Lindenfels. In der Bügevo (Bürgerinitiative Gesundheitsversorgung Vorderer Odenwald) hatten sich zeitweise fast 1000 Menschen zusammengeschlossen, um die Schließung des Lindenfelser Luisenkrankenhauses abzuwenden und sich für eine auskömmliche Gesundheitsversorgung in der Region einzusetzen. Nun, sechs Jahre nach der Schließung der Klinik, haben die Mitglieder die Auflösung beschlossen.
Es sei an der Zeit, „einzugestehen, dass wir zwar vereinzelt Gutes tun können, indem wir Einrichtungen in diesem System unterstützend unter die Arme greifen, wir jedoch nicht in der Lage waren zerschlagene Eckpfeiler, wie gerade das Luisenkrankenhaus, wieder zum Leben zu erwecken“, heißt es in einer abschließenden Stellungnahme der Initiative. An der letzten Versammlung der Bügevo im Lindenfelser Bürgerhaus nahmen nach Angaben des Stellvertretenden Vorsitzenden Joachim Wahlig 32 Mitglieder teil. Sie stimmten zu, die Auflösung einzuleiten. „Zum Schluss hatte die Bürgerinitiative noch 712 Mitglieder“, fuhr Wahlig fort.
Rest des Etats wird gespendet
In den vergangenen Monaten hatte die Initiative, die seit 2016 den Status eines Vereins hatte, noch einmal mehrere Spenden übergeben, etwa für die Aktion Behindertes Kind und für den Bau eines Auszeitraumes in der Beerfurther Grundschule. Der Rest ihres Etats solle verschiedenen gemeinnützigen Organisationen zugutekommen, sagte Wahlig.
Der Südhessische Klinikverbund, Träger der Luise, hatte im Februar 2016 Insolvenz angemeldet, was letztlich das Aus für die Klinik bedeutete. Das wollte die Bügevo aber nicht sang- und klanglos hinnehmen. Die Initiative drängte in der Öffentlichkeit vehement auf einen Erhalt der Klinik. Sie nahm an den regelmäßigen Montagsdemonstrationen teil und rief unter anderem zu einer Bittprozession in Mainz auf, dem Sitz des katholischen Bistums. 100 Odenwälder nahmen teil.
Wahlig, selbst Chefarzt der Chirurgie im Luisenkrankenhaus, entwarf damals mit einigen Mitstreitern ein Konzept für ein kleines, genossenschaftlich getragenes Krankenhaus, Luise light genannt. Am Ende rettete das die Klinik nicht: Von den beiden Kirchen fehlten Zusagen, sich am Startkapital zu beteiligen, weshalb sich das Land Hessen weigerte, eine Bürgschaft zu übernehmen, mit der der Betrieb übergangsweise hätte gewährleistet werden können.
Bei der letzten Sitzung sei schon ein gewisser Frust spürbar gewesen, weil es damals an 300 000 Euro scheiterte und die Mitglieder das Geld in Zeiten von Tankrabatten und Sondervermögen für die Bundeswehr viel schneller und leichter fließen sehen, beschreibt der frühere Chefarzt die Stimmung. „Der politische Wille hat damals gefehlt“, blickt Wahlig zurück. Er vermutet, dass mancher Verantwortliche keine Konkurrenz für das Kreiskrankenhaus wollte.
Genossenschaft als Vermächtnis
Als ein Vermächtnis der Bügevo und ihrer Bemühungen sieht Wahlig die Ärztegenosssenschaft im Vorderen Odenwald (Ägivo) in der viele Inhalte aus dem Konzept Luise light fortgeführt werden, etwa der genossenschaftliche Betrieb von medizinischen Einrichtungen. Auch sonst blieb die Initiative nach der Schließung der Luise nicht untätig. Vorsitzende war zuletzt Christiane Hennrich. Der Verein spendete für die Voraushelfer-Teams in Lindenfels, Gorxheimertal, Mörlenbach und Zwingenberg und warb mit Aufkleber-Aktionen für eine bessere medizinsche Versorgung vor Ort.
Als zu Beginn der Corona-Krise eine Reaktivierung der Luise Thema wurde, sprach sich der Verein vehement dafür aus. Zur Wiederbelebung des Krankenhauses kam es aber nicht. Es wurde verkauft, seit Ende Juni ist es nun übergangsweise Unterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine. Mittelfristig planen die Eigentümer nach eigenen Angaben Angebote für Betreutes Wohnen auf dem Gelände der früheren Luise.
„Abschließend lässt sich nur nochmals betonen, dass Meinungsgeber, die dem Abbau unseres Gesundheitssystems Vorschub leisteten, wie das Institut Leopoldina, die Bertelsmann Stiftung oder das Barmer-Institut, ganze Arbeit geleistet haben. Diese sorgen seit Jahren dafür, dass kleine Kliniken als teuer, ineffizient und qualitativ schlechter disqualifiziert werden“, kritisiert die Bügevo im letzten Kommuniqué. Fallpauschalen für lukrative Eingriffe flössen in größere Kliniken, die Grundversorgung in kleineren Kliniken falle dabei hinten runter. „Auch wird völlig ignoriert, dass in kleinen Kliniken ein nicht minder fähiges und fachkundiges Personal vorgehalten wird“, schreibt die Bügevo.
Sorgen macht den Mitgliedern die „reihenweise Schließung von Hausarzt- und Facharztpraxen aus Altersgründen“. Der Ägivo müsse die Politik viel mehr Beachtung schenken und sie unterstützen. Den „Mangel an Wertschätzung gegenüber den Pflegekräften“ sieht die ehemalige Bürgerinitiative als weiteres Problem: „Diese benötigen keinen Applaus, sondern schlichtweg bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen“.
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