Natur

An der Burgmauer in Lindenfels wachsen viele Heilpflanzen

Bei der Führung durch den Lindenfelser Heilpflanzengarten erhielten die Teilnehmer Einblicke in die Wirkung und traditionelle Nutzung der heimischen Kräuter.

Von 
Gisela Grünwald
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Inge Morckel (Dritte von rechts) nahm die Gruppe auf eine Reise durch die Welt der Heilpflanzen. © Thomas Zelinger

Lindenfels. Rund 30 Teilnehmer aus nah und fern nahmen an der Führung von Inge Morckel durch den Lindenfelser Heilpflanzengarten an der Burgmauer teil. Am Eingang des Kurgartens begrüßte sie zusammen mit Dieter Adolph die Interessierten. Viele wollten den Heilpflanzengarten, den sie nur aus Erzählungen kannten, mit eigenen Augen sehen. Unter dem Motto „Vergessenes Wissen“ begann die Zeitreise.

Unter anderem entdeckte man dort den „Blauen Eisenhut“. Eine Pflanze mit blauer Blüte und tödlichen Inhaltsstoffen. Immer mal wieder wurde mit ihnen ein Ehepartner umgebracht. Inge Morckel wusste Spannendes zu erzählen.

Ein Teelöffel Rizinusöl bringt den Darm in Fahrt

Das Öl von der Rizinuspflanze hilft bei Verstopfung, ein Teelöffel genügt, um den Darm zu entleeren. Auch Pferdebesitzer nutzen Rizinusöl, wenn ihr Pferd unter einer Kolik leidet. Rizin pur in die Blutbahn gespritzt, wirkt tödlich, wie man bei Morden von russischen Dissidenten in Großbritannien gesehen hat. Gelangen geringe Mengen in die Blutbahn, kann derjenige nicht mehr gerettet werden.

In großen Mengen kann Fingerhut (Digitalis), der in den heimischen Wäldern blüht, giftig wirken. In richtiger Dosierung ist es ein gerne angewendetes Herzmedikament bei Hunden und Katzen, bis in die 90er-Jahre auch bei Menschen mit Herzproblemen.

Bis zum 19. Jahrhundert waren Heilkräuter die einzige Möglichkeit, um Arzneien herzustellen, betonten Dieter Adolph und Inge Morckel. Neben der Schulmedizin gab es schon immer „weise Frauen“, die um die Anwendung der wildwachsenden Heilkräuter wussten. Schon Kaiser Karl der Große ordnete 795 den Anbau von „Rosa canina“, der Heckenrose, in den Gärten seines Reiches an. Sie stärkt das Immunsystem, wirkt entzündungshemmend und antiviral. Aber erst in den Klostergärten des Mittelalters wurden Heilkräuter in großer Zahl auch angepflanzt. „Heute werden weltweit 450 Heilpflanzen genutzt“, so Inge Morckel.

„Ist das ein Ginkgo-Baum?“, fragte eine Teilnehmerin. „Ja“, antwortete die Fachfrau. „Ginkgo biloba ist eine der wirksamsten Pflanzen, wenn es um die Verbesserung der Konzentration und der mentalen Performance geht“, wusste Inge Morckel. „Sie können sich zwar einen Tee aus den Blättern zubereiten, ich persönlich rate mehr zu einem pflanzlichen Ginkgo-Präparat aus der Apotheke, die sind gut dosiert.“

Einen Wermut bei Verdauungsbeschwerden kennt jeder. Nur in Frankreich erlaubt und hergestellt wird die Wermutspirituose Absinth, ein giftgrüner Schnaps. Wermut enthält Thujon, ein psychoaktives Neurotoxin, dem Symptome wie Krämpfe, Blindheit und Wahnvorstellungen zugeschrieben werden. Dies führte zum Verbot von Absinth in Deutschland.

Zum Würzen und als Heilkraut geeignet ist Salbei. Ein bisschen Salbei zum Steak hilft dabei, das Fleisch besser zu verarbeiten. Beliebt als Küchenkraut zum Würzen ist Thymian. Als Heilpflanze wirkt Thymian stärkend, lindert Erkältungsbeschwerden wie Husten und Heiserkeit. „Die heimische Sonnenblume enthält ganz viele Vitamine und ungesättigte Fettsäuren, deshalb rate ich Sonnenblumenöl statt Olivenöl zu verwenden. Sonnenblumen wachsen in unseren Breitengraden“, schilderten die Experten.

Dieter Adolph erzählte den Besuchern, wie es im Jahr 1773 zur Boston Tea Party kam, die der Höhepunkt eines Streits über die Steuern für US-Kolonien durch die britische Regierung war. Die Kolonien waren britische Siedlungen in Nordamerika, sie mussten hohe Abgaben auf Tee zahlen. Deshalb riefen die Siedler zum Boykott auf. Am 16. Dezember kippten sie Tee von drei englischen Schiffen in den Hafen von Boston. Der Earl-Grey-Tee gilt als der bekannteste aromatisierte Schwarztee. Er hat einen herben Geschmack mit frischer Zitrusnote der Bergamotte. Er wirkt fiebersenkend und pilzhemmend.

Daneben wuchs im Lindenfelser Heilpflanzengarten Katzenminze und echte Pfefferminze. Letztere kann man als Tee genießen. Echinacea, der Purpursonnenhut, ist ein Mittel gegen Erkältungskrankheiten und zur Stärkung der Immunabwehr. Wenn auch nicht offiziell bewiesen, scheint er zu wirken.

Beinwell wird bei Prellungen und Knochenbrüchen eingesetzt

Was bei Prellungen und Stauchungen hilft, sind Umschläge mit Beinwell. Fast jeder kennt die Kytta-Salbe aus der Apotheke. Sie enthält Beinwell. Der Pflanze wird nachgesagt, bei Sportverletzungen bis zu den Knochen zu wirken. Die Salbe wird aus den Wurzeln der Pflanze hergestellt. Im Jahr 2001 verbot die US-amerikanische Food and Drug Administration den Verkauf von Beinwellprodukten zur Verwendung bei offenen Wunden, da die Pflanze möglicherweise toxisch wirkt. Eine in Lindenfels bekannte Fußpflegerin stellt die Salbe her und hilft damit vielen Älteren nach schweren Stürzen.

Eine der ältesten Heilpflanzen ist die Linde. Traditionell soll ein Tee aus Lindenblüten gegen Infekte helfen. Die Blüten wirken schleimlösend, krampflösend und vermutlich auch direkt gegen Erreger, meist gegen die Viren. „In der Natur gab es schon immer viele Heilmittel. Wurmfarn gegen Bandwürmer oder auch Pflanzen als Gegengift bei Schlangenbissen“, ergänzte eine Teilnehmerin. Anderthalb Stunden dauerte der Spaziergang durch den Heilpflanzengarten. Alle dankten Inge Morckel und Dieter Adolph für die informative Führung.

Freie Autorin

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