Wirtschaft - Das Gasthaus Zum Raupenstein im Lindenfelser Stadtteil ist dauerhaft geschlossen / Bäckereien gibt es dort im Moment ebenfalls keine mehr

Keine frischen Brötchen in Winterkasten

Von 
Philipp Kriegbaum
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Winterkasten. Als in Winterkasten 1983 die Kerb nach jahrzehntelanger Pause wieder einmal ausgegraben wurde, hatte die Kerbjugend die Qual der Wahl zwischen vier Gaststätten. Mit dem Corona-Lockdown am 15. März schloss die letzte von ihnen, das Gasthaus Zum Raupenstein. Heute steht fest: Auf Dauer. Auch frische Brötchen werden sich die Winterkäster künftig in einer der umliegenden Ortschaften besorgen müssen: Die Bäckerei Hofmann macht nach Weihnachten ebenfalls dicht.

„Leider muss unser Gasthof aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft geschlossen bleiben“, teilt die Wirtsfamilie Vollrath auf der Internetseite des Raupensteins mit. Gerald Vollrath wird demnächst 57. Mit 60, so erzählte er uns, habe er ohnehin aufhören wollen. Seine Tochter und die beiden Söhne hätten sich familiär und beruflich anderweitig orientiert.

Bandscheibenvorfall mit Folgen

Der Rücken zwickte Vollrath schon länger. Bei Reinigungsarbeiten im April krachte es dann richtig: Bandscheibenvorfall. Seitdem hat der Gastwirt ständig Rückenschmerzen. An stundenlanges Stehen in der Küche und schweres Heben ist nicht mehr zu denken. Deshalb blieben beim Jährling – so wird die Gaststätte nach dem Urgroßvater des Besitzers in Winterkasten genannt – nach dem Ende des ersten Lockdowns im Sommer die Lichter aus.

Eine Verpachtung kommt für Gerald Vollrath nicht in Frage: Nicht nur, dass Kollegen damit schlechte Erfahrungen gemacht hätten. Er kommt auch nur durch die Gaststätte in seine Wohnung. Praktisch, solange er selbst der Wirt war, aber schwierig bei einer Verpachtung.

Eine anlassbezogene Vermietung, zum Beispiel für die Konzertreihe „Folk in der Wertschafd“ des Lautertaler Kleinkunstvereins Doguggschde, kann er sich ebenfalls nicht recht vorstellen. Einen Verkauf will er dagegen langfristig nicht ausschließen. Für diese Überlegung sei es aber noch zu früh.

„Odenwaldstube“ ebenfalls zu

Am 1. Januar 1994 hatte Gerald Vollrath die Gaststätte von seinem Vater Philipp übernommen, einen Tag nach der Schließung des Gasthauses „Zur Sonne“. 26 Jahre später macht er nun seinerseits dicht, ein Jahr vor dem 150-jährigen Bestehen des Gasthauses Zum Raupenstein.

Ähnlich ist die Konstellation bei der Bäckerei von Heinrich Hofmann. Gesundheitliche Probleme waren auch hier der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Zweimal musste die Bäckerei deshalb in diesem Jahr schon vorübergehend geschlossen werden. Auch Hofmann hat keinen Nachfolger, geht wie Vollrath auf die 60 zu und hatte ohnehin schon mit dem Gedanken gespielt, den Betrieb einzustellen. Nach Weihnachten bleibt die Bäckerei nun geschlossen.

Geschlossen ist wegen des zweiten Lockdowns derzeit auch die Odenwaldstube in der Eleonoren-Klinik, einer von fünf Reha-Kliniken der DRV (Deutsche Rentenversicherung) Hessen. Das Café war vor Beginn der Pandemie gut frequentiert, nicht nur von Patienten der Klinik, sondern auch von Einheimischen und Spaziergängern. Der Kuchenverkauf aus dem Fenster lief durchgängig weiter, endete aber nach Weihnachten.

Im Herbst hat Betreiberin Sabine Sroka ihren Pachtvertrag fristgerecht zum Ende des Jahres gekündigt. Da musste sie sich entscheiden zwischen Kündigung und automatischer Vertragsverlängerung. „Im September ist es bei uns in der Familie rund gegangen“, sagt die scheidende Pächterin. Denn Tochter und Schwiegertochter waren ihre einzigen festangestellten Mitarbeiterinnen.

Zusätzliche Kosten

Der zum Schutz der Patienten in der Eleonoren-Klinik bis Ende Juli verlängerte Lockdown im Frühjahr, zunächst keine und dann nur wenige Patienten in der Klinik – da hatte Sroka nicht den Nerv, im Sommer die exakten Umsatzeinbußen aufzuschlüsseln. Das wäre die Voraussetzung für Verhandlungen mit der Klinikleitung über eine Reduzierung der Pacht gewesen. „In Kombination mit Frust über den Einnahmeverlust habe ich mir diesen Aufwand erspart“, sagte sie im Gespräch mit dieser Zeitung.

