Justiz

Mordfall Hoffmann: Staatsanwaltschaft fordert lebenslänglich

Im Prozess um den Cold Case Jutta Hoffmann zeigt sich ganz zum Schluss: Viele Fragen sind offengeblieben. Die Verteidigung sagt: "Im Grunde wissen wir nichts". Und doch hält die Staatsanwaltschaft an ihren Vorwürfen fest

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Agnes Polewka
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Der 62 Jahre alte Angeklagte mit seinen Verteidigern Ralf Hannig (l.) und Andreas Sanders (r.) am ersten Prozesstag. © dpa/Helmut Fricke

Lindenfels/Darmstadt. Was passierte am 29. Juni 1986 mit Jutta Hoffmann? Um diese Frage kreist der Prozess vor dem Landgericht in Darmstadt, der den gewaltsamen Tod der 15-Jährigen aus Lindenfels im Odenwald juristisch aufarbeiten soll. Angeklagt ist der 62-jährige Peter F., er soll Jutta Hoffmann vor über 37 Jahren in einem Waldstück in ihrem Heimatort getötet haben. Der gebürtige Bensheimer ist wegen Mordes angeklagt, eine der wenigen Straftaten, die nie verjähren.

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt davon, dass Peter F. Jutta Hoffmann zunächst vergewaltigte und sie dann ermordete, um die Sexualstraftat zu vertuschen. Staatsanwältin Eva Heid forderte am Mittwoch eine lebenslange Haftstrafe für den 62-Jährigen.

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Ein DNA-Treffer führte Ermittler nach über drei Jahrzehnten im Spätsommer zu dem mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter. Was danach folgte, sei „ein langer Weg“ gewesen, sagte Staatsanwältin Heid am Mittwoch in ihrem Plädoyer. Jedes kleinste Detail sei ausgeleuchtet worden, und die Ermittler entschieden sich dazu, manche Dinge in diesem Fall anders zu machen, in „kreativer Art und Weise“. "Wir haben fast alle Möglichkeiten der Strafprozessordnung ausgeschöpft", sagte Heid. Was das bedeutete, erfuhr die Öffentlichkeit an zehn Verhandlungstagen peu à peu:

Wegen Sexualstraftaten bereits verurteilt 

Nach über drei Jahrzehnten untersuchten Ermittler des LKA alte Beweismittel auf DNA-Spuren - und landeten einen Treffer, der sie zu Peter F. führte. Der mehrfach vorbestrafte Sexualstraftäter befand sich damals - im Jahr 2020 - im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus in Norddeutschland. Der Grund dafür: Peter F. hatte über eine Annonce im Internet eine Babysitterin für sein zweijähriges Kind gesucht, das es nicht gab. Eine Studentin meldete sich, verabredete sich mit ihm, F. schlug ein Kennenlerntreffen mit dem Kind vor, und bei diesem Treffen versuchte er, die Frau zu vergewaltigen, die sich massiv wehrte und fliehen konnte.

Bereits zuvor verbüßte F. Haftstrafen wegen anderer Vergewaltigungsfälle. Eine Frau solle er mit einer Gaspistole, eine andere mit einem Messer bedroht, sie stranguliert und an der Heizung festgebunden haben.

Sein erstes bekanntes Opfer entging Anfang der 80er-Jahre einer Vergewaltigung nur knapp, später soll Peter F. ihr Drohbriefe geschrieben haben, in denen er seine Gewaltfantasien ausführte.

Verdeckter Ermittler eingeschleust

Weil die LKA-Mitarbeiter wussten, dass die DNA-Spur allein nicht beweiskräftig genug war, entschieden sie sich dazu, einen verdeckten Ermittler im Umfeld des 62-Jährigen einzuschleusen, der sich als ehrenamtlicher Mitarbeiter eines Tierheims ausgab, in dem Peter F. regelmäßig einen Hund ausführte.

Peter F. fasste Vertrauen zu „Mirko“, so der Deckname des Mannes. Beide gingen regelmäßig spazieren, trafen sich in dessen Strandhaus. Auch am 22. März 2023, wo „Mirko“ die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY…ungelöst“ abspielte – und beobachtete, wie Peter F. nervös wurde, seine Hände knetete, während die Fernsehsendung um den Cold Case Jutta Hoffmann kreiste.

