Lindenfels. Die evangelische Kirchengemeinde in Lindenfels feiert das 200-jährige Bestehen ihrer Kirche. Das Gebäude wurde im September 1825 fertiggestellt und steht dort, wo zuvor eine spätmittelalterliche kleine Kirche stand. Die war nach über 250 Jahren baufällig geworden. Nach einem Brand wurde sie noch einmal notdürftig instandgesetzt. 1823 wurde das Kirchlein dann abgerissen.
Ein Neubau wurde unumgänglich, er folgte im Jahr 1825. „Die Kirche ist nicht nur ein Raum, sie ist die Wohnung Gottes und offen für jeden Menschen“, so der Vorsitzende des Kirchenvorstandes Jochen Ruoff beim Festgottesdienst. „Die Kirche ist ein Teil der Gesellschaft und der Kultur.“
Dazu gehört in Lindenfels auch die Ökumene. Die Kirche habe in ihrer Geschichte immer wieder Veränderungen erfahren, nun müsse sie fit für die Zukunft werden. „Unser Ziel ist es, die Kirche zu einem Ort für eine lebendige Gemeinde zu machen und sie nicht nur für eine Stunde in der Woche zu öffnen.“
Was Jochen Ruoff meinte, wurde bei der Festansprache von Pfarrerin Jutta Grimm-Helbig deutlich. Grimm-Helbig war bis zu ihrem Ruhestand die letzte in Lindenfels amtierende Pfarrerin. Seit ihrem Ausscheiden ist die Stelle vakant und wird von Pfarrerin Nina Nicklas-Bergmann aus Fürth mitbetreut.
Jutta Grimm-Helbig hielt ihre Ansprache in Reimform, wofür sie viel Applaus von den vielen Besuchern in der Kirche erhielt. „Die Kirche wird 200 Jahr‘ und sie hat vieles gesehen, so manche Freud‘ und manches Leid.“ Natürlich seien auch viele Pfarrer gekommen und gegangen. Die Kirche lebe von Gottes Wort, das den Menschen Mut mache.
Jutta Grimm-Helbig ging auch auf die Geschichte der Kirche ein. Sie habe ihren Anfang genommen, als die Menschen noch zum Beten auf die Burg gehen mussten. Schließlich sei für sie eine Kapelle in der Stadt gebaut worden. Dann kam die Reformation; der Fürst bestimmte künftig die Konfession seiner Untertanen.
Die Kapelle in der Stadt wurde alt und baufällig. 1823 folgte der Beschluss, dass eine neue Kirche gebaut werden muss. Der bekannte Architekt Georg Moller wurde beauftragt. Sein Stil war schlicht, ohne viel Dekor. Aber Säulen mussten sein. „Er liebte den Raum sachlich und hell“, sagte Jutta Grimm-Helbig.
Bistrotische statt der Kirchenbänke?
Sein Mitarbeiter Johann Heinrich Lautenschläger setzte die Pläne schließlich um. Empore und Orgel wurden aber erst später eingebaut. Bibelverse und ein Christusbild zierten einst den Raum, aber die Geschmäcker änderten sich und heute gibt es neue Ideen.
Im Kirchenvorstand wurde aktuell überlegt, die Kirchenbänke herauszunehmen und Bistrotische hinzustellen sowie Vorhänge an die Wände zu hängen. „Die Kirche soll einladend werden.“ Es gibt den Vorschlag, eine Bibliothek einzurichten. „Ein Bett für Pilger passt auch noch rein“, meinte Jutta Grimm-Helbig. „Bei alledem lasst uns nicht vergessen, was wir schon jetzt haben besessen. Hier finden wir Ruhe, Kraft und Mut.“
Jutta Grimm-Helbig lud ein zum Singen von Liedern, die von Liebe, Hoffnung und Glaube erzählen und ein Zeichen für Frieden in der Welt sein sollen. In der Kirche sei jeder willkommen, auch um Brot und Wein zu empfangen. „Wenn auch in die Jahre gekommen, sie ist noch da, nicht nur für die Frommen, das ist wunderbar.“
Weitere Grußworte überbrachte Stephanie Schünemann von der evangelischen Kirchengemeinde in Fürth, die mit Lindenfels zum evangelischen Nachbarschaftsraum Odenwald-Nord gehört. Auch sie blickte auf die 200-jährige Geschichte der Lindenfelser Kirche. „Die Kirche ist ein Ort der Gemeinschaft, und in 200 Jahren haben viele Menschen in den Mauern Kraft geschöpft.“
Wolfgang Kaiser vom katholischen Pastoralraum Weschnitztal ging auf den Reformationstag ein. Er erinnerte daran, dass es der 31. Oktober 2022 war, als die evangelische und die katholische Kirchengemeinde in Lindenfels den gemeinsamen Vertrag zur Nutzung des Pfarrheims unterschrieben hatten. „Diese Lösung ist ökonomisch und ökumenisch sinnvoll“, so Kaiser. Der Reformationstag zeig, dass sich Kirche immer erneuern kann. Es sei aber wichtig, die Zeichen der Zeit zu erkennen.
Viel Lob für das Engagement der Kirchengemeinde
Für die Stadt gratulierte der Erste Stadtrat Thomas Bauer. Er hob die Kirche als festen Bestandteil im kulturellen Leben von Lindenfels hervor. Das Engagement der Kirche finde sich in der Jugendarbeit, in der Musik und in der ökumenischen Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche. „Ich wünsche der Kirche für die kommenden Jahre Zuversicht und Freude.“
Im früheren evangelischen Pfarrhaus ist heute das Drachenmuseum untergebracht. Alwin Schneider überbrachte Grüße von dort. Zu seinem Bedauern ist in vielen Darstellungen der Kirche der Drache das Symbol für das Böse. „Das ist nicht in allen Kulturen so.“ Wie Schneider ausführte, war der Drache bei den Römern ein Tier der Stärke, ebenso sei er in den Wappen der Kaiser zu finden und im chinesischen Reich positiv gesehen worden. Auch in Lindenfels sei es anders. Im ehemaligen Pfarrhaus sei das Drachenmuseum untergebracht. „Hier werden die Gemeinschaft und der Zusammenhalt gelebt.“ Lindenfels sei ein Ort der Gemeinschaft, das zeige sich auch an der Ökumene mit der katholischen Kirche.
Im Anschluss an die Festreden klang der Gottesdienst mit einem Sektempfang und einem Imbiss aus.
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