Lindenfels. Die evangelische Kirche in Lindenfels platzte aus allen Nähten. Selten ist sie bei Gottesdiensten so voll wie beim zweiten Auftritt von Sopranistin Emma Kindinger und Pianist Alexandro Agopyan. Seit zwei Jahren studiert Emma Kindinger aus Lindenfels am Mozarteum in Salzburg klassischen Gesang. Alexandro Agopyan studiert in Berlin Musikwissenschaften und Philosophie. Beide haben an der Martin-Luther-Schule in Rimbach ihr Abitur gemacht.
Jochen Ruoff, Vorsitzender vom Kirchenvorstand, begrüßte die Besucher. Er dankte den Mitarbeitern des Vereins Kubus, die trotz der Regenschauer die Gäste vor der Kirche bewirtet haben. Alexandro Agopyan begrüßte das Publikum mit den Worten: „Diesmal haben wir unser Konzert ,Im Zauberkreis der Nacht‘ genannt. Auf die Idee sind wir durch das Gedicht ,Beim Schlafen gehen‘ gekommen. Gefunden haben wir es in einem Gedichtband von 1914.“ Es sei ein guter Kontrast zum Konzert vom vorigen Jahr, das unter dem Titel Blütenstaub stand.
Die Lieder drückten die widersprüchlichen Gefühle der Menschen bei Nacht aus, zum Beispiel Liebe, Einsamkeit oder Sorgen. Zum Auftakt glänzte Alexander Agopyan mit Miroirs No.2- „Oiseaux Tristes“ vom französischen Komponisten Maurice Ravel. Ravels bekanntestes Stück ist „Bolero“, das mit seinem Flamenco-Rhythmus durch den Film „Carmen“ des Spaniers Carlos Saura weltberühmt wurde. Maurice Ravel lebte von 1875 bis 1937 und gehörte zu einer Gruppe von Musikern, Kritikern, Malern und Komponisten. Sie nannten sich „Die Apachen“ und zogen wie Stadtindianer durch das nächtliche Paris.
1905 komponierte Ravel die Miroirs, die „Spiegelbilder“, solo für Klavier. Die Mitglieder der Gruppe, denen Ravel die fünf Klavierstücke widmete, bezeichneten sich auch als „Nachtschwärmer“ oder „Nachtfalter“.
Zu seiner Zeit waren seine Kompositionen sehr umstritten, obwohl heute viele den Schwung und Rhythmus der spanischen Musik – Ravel stammte aus dem Baskenland – lieben.
Passend zu den Spiegelbildern von Ravel sind sieben frühe Lieder, wie „Die Nachtigall“, von Alban Berg. Geboren 1885 in Wien und gestorben 1935, galt Berg als vielseitig begabt sowohl in Literatur als auch Musik. Mit seiner jüngeren Schwester bekam er Klavierunterricht und begann im Alter von 16 Jahren, selber Lieder zu komponieren.
Im Oktober 1904 wurde ihm ein Kompositionskurs beim damals 30-jährigen Komponisten Arnold Schönberg angeboten. Sein Bruder reichte seine Kompositionen ein, und Alban Berg wurde aufgenommen. Berg war wie sein Lehrer Schönberg ein kritischer Geist. Bekannt wurde er durch die Oper Wozzeck, die er 1917 in enger Anlehnung an Georg Büchners Drama Woyzeck schrieb.
Viel Applaus für Melodien von Haydn und Verdi
Das Publikum applaudierte, aber nicht alle Zuhörer hatten offenbar mit so „schwerer“ klassischer Musik gerechnet. Robert Schumanns „Mondnacht“ und Johannes Brahms „Immer leiser wird mein Schlummern“ begeisterten im Anschluss. Emma Kindingers Stimme hat sich unter den fachkundigen Lehrern der Universität in Salzburg großartig entwickelt. Sie füllte den Raum der Kirche voll aus.
Viel Beifall erhielt Alexander Agopyan für die Klaviersonate Nr. 2 gis-Moll, Opus 19 – Sonate Fantasien – vom russischen Komponisten Alexander Skrjabin. Das Lied wurde begleitet vom Regen, der auf das Dach der Kirche prasselte. Ebenso feierte das Publikum Maurice Ravels „La Vallée des Cloches“ („Das Tal der Glocken“).
Der deutsche Komponist Richard Strauss vertonte im Alter von 21 Jahren zwischen August und Oktober 1885 acht Gedichte von Herrmann von Glim auf der Suche nach dem damaligen Zeitgeist. In Lindenfels hörte das Publikum davon „Letzte Blätter“, „Die Nacht“ und „Zuneigung“. Strauss vertonte auch Clemens von Brentanos Gedicht „Amor“, das viel Beifall bekam.
Den zweiten Teil des Konzerts eröffnete Alexandro Agopyan mit der Nocturne Nr. 16 von Frédéric Chopin. Der Titel ist im doppelten Sinn zu verstehen, für Musik die nachts im Freien gespielt wurde, um einer Angebeteten ein Ständchen zu bringen. Das Publikum war dann äußerst begeistert von der Arie der Flaminia: „Ragion nell‘alma siede“ („Die Liebe hat nun einmal größere Macht“) aus der Oper „Il mondo della luna“ von Joseph Haydn. Stimmgewaltig und mit viel Ausdruck sang Emma Kindinger das Stück.
Begeisterung und Applaus erhielt sie auch für „Caro nome“ aus der Oper Rigoletto von Giuseppe Verdi. Zum Abschluss gab sie „Je veux vivre“ aus „Roméo et Juliette“ von Charles Gounod. Die Oper in fünf Akten nach William Shakespeares Drama „Romeo und Julia“ begeisterte alle. Wenn sie auch aus dem Jahr 1867 stammt, wird sie immer noch an vielen Opernhäusern aufgeführt.
Für beide Musiker gab es nach dem Konzert stehende Ovationen. Als Zugabe gab es „Amor“ von Richard Strauss. Emma Kindinger freute sich über die vielen Glückwünsche und Gespräche mit Freunden und Weggefährten.
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