Erstes Allgemeines Babenhäuser Pfarrer-Kabarett

Pensionierter Landpfarrer brachte Publikum in Lindenfels zum Toben

Hans-Joachim Greifenstein widmete sich in seinem Auftritt im Lindenfelser Bürgerhaus der Politik, der Religion und den Absurditäten des Alltags.

Von 
Frederik Koch
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Beim Programm von Hans-Joachim Greifenstein traf Tiefgang auf trockenen Humor und Nachdenklichkeit auf hessische Lebensweisheit. © Thomas Neu

Lindenfels. Wenn ein Pfarrer in Rente geht, hört er nicht auf zu predigen – er fängt einfach anders an. Das bewies Hans-Joachim Greifenstein am Samstagabend im ausverkauften Lindenfelser Bürgerhaus, wo das „Erste Allgemeine Babenhäuser Pfarrer-Kabarett“ sein 17. Programm „Kettensegen im Greis-Saal“ vor 180 begeisterten und Zuschauern präsentierte. Eingeladen hatte der Förderverein des SV Lindenfels. Schon nach wenigen Minuten war klar: Hier trifft Tiefgang auf trockenen Humor, Nachdenklichkeit auf hessische Lebensweisheit.

„Da haben die mich einfach in Rente geschickt – das war ein Schlag. Vorher warst du was, jetzt bist du nichts mehr“, begann Greifenstein. Früher sei er „ein mittelmäßig begabter Landpfarrer“ gewesen, der in einer Gemeinde gepredigt habe, „wo nichts passiert ist – 22 regelmäßige Gottesdienstbesucherinnen, davon hat die Hälfte immer geschlafen“.

Die Vorstellung des „Ersten Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer-Kabaretts“ im Lindenfelser Bürgerhaus war mit 180 Zuschauern ausverkauft. © Thomas Neu

Doch mit dem Ruhestand kam nicht nur die freie Zeit, sondern auch der Stoff für zahllose neue Geschichten. Besonders herzlich lachte das Publikum, als Greifenstein von seiner Frau erzählte, die sich liebevoll auf die neue Situation eingestellt habe: „Bei uns in der Familie hat jeder was: Die Katze hat ihren Kratzbaum, der Hund hat seinen Kauknochen – und du kriegst einen Affenfelsen, hat sie gesagt. Und tatsächlich hat sie mir eine kleine Kanzel ins Treppenhaus gebaut, damit ich weiter predigen kann.“ Die Pointe folgte mit trockenem Unterton: „Aber sie hat gleich gesagt: Predigten anhören wird nicht zu den ehelichen Pflichten gehören. Dafür soll ich mir einen anderen Depp suchen. Und das hab ich auch gemacht.“

Sein Freund Rudi, ein ehemaliger Postbote, wurde so zum festen Bestandteil seines Programms. „Der Rudi hat mir erzählt, dass das früher noch ein hoheitlicher Akt war, bei der Post zu arbeiten. Heute steht da irgendein Kerl im ACDC-T-Shirt am Schalter – das hat doch keinen Stil mehr!“ Früher seien die Postboten mit Stolz unterwegs gewesen – und Rudi habe bei seiner Pensionsfeier sogar sagen können, dass seine Uniform „in 40 Jahren nicht mit einem einzigen Schweißtropfen in Berührung gekommen ist“.

Die Entwicklung der Werbung aufs Korn genommen

Gemeinsam hätten sie deshalb eine Selbsthilfegruppe gegründet: „Kamasutra – das steht für Kollektive Altenhilfe mit autonomer Selbstbeschäftigung und therapeutischer Ratgeber-Agentur“, erklärte Greifenstein. „Da sind mittlerweile einige drin, zum Beispiel ein ehemaliger Polizist, der aus purer Verzweiflung bei der Stadt gefragt hat, ob er eine Kreuzung kaufen könne, um sich im Rentenalter selbstständig zu machen.“

Greifenstein gelang es, Alltagsbeobachtungen, Politik und Religion so zu verweben, dass die Pointen nie platt, sondern immer feinsinnig wirkten. Mit Blick auf Donald Trump und die amerikanische Politik meinte er: „Wie kann ein Mann, der bei uns in der Kirche mit seinem Führungszeugnis keine Jugendgruppe leiten dürfte, Präsident der USA sein?“

Das Publikum applaudierte begeistert, als er vorschlug, Trump einfach offiziell zum „Weltdorftrottel“ zu erklären – „und wir fangen heute in Lindenfels damit an“ Doch Greifenstein blieb nicht beim Spott stehen, sondern fand versöhnliche Töne: „Ich bin überzeugt, dass Anstand, Höflichkeit und Respekt sich am Ende auszahlen. Und dass wieder andere Zeiten kommen.“ Auch dafür gab es langen Applaus.

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Jörg-Peter Klotz
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Neben der großen Politik widmete er sich den kleinen Absurditäten des Alltags. „Warum hängt mein PC sich auf und meine Wäsche nicht?“ oder „Früher hatten wir Angst vor Säbelzahntigern, heute vor der Seitenbacher-Werbung.“ Über die Entwicklung der Werbung meinte er: „Früher stand auf dem Shampoo ‚Wäscht sauber‘. Heute heißt es ‚Sei frei, verrückt und glücklich‘ – ich mein, wenn‘s Ebbelwoi wär, ja. Wenn das so weitergeht, steht irgendwann auf dem Klopapier: ‚Du hast so viel zu geben – lass los‘“ Der Saal tobte vor Lachen.

Greifenstein erzählte auch von seiner Kindheit: von „Schelleglocken“ (heute „Klingelstreich“ – „ein scheiß Wort“) und von der tratschfreudigen Nachbarin Frau Hüter. „Die war damals schon sowas wie ein lokaler Influencer – ihre Reichweite ging vom Anfang bis zum Ende der Straße.“

Zwei Stunden voller Witz, Geist und Herz

Später wurde Greifenstein nachdenklicher. Über Religion sagte er: „Es gibt gute Religion, die nimmt den Menschen die Angst. Und es gibt schlechte Religion, die macht den Menschen Angst oder schlägt Kapital daraus. Eine gute Religion ist für mich Frauenhilfe oder Seniorenkreis mit Eierlikör.“

Sein Nachbar Karl-Heinz lieferte den Stoff für politische Spitzen. „Wenn du die AfD wählst, um der Regierung einen Denkzettel zu verpassen, ist das so, als würdest du in der Wirtschaft die Kloschüssel leertrinken, weil dir das Bier nicht schmeckt.“ Und über den gesellschaftlichen Umgangston meinte Greifenstein: „Wenn sich 95 Prozent der Menschen benehmen würden wie ein wohlerzogenes Kindergartenkind, hätten wir eine bessere Gesellschaft als jetzt.“

Nach rund zwei Stunden voller Witz, Geist und Herz verabschiedete sich Greifenstein mit den Worten: „Es war ein wirklich schöner Abend – ohne euch wäre er blöd gewesen.“ Das Publikum dankte mit langem Applaus und forderte zwei Zugaben. In der zweiten erzählte er drei Witze seines verstorbenen Kollegen, darunter diesen: „Ein Mann nimmt einen Tramper mit. Der sagt: ‚Das ist ja echt nett – könnte ja auch gefährlich sein. Ich könnte ja ein Serienmörder sein.‘ Sagt der Fahrer: ‚Ach nein, das ist statistisch viel zu unwahrscheinlich, dass in einem Auto gleich zwei Serienmörder sitzen.‘“ Mit diesem schwarzen Humor endete ein Abend, der beides bot – großes Gelächter und kluge Nachdenklichkeit.

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