Lindenfels. Schon seit sechs Jahren arbeitet die Stadt Lindenfels darauf hin, in der Verlängerung der Ludwig-Schüßler-Straße in Kolmbach ein neues Baugebiet („Im Hergesgrund“) zu schaffen, das Platz für Wohnen und Gewerbe in Mischnutzung bietet. 2019 hatte Bürgermeister Michael Helbig im Lindenfelser Bauausschuss mitgeteilt, dass dazu eine Zusammenarbeit mit der Bauland-Offensive Hessen geprüft wird. Das Unternehmen – eine Tochter der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte, die wiederum mehrheitlich dem Land gehört – arbeitet mit dem Kreis Bergstraße zusammen, indem es etwa den Kommunen dabei hilft, Grundstücke auf ihre Eignung als Bauland zu überprüfen.
Im September 2018 hatte der Kreistag entschieden, 391.000 Euro bereitzustellen, mit denen Bauland-Gutachten in Städten und Gemeinden bezahlt werden können. Einziger Kandidat für eine Zusammenarbeit mit der Bauland-Offensive war Helbig zufolge das Gebiet in der Verlängerung der Ludwig-Schüßler-Straße. Andere Gebiete erfüllten nicht die Vorgaben – auch, weil die Bauland-Offensive erst ab einer Größe von einem halben Hektar tätig werde. In Kolmbach ist das Areal größer und somit bestens für dieses Vorhaben geeignet.
Auch Gewerbegebiet „Im Gehren“ könnte erschlossen werden
Ursprünglich wollte die Bensheimer Dreher-Immobiliengesellschaft mit den beiden Investoren Horst und Maximilian Dreher in der Ludwig-Schüßler-Straße/West Doppelhäuser bauen und verkaufen. Diesen Plan hatte sie dann allerdings wieder verworfen, wie im Oktober 2023 bekannt wurde. Sie begründete dies mit der damaligen wirtschaftlichen und zinspolitischen Situation. Daraufhin erwog die Stadt Lindenfels, das Gebiet in Eigenregie zu erschließen. Dies soll in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Lautertal geschehen, da beabsichtigt ist, auf einem Grundstück auf der Gemarkung Kolmbach ein gemeinsames Feuerwehrgerätehaus für Gadernheim und Kolmbach sowie ein Gebäude für eine gemeinsame Wasserversorgung für Lautertal und Lindenfels zu errichten. Außerdem wird geprüft, ob auch der Bauhof der Stadt Lindenfels dort untergebracht werden soll.
Gleichzeitig mit dieser Maßnahme könnte laut Stadtverwaltung auch das Gewerbegebiet „Im Gehren“, das sich gegenüber der Druckerei Groer & Möhler an der B47 befindet, erschlossen werden. „Hier wäre entweder noch eine Vereinbarung mit dem Grundstückseigentümer der Ausgleichsfläche ,Im Gehren‘ zu treffen oder den Bebauungsplan in einem Verfahren zu aktualisieren und mit den Ökopunkten zu arbeiten. Das bietet sich an der Stelle an“, schreibt die Stadtverwaltung dazu.
Verkäufe werden die Erschließungskosten nicht komplett decken
Zumindest zum Baugebiet in Verlängerung der Ludwig-Schüßler-Straße hat der Lindenfelser Bauausschuss jetzt seine offizielle Zustimmung gegeben. Einstimmig befürworteten die Mitglieder am Montag den Grundsatzbeschluss zur Planung und Erschließung des Gebiets. Jedoch sorgte in der Sitzung der Hinweis von Bürgermeister Michael Helbig, dass der Stadt die Ausgleichsflächen für das Bauvorhaben fehlen und stattdessen die angesammelten Ökopunkte dafür verwendet werden könnten, für eine gewisse Irritation.
Martin Krey (Grüne) verglich dieses Vorgehen mit dem mittelalterlichen Ablasshandel und zeigte sich verstimmt darüber, dass der Planer gesagt habe, dass man die Ökopunkte verwenden solle, da sie sonst verfallen. „Die Ökopunkte verfallen nicht“, versuchte Helbig zu beschwichtigen. „Sie sind im Grundbuch eingetragen und man kann sie für die Eigenentwicklung nutzen. Es ist auch möglich, dass gar keine Ökopunkte nötig sind, wenn naturnah gebaut wird.“
Zudem sprach Krey die Erschließungskosten an, die laut den Unterlagen mindestens einen hohen sechsstelligen Betrag verursachen werden. „Das sind also etwa eine Million Euro. Gibt es dafür unterstützende Töpfe?“, fragte er in der Hoffnung auf mögliche Zuschüsse, da er bezweifelte, dass diese Summe allein durch die Grundstücksverkäufe wieder reingeholt werden wird. „Es wäre unlauter zu sagen, dass die Erschließung nichts kostet oder dass wir auf Null dabei rauskommen“, entgegnete Helbig. Zwar werde man durch die Verkäufe gewisse Erlöse generieren, aber: „Sie werden die Erschließungskosten nicht komplett decken“, so Helbig.
