Lindenfels. Dass die SPD-Kreistagsfraktion sich in diesem Sommer mit dem Thema Trinkwasser beschäftigen würde, wurde schon vor Monaten festgelegt. Darauf wies der Vorsitzende Josef Fiedler gleich zu Beginn des Ortstermins in Lindenfels hin. Anlass sei der im Februar vorgelegte neue Wasserwirtschaftsplan des Landes Hessen. Durch die wochenlange Trockenheit bekommt das Thema aber nun unverhofft zusätzliche Aktualität.
In Lindenfels ist dabei aber zurzeit noch keine Rede von einem Notstand, wie Bürgermeister Michael Helbig berichtete. „Wasserknappheit haben wir noch nicht. Die Leute verhalten sich vernünftig.“ Ein „Sorgenkind“ sei nur das Netz in Seidenbuch. Dort gibt es seit Jahren immer wieder einmal Probleme.
Auch in diesem Jahr laufe „der Krehberg leer“, was auch auf der anderen Seite, im Lautertaler Ortsteil Schannenbach spürbar sei. Dagegen gebe es im kleinen Stadtteil Winkel das meiste Wasser. Weil das so ist, hat die Stadt schon vor Jahren einen Verbund zwischen Winkel, Winterkasten und Kolmbach geschaffen, dessen Rückgrat der 2004 eingeweihte Hochbehälter Dornklingen ist.
Einen weiteren Verbund gibt es zwischen Eulsbach, Schlierbach und Lindenfels. Mit überschüssigem Wasser aus dem Schlierbachtal wird die Kernstadt mitversorgt. Glattbach und Seidenbuch haben autonome Netze.
Michael Helbig wies darauf hin, dass die Trinkwasserversorgung in Lindenfels ganz anders aufgestellt sei als im Ried. Bemerkenswert dabei das Staunen der Kreistagsmitglieder, als der Lindenfelser SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Bauer den Wasserpreis von rund vier Euro pro Kubikmeter nannte.
Michael Helbig machte deutlich, dass das dezentrale Netz der Stadt in der Unterhaltung ungleich teurer sei als die Anlagen der Riedgruppe Ost im Jägersburger Wald. Das fängt schon bei den Leitungslängen an, wo die Stadt Lindenfels zur Versorgung ihrer rund 5000 Einwohner etwa 60 Kilometer Rohrleitungen benötigt. Außerdem sind viel mehr Ausgaben für die Überwachung der Wasserqualität nötig. Thomas Bauer sagte denn auch: „Das Wasser kann nicht billig sein.“
Laut Bürgermeister Helbig hat die Stadt jedes Jahr 200 000 Euro für Arbeiten an der Wasserversorgung im Haushalt eingeplant. Und die würden auch gebraucht. „Im Ried haben wir eine komplett andere Situation, aber die gleichen Standards.“
Wobei Ehrenstadtrat Otto Schneider darauf hinwies, dass der Wasserpreis kein Politikum sei. Die Bürger schauten weniger aufs Geld als auf die Versorgungssicherheit. Wenn kein Wasser aus dem Hahn komme, werde es für die Verwaltung ungemütlich. „Mit dem Thema Wasser kann man Wahlen verlieren“, erinnerte Schneider an die 60er Jahre.
Nachdem im trockenen und heißen Sommer 1963 in Lindenfels die Versorgung teilweise zusammengebrochen sei, habe die SPD bei der Kommunalwahl 1964 deutliche Einbußen erlitten. Es habe dann Jahrzehnte gedauert, bis die Sozialdemokraten die Konkurrenz aus Lindenfelser Wählergemeinschaft und CDU wieder hätten überflügeln können, so Schneider. Die Bürger – und auch die Politik – würden zunehmend nervös, stellte der frühere Erste Stadtrat und Stadtverordnete fest. Daher riet er seinen Parteifreunden, nicht mehr lange zu diskutieren, sondern zu handeln.
Wohin mit dem Überschuss?
Der neue Wasserwirtschaftsplan des Landes kommt dabei bei Bürgermeister Helbig nicht gut an. Es sei wichtig, darauf zu achten, was genau geplant sei. Es könne nicht angehen, dass die Stadt dazu gezwungen werde, Reserven aufzugeben. So gebe es derzeit ein Dargebot von rund 600 000 Kubikmetern im Jahr. Verkauft würden aber nur 200 000 Kubikmeter. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein vernünftig denkender Mensch Quellen zuschüttet“, so Helbig.
Überschüssiges Wasser an andere Kommunen zu verkaufen, ist auf dem Papier eine gute Idee. Dazu brauche es aber potenzielle Kunden, und dann müssten Leitungen gebaut werden, sagte Michael Helbig. Thomas Bauer ergänzte, aus Kolmbach könne etwa die Gemeinde Lautertal mitversorgt werden. Die Nachbarkommune habe sich aber stattdessen für eine Teil-Versorgung durch die Riedgruppe entschieden.
Dass Lindenfels so viel Wasser hat, macht aber zum Beispiel den Betrieb des Freibads erst möglich. Denn im Unterschied zu anderen Bädern wird hier das Wasser nicht umgewälzt. Stattdessen speisen Quellen das Becken, und der Überlauf fließt direkt ins Schlierbachtal. 60 bis 80 Kubikmeter Wasser kämen pro Tag frisch ins Bad, berichtete Michael Helbig. Dadurch sei weniger Chlor erforderlich und der Inhalt im Schwimmbecken habe eine ganz andere Qualität als in Bädern, in denen das Wasser aufbereitet werde. Das bestätigten Besucher der Einrichtung immer wieder.
Helbig sagte, die Stadt sei mit der gemeinsamen Wassermeisterei von Lautertal und Lindenfels gut aufgestellt. Dort seien drei Mitarbeiter beschäftigt, und die würden auch gebraucht. Anders als im Ried könne die dezentrale Versorgung in Lindenfels nicht von einem Leitstand aus gesteuert und überwacht werden. Die Mitarbeiter müssten stattdessen draußen in den Anlagen sein.
Zum Wasserpreis hatte Michael Helbig noch eine gute Nachricht: Der könnte im nächsten Jahr leicht sinken. Denn durch die Belegung des alten Krankenhauses mit Flüchtlingen erwartet die Stadt einen Anstieg des Verbrauchs um rund 10 000 Kubikmeter – also höhere Einnahmen bei weitgehend gleichbleibenden Kosten.
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