Lindenfels. Die evangelische Kirchengemeinde in Lindenfels feierte das 200-jährige Bestehen ihrer Kirche. Der Kirchenvorstand hatte im Anschluss an einen Festgottesdienst einen Empfang vorbereitet.
Propst Stephan Arras und Pfarrerin Nina Nicklas-Bergmann leiteten den Gottesdienst. An der Orgel begleitete Jens Hebenstreit die Liedtexte. Der ökumenische Kirchenchor unter der Leitung von Andreas Demmel gestaltete den musikalischen Rahmen mit.
Ökumene wird in Lindenfels gelebt, und so freute sich Jochen Ruoff, der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, darüber, dass gerade am Reformationstag, der auf die Spaltung der christlichen Kirche zurückgeht, beide Konfessionen vereint den Gottesdienst feierten.
„Es war im Jahr 1517, als der Geschichte nach Martin Luther die 95 Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg schlug“, erinnerte Propst Stephan Arras. „Eigentlich sollte es eine Einladung zu einer Diskussion sein.“ Doch es kam anders, die Spaltung der Kirche in katholisch und evangelisch war die Folge. Der evangelische Glaube splittete sich dann noch in lutherische und reformierte Gemeinden auf.
Im Stil der evangelisch-reformierten Kirche wurde die Kirche in Lindenfels vor 200 Jahren errichtet. Am Reformationstag 1825 wurde dort schon Gottesdienst gehalten. „Wie viele Menschen sind seitdem durch die Tür der Kirche gegangen, haben Gottesdienste, Hochzeiten und Taufen gefeiert?“, so Stephan Arras.
In den Mittelpunkt der Predigt stellte er die Übersetzung des jüdischen Glaubensbekenntnisses durch Martin Luther vorbereitet. In jüdischen Familien werden Zeilen einer Predigt in einer Mesusa, einem kapselähnlichen Gebilde, aufbewahrt und an den Türrahmen des Hauses angebracht. Wichtig seien drei Worte als der Schlüssel zum Glauben, so Arras.
Die Kirche als wichtiger Ort des Trostes
Ein Wort lautet: „Höre“. Damit sei nicht nur das Zuhören gemeint, sondern auch das Handeln danach. „Adonai“, steht für die Verschiedenheit Gottes. Das Wort Liebe bezeichnet nicht nur das Zusammensein zweier Menschen, sondern die Nächstenliebe und das Handeln, so dass es anderen Menschen gut geht.
Martin Luther habe anders gehört und wahrgenommen. Beim Lesen der Bibel sei ihm deutlich geworden, dass Gott gnädig und liebevoll sei. „Niemand muss Angst vor Gott haben.“ In der Folge wandte sich Martin Luther gegen die damals gängige Praxis des Verkaufens von Ablassbriefen durch die katholische Kirche. Mit den Briefen sollte es möglich sein, die eigenen Qualen oder die anderer Menschen im Höllenfeuer zu verkürzen oder zu vermeiden.
„Angst ist heute wieder ein Thema“, schlug Arras einen Bogen in die Gegenwart. Die Menschen hätten Angst vor der Spaltung der Gesellschaft, auch in Arm und Reich, und vor Kriegen und der Zukunft. Andere fürchteten, dass die Demokratie gefährdet sei, wieder andere fürchteten die Demokratie selbst.
„Gott schenkt uns Freiheit und das Vertrauen, dass wir die Welt mitgestalten können“, so Propst Stephan Arras. Ein wichtiger Ort des Glaubens und des Trostfindens in der christlichen Religion seien die Kirchen, deren Türen sich für die Menschen öffneten und deren Glocken weithin zu hören seien. „Die Menschen finden Besonnenheit, Kraft und Liebe in der Kirche, auch seit 200 Jahren in der Lindenfelser Kirche.“
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