Martin Krey spricht sich gegen Einfamilienhäuser aus
Immerhin befinden sich die Grundstücke auf Kolmbacher Seite alle in städtischem Besitz. Hier entstehen für den Erwerb also keine Kosten. Auch die damaligen Planunterlagen der Firma Dreher vom Bensheimer Ingenieurbüro Schweiger und Scholz können nach wie vor verwendet werden. Und möglicherweise gibt es die Chance auf Förderung, wenn das Baugebiet beispielsweise zusammen mit Geothermie oder einem Blockheizkraftwerk gebaut werde, so Helbig. Dies sei aber eine Fragestellung für die Zukunft. „Jetzt geht es erstmal darum, zu klären, ob das Baugebiet überhaupt erschlossen werden soll“, warb der Bürgermeister um eine positive Abstimmung, da er in der Erschließung großes Entwicklungspotenzial für Lindenfels sieht.
„Dann sollten wir aber nicht nur Einfamilienhäuser dort hinstellen. Denn wenn wir keine Abnehmer dafür finden, müssen wir die Folgekosten tragen“, appellierte Krey. „Ich denke, dass uns eine gewisse Verdichtung bei der Bebauung vorgegeben wird“, wandte Helbig ein. „Ich selbst sehe dort auch einen Geschosswohnungsbau, aber man muss schauen, was im Odenwald so gebaut wird und was der Markt hergibt.“
Zweckverband KMB agiert als gemeinsamer Dienstleister
Auch Thomas Bauer (SPD) und Inge Morckel (FDP) versuchten zu beruhigen und erklärten, dass der Beschlussvorschlag vor allem dazu diene, zu signalisieren, dass man grundsätzlich bereit ist, mit der Gemeinde Lautertal das Gebiet zu entwickeln. „Die genauen Verträge werden erst danach ausgearbeitet“, so Morckel. Die CDU betonte ebenfalls die Bedeutung des Vorhabens: „Das ist sehr, sehr begrüßenswert und wichtig, neuen Wohnraum und Gewerbe zu schaffen. Und es ist eine gute Idee, dort das Gerätehaus für die Feuerwehren Kolmbach und Gadernheim zu bauen“, sagte Sebastian Schmitt.
Da die zu erschließenden Flächen der Stadt Lindenfels und der Gemeinde Lautertal unmittelbar aneinander grenzen, hat man sich aus wirtschaftlichen Gründen dazu entschlossen, die Planung und Erschließung des Wohn- und Gewerbegebietes durch den Zweckverband Kommunalwirtschaft Mittlere Bergstraße (KMB) als gemeinsamen Dienstleister erledigen zu lassen, um so von Synergiepotenzialen zu profitieren. Mit dem Beschlussvorschlag wird zugleich der Grundstein in Bezug auf die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung gelegt: „Eine Entwässerung der auf der Gemarkung Lindenfels liegenden Flächen wäre aus topographischen Gründen nur in Richtung Lautertal zur Kläranlage in Bensheim wirtschaftlich zielführend. Durch die Entwässerung der auf der Gemarkung Lindenfels liegenden Grundstücke in Richtung Lautertal muss die Aufgabe ,Abwasserbeseitigung‘ von der Stadt Lindenfels auf die Gemeinde Lautertal durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung übertragen werden“, heißt es in der Gremienvorlage.
Lautertal kümmert sich um Abwasser und Straßenbau
Nur so bestehe die Möglichkeit, dass der Abwassertransport und die Abwasserreinigung durch den KMB und deren Anlagen erfolgen und die Gemeinde Lautertal von den betroffenen Grundstückseigentümern die Abwassergebühren erhebt. Die Herstellung und der Betrieb der Wasserversorgung sollen hingegen durch die Stadt Lindenfels erfolgen.
Aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung könnte der KMB für die Gemeinde Lautertal auch den Straßenbau planerisch und bautechnisch umsetzen. Zur Durchführung der Steuerungsleistungen erhält der KMB von der Stadt Lindenfels ein Dienstleistungsentgelt in Höhe von fünf Prozent der insgesamt anfallenden Projektkosten (Planungsleistungen, Baunebenkosten, Bauleistungen).
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