Lagerhausstraße

Wohncontainer für Flüchtlinge sollen im Juli fertiggestellt sein

Anlieger kritisieren die Ghettoisierung. Bürgermeister Christian Schönung sieht jedoch kurzfristig keine Alternative.

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Nina Schmelzing
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In direkter Nachbarschaft zu den Unterkünften in der Lagerhausstraße haben auf dem angrenzenden Acker die Arbeiten für die Erstellung einer Container-Wohnanlage für Flüchtlinge begonnen. © Schmelzing

Lorsch. „Wieso ausgerechnet bei uns?“ Das fragten Anlieger der Lagerhausstraße Bürgermeister Christian Schönung beim Infoabend zur Flüchtlingsbetreuung, zu dem die Stadt am Dienstag eingeladen hatte. In der Lagerhausstraße haben in dieser Woche die Arbeiten für die Aufstellung einer Container-Wohnanlage für Flüchtlinge begonnen. 120 Menschen können dort einziehen.

Wird eine größere neue Wohnanlage in direkter Nachbarschaft errichtet, sorgt das in den seltensten Fällen für Begeisterung bei angestammten Anwohnern. In der Lagerhausstraße hat die beim Infoabend mehrfach gestellte Frage „Gibt es keine anderen Plätze in Lorsch?“insofern eine besondere Bedeutung, als die Straße nicht zum ersten Mal eine Adresse für viele Neuankömmlinge wird. 2018 wurden in der Lagerhausstraße bereits sieben Mehrfamilienhäuser für die Unterbringung von mehr als 200 Flüchtlingen gebaut. Sie sind belegt. Auf dem angrenzenden Ackergelände kommen jetzt die Container hinzu.

„Kleine Straße wird überlastet“

„Wortbruch“ warf eine Lorscherin, die ihren Unmut darüber zum Ausdruck brachte, der Stadtspitze vor. Es habe damals das „Versprechen“ gegeben, dass die „kleine Straße“ nicht überlastet werde. Es habe keine derartigen Versprechen gegeben, stellte Schönung daraufhin klar. Es habe jetzt keine Alternative zu dem Areal gegeben. Die Stadt stehe in der Pflicht, zügig eine große Zahl an Flüchtlingen unterzubringen.

Bisher kümmerte sich der Kreis Bergstraße um die Unterbringung von Flüchtlingen, in Bensheim wurde zum Beispiel die große Zeltstadt aufgebaut, in Lindenfels das ehemalige Luisen-Krankenhaus umfunktioniert. Nun aber werden Flüchtlinge den Kommunen direkt zugewiesen. Sie müssen diesen zu einem Dach über dem Kopf verhelfen. Dass das angesichts des angespannten Wohnungsmarktes schwierig ist, wurde auch beim Infoabend deutlich. 40 Flüchtlinge muss Lorsch in Kürze neu unterbringen – und das künftig in jedem Quartal, insgesamt also 160 Menschen pro Jahr.

Bürgermeister Schönung (2.v.l.) mit den Mitarbeitern Silvia Weber, Ralf Kleisinger, Jeanette Schröder und Andrea Hirschel beim Infoabend. © Neu

Selbst wenn ab sofort keine neuen Flüchtlinge mehr nach Deutschland kämen – eine Entwicklung, mit der beim Infoabend niemand rechnete – würde sich an der Zahl 40 zunächst nichts ändern. Denn dann solle diese Anzahl aufgenommen werden, indem auch Personen etwa aus der Bensheimer Zeltstadt nach Lorsch zugewiesen werden.

Manche Besucher des Infoabends taten sich schwer damit, zu glauben, dass es keine Alternative zur Lagerhausstraße gegeben haben sollte. Das ehemalige Möbelgeschäft in Bensheim wurde von ihnen ebenso als möglicher Standort vorgeschlagen wie der Lorscher Festplatz oder ein Areal im Sportgelände Ehlried. Man nehme eine Ghettoisierung in der Lagerhausstraße in Kauf, kritisierten sie. Anderswo, in Einhausen etwa, werde eine Zentralisierung bewusst vermieden. Integration werde allein schon durch die Menge an Flüchtlingen erschwert.

