Bensheim. Die Städte und Gemeinde fühlen sich von der Bundespolitik im Stich gelassen. Der Landkreis sieht sich am Limit. Landrat Christian Engelhardt (CDU) und der unter anderem für Migration und Soziales zuständige Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf (Grüne) weisen seit Monaten medienwirksam darauf hin, dass die Belastungsgrenze bei der Aufnahme von Geflüchteten erreicht ist.
Seit diesem Monat werden daher erstmals Asylsuchende den Kommunen direkt zugewiesen. In den Rathäusern stieß dies, wie berichtet, auf überschaubare Begeisterung. In Bensheim skizzierte Bürgermeisterin Christine Klein zuletzt Mitte März im Haupt- und Finanzausschuss, wie schwierig sich die Suche nach Unterkünften gestaltet und bat um Unterstützung: Wer Immobilien oder Freiflächen, die einem gewissen Anforderungsprofil genügen, zur Verfügung stellen kann, soll sich melden.
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Sechs Wochen und mit Beginn des Wonnemonats hat sich an der Dringlichkeit des Themas wenig geändert. „Wir haben uns Büros, Wohnungen, ehemalige Hotels, Freiflächen und einige andere Liegenschaften angeschaut“, erläutert die Rathauschefin auf Nachfrage dieser Zeitung. Eine maßgeschneiderte Lösung fand sich jedoch nicht, oft waren die Gebäude von ihrer Struktur her nicht geeignet - oder man erzielte keine Einigung mit dem Eigentümer.
Allerdings haben sich auch Optionen aufgetan, die aktuell weiterverfolgt werden. Details wollte Klein mit Hinweis auf laufende Verhandlungen nicht nennen. Sie zeigte sich aber zuversichtlich, in der übernächsten Sitzung der Stadtverordneten im Juli den Fraktionen eine Beschlussvorlage präsentieren zu können. Die Zeit drängt bekanntlich.
„Die Verwaltung ist permanent mit der Thematik beschäftigt“, so die Bürgermeisterin. Schließlich weiß man, was auf eine zukommt. Abhängig davon, wie viele Geflüchtete im Kreis ankommen, müssen in Bensheim künftig zwischen 127 und 157 Personen im Quartal untergebracht werden. „Für bis zu 600 Menschen im Jahr benötigen wir dann ein Dach über dem Kopf. Und da sind die anerkannten Asylbewerber noch nicht einmal mit eingerechnet“, betont Christine Klein.
Neun Direktzuweisungen seien für die nächsten Tage angekündigt worden. Für die Geflüchteten habe man Plätze in der Obdachlosenunterkunft in der Fehlheimer Straße gefunden, dort habe man aktuell Kapazitäten. Ansonsten hätte man keine andere Option gehabt. Dass der Kreis nun dazu gezwungen ist, die Menschen weiterzuleiten, versteht die Rathauschefin. „Die haben ja das gleiche Problem wie wir und müssen schauen, wie sie mit dieser Herausforderung bewältigen können.“
500 000 Euro sind für Wohnraum vorgesehen
Daher habe die Stadt sich auch vor einem Jahr dazu entschlossen, den Festplatz am Berliner Ring für die Zeltstadt kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dort kamen bekanntlich zunächst vor allem Frauen und Kinder aus der Ukraine unter. Mittlerweile stammt die Mehrheit der Bewohner aus anderen Ländern. Die Fläche habe man dem Kreis gerne überlassen. „Nur fehlt sie uns jetzt, um dort ein eigenes Camp aufbauen zu können“, verdeutlichte Klein die Kehrseite der Medaille.
Grundstücke, um Container aufzustellen, sind in der größten Stadt im Kreis nach wie vor rar gesät. Das gleiche gilt für geeignete Immobilien. Man darf daher gespannt sein, welche Möglichkeiten die Verwaltung aufgetan hat und den Stadtverordneten im Juli vorlegen möchte. Als unstrittig dürfte gelten, dass die Unterbringung auch ein finanzieller Kraftakt werden dürfte. Im aktuellen Haushalt sind 500 000 Euro vorgesehen, um Wohnraum für anerkannte Asylbewerber zu schaffen. Dieses Geld könnte man auch für die Direktzuweisungen verwenden. Ein halbe Million Euro wird jedoch kaum ausreichen, um Plätze für 500 bis 600 Bewohner im Jahr vorhalten zu können. Vom Kreis gibt es (wie berichtet) pro direkt zugewiesener Person zehn Euro pro Tag.
Der finanzielle Aspekt müsse zwar immer mitgedacht werden. Für die Rathauschefin steht allerdings im Vordergrund, den Geflüchteten ein anständiges Quartier zuweisen zu können. Wobei die Menschen über eine Bleibe hinaus auch Hilfe und Betreuung benötigen. „Es sind vielfältige Herausforderungen, denen wir uns in diesem Bereich zu stellen haben und die unsere Mitarbeiter mitunter enorm beschäftigen“, konstatierte Christine Klein.
Der Zeitplan für die nächsten Wochen steht jedenfalls mehr oder weniger fest: Die Verhandlungen erfolgreich abschließen, die Stadtverordneten um Zustimmung bitten und danach ans Eingemachte gehen. Denn nur mit einem Beschluss des Stadtparlaments ist es letztlich nicht getan. Bis Container aufgestellt oder Gebäude revitalisiert oder umgebaut sind, wird Zeit ins Land gehen.
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