Ermittlerin Tanja Becker war im Studio zu Gast, sprach über Spuren, die nach Norddeutschland führten, und lancierte einen Hinweis: „Es gibt eine Mitteilung darüber, dass der Name Peter eine Rolle spielen könnte“.

Der verdeckte Ermittler sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor Gericht aus. Eva Heid beschrieb in ihrem Plädoyer, dass F. laut dem verdeckten Ermittler körperlich auf die Sendung reagiert habe, und irgendwann an diesem Abend gar nichts mehr gesagt habe, weil er so damit beschäftigt gewesen sei, neue Hinweise in dem Fall im Netz zu recherchieren. Aber er habe die Tat bestritten, so Heid.  

Hat Peter F. Täterwissen gegenüber einem Pfleger preisgegeben?

Zurück in der Psychiatrie habe die Ausstrahlung ihn weiterhin sehr beschäftigt, einem  Pfleger gegenüber sprach F. über Details, die sich auf keiner Internetseite fanden, die der Angeklagte – so die Auswertungen der Ermittler - über sein Smartphone besuchte: Er sprach darüber, dass Jutta Hoffmann mit einem Messer ermordet worden sei. Und ihr Leichnam nur „10 bis 15 Meter“ von einer Stelle entfernt gefunden worden sei, an der sich ein vermisster, verwirrter Senior befunden habe, der am Folgetag schließlich von einem Suchtrupp gefunden wurde, der den Wald wegen Jutta Hoffmanns Verschwinden durchstreifte.

In den folgenden Tagen erfuhr F. dann, dass er tatverdächtig war. 

Noch bleiben viele Fragen offen

Seit Mitte November wird der Fall in Darmstadt verhandelt, doch auch kurz vor Schluss zeigte sich am Mittwoch, dass viele Fragen bislang unbeantwortet geblieben sind. Rechtsanwalt Andreas Sanders aus Darmstadt, einer der beiden Verteidiger des Angeklagten, sprach in seinem Plädoyer von einer „aneinandergereihten Indizienkette, die willkürlich und kreativ“ von der Staatsanwaltschaft zusammengesetzt worden sei.

Welche Indizien? Da wäre etwa der Spaten, der in den 80er-Jahren im Fall Jutta Hoffmann von der Polizei sichergestellt wurde. Am Stiel fanden Ermittler im Sommer 2020 eine DNA-Spur, die mit der DNA von Peter F. übereinstimmte. Mit dem Spaten soll der mutmaßliche Täter die Grube ausgehoben haben, in der er Jutta Hoffmanns Leichnam verscharrte. Aber wie und wann kam der Spaten zur Polizei? Und wie kam die DNA-Mischspur – wahrscheinlich eine Hautschuppe von Peter F. - an den Stiel? Und vielleicht noch wichtiger: Wann? Während der Tat? Oder vielleicht davor, möglicherweise auch danach? Vielleicht hatte F. den Spaten nie in der Hand, und die Spur wurde „sekundär“ angetragen?

Weitere Indizien in dem Fall: Blutspuren an Jutta Hoffmanns Kleid, ein Rippenknochen, der einen glatten Schnitt aufweist – womöglich ein Hinweis auf eine Verletzung mit einem Messer. Jutta Hoffmanns Gürtel, der ihr womöglich um den Hals gelegt worden war. Hinweise darauf, dass sich Peter F. im Sommer 1986 in Südhessen aufhielt.

Es gab auch Kritik an den Methoden der Ermittler

„Im Grunde wissen wir nichts“, sagte Sanders in seinem Schlussvortrag. Man wisse nicht, wie Jutta Hoffmann zu Tode gekommen sei, ob tatsächlich ein Messer zum Einsatz gekommen sei. Auch ob sie tatsächlich vergewaltigt worden sei, könne man nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht handele es sich bei der Spur, die Sperma sein könne, auch um Scheidensekret.

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Und: Der Rechtsanwalt kritisiert die Methoden der Ermittler scharf, die Grenzen einer „kriminalistischen List“, von der Ermittlerin Tanja Becker zu Beginn der Verhandlung sprach, seien durch den Einsatz des verdeckten Ermittlers und den lancierten Hinweis in der Fernsehsendung weit überschritten worden. Seiner Ansicht nach sind sie nicht verwertbar. Aber: Die Frage nach der Verwertbarkeit werde ohnehin obsolet, so Sanders, weil nach der Hauptverhandlung so viele Zweifel geblieben seien. Und so forderte die Verteidigung einen Freispruch für Peter F. 

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