Nur eine Adresse blieb übrig

Die aufgegebene Möbel-Immobilie befinde sich im Privatbesitz, machte Schönung deutlich, dass die Stadt keinen Zugriff habe. Für andere Kommunen könne er zudem nicht sprechen. In Lorsch sei jedenfalls anderswo eine Unterbringung vieler neuer Flüchtlinge in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen. „Wir haben wenig Flächen“, wies Schönung auf ein Dilemma hin. Im Gegensatz zu manchen anderen Kommunen seien in der Klosterstadt fast alle Flächen bebaut oder anders genutzt. 15 Areale habe man sich in Lorsch angesehen. Auch die Fläche im Ehlried sei keine Option, denn in der kommenden Woche erfolgt dort der Spatenstich für die neue Sporthalle, erinnerte der Bürgermeister.

Auf die Frage, wer in die Container-Anlage ziehen wird, konnten Schönung und die Mitarbeiter der Verwaltung keine konkrete Antwort geben. Ob es sich um Personen in einem laufenden Asylverfahren handle oder Bleibeberechtigte oder ukrainische Kriegsflüchtlinge oder afghanische Ortskräfte, ob es Familien oder einzelne Männer sein werden – das erfahre man üblicherweise erst zwei Wochen vor der Zuweisung, erläuterte Jeanette Schröder, Leiterin des Lorscher Integrationsbüros. Dass Container nicht unbedingt familienfreundlich sind, wurde nicht verschwiegen.

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Die bisher in den Unterkünften der Lagerhausstraße lebenden Menschen seien „ruhig“, lobte eine Anliegerin. Kämen aber noch viele einzelne Männer, sei das ein Problem, so Anlieger, die Sorgen äußerten um die Integration in dem Lorscher „Ballungsgebiet“. Kämen noch mehr Menschen, werde es nicht einfach, hieß es mit Blick auf die Zunahme auch von Lärm, Verkehr und Müll. Die Lagerhausstraße werde stark belastet, im Gegenzug gebe es keinerlei Vorteile. In der Bensheimer Zeltstadt habe es auch Schlägereien gegeben.

Es habe nicht mehrere, sondern eine große Schlägerei gegeben, korrigierte Schröder. In der Zeltstadt lebten zudem bis zu 1000 Menschen auf engstem Raum. Es werde angestrebt, solche Notunterkünfte zu leeren. Dass es in Lorsch bislang laut Schönung „fast keine Probleme“ gab, sei auch den vielen Unterstützern zu verdanken. Gelobt wurde etwa das Engagement von Ehrenamtlichen in der Ökumenischen Flüchtlingshilfe Lorsch (ÖFL). Es könnten sich in der Gruppe gerne noch mehr Lorscher einbringen, erklärte ein ÖFL-Mitglied.

Es gäbe in Lorsch auch noch mehrere leere Wohnungen und Häuser, die für die Unterbringungen von Flüchtlingen genutzt werden könnten, sagte Schönung. Er warb zum wiederholten Mal bei Eigentümern für das Projekt „Vermiete doch an die Stadt“. Der zuvor verpachtete Acker am Ende der Lagerhausstraße gehöre der Stadt, deshalb könne sie nun dort Flüchtlinge unterbringen.

Zwei Wohnblöcke geplant

Die Arbeiten zur Vorbereitung der Fundamente sind angelaufen, ab Juli sollen die zweistöckigen Container, die die Stadt betreiben wird, stehen. Die 100 Container sollen zwei Wohnblöcke aus je 50 Einheiten bilden, 27 Meter lang, 16 Meter tief. „Lorsch macht keinen Gewinn“, erinnerte der Bürgermeister. Man werde im Gegenteil jeden Monat „drauflegen“, so Schönung mit Blick auf die monatlichen Rechnungen, die an den Container-Vermieter zu bezahlen sind.

Die Situation bedeute eine „Riesenherausforderung“, räumte Schönung ein. Sie sei aber – auf der kommunalen Ebene – momentan nicht zu ändern. „Wir sind nur die kleine letzte Instanz.“

120 Plätze in Wohncontainern seien besser als in Zelten. Auch sie dürften aber rasch belegt sein, hieß es beim Infoabend. Langfristig würden Umzüge in Wohngebäude angestrebt.

Redaktion

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