücklagen grundsätzlich möglich ist“. Ob dies ohne steuerliche Folgen bleibt, sei noch offen und werde geprüft.
Sowohl Klein als auch Kemmeter verwiesen jedoch darauf, dass eine einfache Kapitalentnahme lediglich einen kurzfristigen Einmaleffekt auf den Haushalt hätte. Daher arbeite die Verwaltung gemeinsam mit der städtischen Tochtergesellschaft an einem möglichen Modell, das der Stadt kurzfristig Liquidität verschafft und den Haushalt auch langfristig entlastet – vorausgesetzt die Gremien stimmen für ein solches Vorgehen. Bei dem Vorhaben handelt es sich nach Auskunft der MEGB-Geschäftsführerin im vergangenen Haupt- und Finanzausschuss um den Verkauf von städtischen Parkhäusern an die Tochtergesellschaft.
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