Als sie am 25. Juli wieder die Terrasse öffnen durfte, fielen erst einmal Kosten für zusätzliche Hygienemaßnahmen wie Spuckschutz an. Innenräume und Toiletten mussten zunächst geschlossen bleiben, Patienten streng von der Laufkundschaft separiert werden.

Die Pächterin sah keine Chance, ein sinnvolles Konzept für den Winterbetrieb zu entwickeln: Drinnen stehen aufgrund der Sicherheitsabstände nur 16 der 50 Sitzplätze zur Verfügung. Und die Rücklagen waren aufgebraucht.

Diese Gemengelage führte bei der Familie Sroka am Ende zum Entschluss, den Vertrag zu kündigen. Sroka: „Wenn wir zu diesem Zeitpunkt schon gewusst hätten, dass es November-Hilfe gibt, wäre er vielleicht anders ausgefallen“. Die gelernte Restaurant-Fachfrau ist 57 und möchte noch ein paar Jahre arbeiten. Auch ihre Bewerbung im Falle einer Neuausschreibung des Klinik-Café-Betriebes wollte sie nicht gänzlich ausschließen.

Über Ostern war die Eleonoren-Klinik komplett dicht. Nach Wiederöffnung wurde im Laufe des Sommers die Auslastung langsam hochgefahren. Seit September ist wieder etwa die Hälfte der 180 Patientenbetten belegt. Mehr geht wegen Corona nicht.

Über Weihnachten sind wie jedes Jahr weniger Patienten im Haus. Für Januar, verriet die kaufmännische Direktorin Birgit Friedrich, werde wieder die 50-Prozent-Marke angestrebt. Wann die Rehaklinik wieder unter Volllast laufen kann, hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.

Hoffnung auf einen Neubeginn

Zur Notversorgung der Patienten mit Getränken und Snacks wurden erst einmal Automaten aufgestellt. Die Klinik-Leitung habe großes Interesse, dass der Betrieb des Cafés bald weitergehe, betont Friedrich. Man wolle den Patienten die Freizeitgestaltung ein wenig erleichtern und ihnen die Möglichkeit zu geben, Kleinigkeiten in der Klinik zu kaufen. Ohne den kleinen Shop im Café können sie sich ohne Auto nicht einmal eine Tube Zahnpasta besorgen.

Auch externe Gäste sind im Klinik-Café weiterhin willkommen, „denn ohne diese würde sich der Betrieb des Cafés nicht rechnen“, weiß die kaufmännische Chefin der Anstalt.

Ausschreibung im Januar, Wiederöffnung im Frühjahr – so lautet ihr ehrgeiziger Plan. Über den Abschluss eines neuen Pachtvertrages entscheidet am Ende die Geschäftsleitung der DRV Hessen in Frankfurt. Die Zeit bis dahin soll für kleinere Renovierungsarbeiten genutzt werden. Angesprochen auf die Kündigung von Sroka sagt Birgit Friedrich: „Wir finden es sehr schade, es ist ein großer Verlust für die Klinik“. Das klingt fast so, als könne die neue Pächterin durchaus die alte sein.

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Nach und nach schlossen die Gaststätten

Bis Ende der 1980er Jahre gab es in Winterkasten vier Gaststätten: Zum Kaiserturm, Zum Raupenstein, Zur Sonne und Zur Traube.

Als erste schloss um 1990 der Kaiserturm, Ende 1993 auch die Sonne. Die Traube blieb noch bis in die 2010er Jahre offen, der Raupenstein bis zum Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020. Das Café Odenwaldstube in der Eleorenklinik schließt ebenfalls zum Ende dieses Jahres.

2004 eröffnete im früheren Friseursalon des Dorfs das Bistro Marmaris mit Döner und türkischen Spezialitäten. Das Vereinsheim des SV Winterkasten wurde vor einigen Jahren zu Zumra’s Bistro mit Spezialitäten vom Balkan.

Einen Saal für Tanzveranstaltungen und größere Gesellschaften wie in den Gaststätten Zum Kaiserturm, Zur Sonne und Zum Raupenstein gibt es nun in Winterkasten nicht mehr.

Mit der Metzgerei Blessing hatte im Sommer 2018 eine von den beiden Metzgereien den Betrieb eingestellt. Ende 2020 schließt nun auch die Bäckerei von Heinrich und Anita Hofmann. ppp

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