Die Besten der Bergstraße - Wilhelm Baur wurde 1872 zum Hofprediger von Wilhelm I. berufen

Ein Lindenfelser Pfarrer in den Diensten des Kaisers

Von 
Philip Kriegbaum
Lesedauer: 

Lindenfels. Wilhelm-Baur-Straße, Kindertagesstätte Baur de Betaz, Haus Baureneck: der Name Baur ist in Lindenfels präsent. Doch warum einmal Baur, ein anderes Mal Baur de Betaz? Und wer war eigentlich Wilhelm Baur? Hört man sich im Burgstädtchen um, bekommt man verschiedene Antworten, bis hin zu „Großvater von Karl-Heinz Bauer“.

Dieser leitete den Kur- und Touristikservice, als der noch Kurverwaltung hieß. Diese Erklärung lässt sich aber schon durch die unterschiedliche Schreibweise des Namens ausschließen. Bei „ehemaliger Bürgermeister“ und „früherer Pfarrer“ wird es schon schwieriger. Doch auch sie treffen nicht zu – zumindest nicht komplett.

Pfarrer war Baur tatsächlich – wenn auch nie in seiner Heimatstadt. Er war sogar einer der bedeutendsten Köpfe der evangelischen Kirche im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Seine Karriere führte ihn nach Hamburg, an den kaiserlichen Hof in Berlin und schließlich ins Rheinland. Seinen Lebensabend wollte er aber verbringen, wo er am 16. März 1826 zur Welt gekommen war: in Lindenfels. Dieser Wunsch wurde ihm nicht erfüllt: Wilhelm Baur hatte seinen Pensionsantrag bereits gestellt, als er am Ostersonntag des Jahres 1897 an den Folgen eines Schlaganfalles starb.

Kaiser Wilhelm I. hatte ihn 1872 als Hof- und Domprediger nach Berlin geholt. Schon einmal hatte die Fähigkeit zur begeisternden Predigt dem Lebensweg von Wilhelm Baur eine neue Richtung gegeben: Die 24-jährige Meta de Betaz hatte sich in Arheilgen eine Predigt des jungen Vikars angehört. Dabei soll sie Feuer gefangen haben. Jedenfalls schloss sie 1855 mit ihm den Bund der Ehe. Das Ehepaar gründete und förderte zahlreiche soziale Einrichtungen: die Innere Mission in Deutschland, die „Magdalenensache“ (Hilfe für Prostituierte), die Armenpflege und den internationalen Verein „Freundinnen junger Mädchen“.

„Für Lindenfels war die Familie ein Glücksfall“, schreibt der Lindenfelser Ehrenbürgermeister Peter C. Woitge auf der Internetseite der evangelischen Kindertagesstätte Baur de Betaz. Woitge betreut das Familienarchiv und eine Ausstellung im Haus Baureneck, die der Familie gewidmet ist. Wilhelm Baur hatte das ehemalige Pfarrhaus 1874 der evangelischen Kirche abgekauft, um seinen Lebensabend dort zu verbringen. Heute gehört es der Stadt Lindenfels. Diese ließ es 2008 mit Fördermitteln renovieren und richtete dort ihr Trauzimmer ein. Und das Drachenmuseum.

Den Namen Baur de Betaz hatte sich Wilhelm Baurs Sohn Gustav erst 1913 zugelegt. Die Verlängerung des Familiennamens um den Mädchennamen der Mutter wurde von Großherzog Ernst-Ludwig persönlich genehmigt. In Lindenfels dagegen war Gustav eher als „Quetschekopp“ bekannt. So hemdsärmelig-charmant redete er alte Bekannte an, wenn er sie länger nicht gesehen hatte.

Gustav Baur de Betaz war so etwas wie der verlängerte Arm seines Vaters in Lindenfels. Er ließ in dessen Auftrag im Schlierbacher Weg das Armenhaus Salem und das Haus Bethesda mit Krankenstation und „Kleinkinderschule“ bauen, die man heute Kindergarten nennen würde. Beide Anwesen wurden 1887 und 1891 von der Familie gestiftet. Etwa 100 Jahre später gab der Magistrat der Stadt Lindenfels der neuen Verbindungsstraße zwischen Schlierbacher Weg und Burgstraße den Namen Am Salem.

1919 gründete Gustav Baur de Betaz mit dem Erlös aus dem Verkauf der beiden Gebäude die Baur-de-Betaz-Stiftung. Diese führte mit der evangelischen Kirchengemeinde und der Stadt die sozialen Einrichtungen weiter. Der Vorläufer des heutigen Kindergartens am Almenweg entstand im Fürther Weg, der heute Wilhelm-Baur-Straße heißt, im heutigen Haus der Vereine. Daneben wurde die Kranken- und spätere Schwesternstation Haus Bethesda – heute ein Wohnhaus – neu gebaut. Die Straße wurde wohl in den 1920er Jahren umbenannt.

Die Stadt Lindenfels verlieh Gustav Baur de Betaz für sein soziales Engagement die Ehrenbürger-Würde. Seinen Vater Wilhelm hatte sie bereits am 2. April 1877 dazu ernannt. Wilhelm Baur war damit der erste Ehrenbürger der Stadt. Er wohnte zwar nur die ersten Jahre seines Lebens dauerhaft im Burgstädtchen, doch immer wieder zog es ihn dorthin zurück.

Als Student soll er mit seinen Kommilitonen den Schenkenberg unsicher gemacht haben, debattierend und deutsche Volkslieder singend. Später machte er in Berlin Werbung für seine Heimat und lockte viele hohe Herrschaften nach Lindenfels. Sein ganzes Leben lang nutzte er jede sich bietende Gelegenheit zu Abstechern in den Odenwald. Wahrscheinlich auch im Juni 1882. Jedenfalls bewilligte ihm sein Chef Kaiser Wilhelm I. am 13. Mai 1882 höchstpersönlich handschriftlich Urlaub „vom 22. Mai bis Ende Juni“ jenes Jahres.

Aus Lindenfels nach Berlin: Stationen von Wilhelm Baur

Wilhelm Baur kam am 16. März 1826 in Lindenfels zur Welt. Sein Geburtshaus hat heute die Adresse Wilhelm-Baur-Straße 17 und befindet sich in Privatbesitz. Er war das siebte Kind des großherzoglich-hessischen Revierförsters Ludwig Baur (1790–1857) und bekam noch vier weitere Geschwister.

1838 zog die Familie wegen der Versetzung des Vaters nach Griesheim. Wilhelm besuchte das Gymnasium in Darmstadt und studierte in Gießen.

Seine beruflichen Stationen waren das Prediger-Seminar in Friedberg sowie Pfarrstellen in Arheilgen, Bischofsheim, Ettingshausen (Thüringen) und Ruppertsberg (Rheinland-Pfalz). 1855 heiratete er die aus dem Waadtland in der französischen Schweiz stammende Meta de Betaz, mit der er zwei Söhne bekam.

1865 wurde der Theologe an die St.-Anschar-Kapelle nach Hamburg berufen. 1872 rief Kaiser Wilhelm I. Wilhelm Baur als Hof- und Domprediger nach Berlin. Dort verlieh ihm die theologische Fakultät der Berliner Friedrich-Wilhelm Universität 1877 die Ehrendoktorwürde.

1883 wurde er zum Generalsuperintendenten (Bischof) der Rheinprovinz mit Sitz in Koblenz berufen.

Am Ostersonntag des Jahres 1897 starb Wilhelm Baur an den Folgen eines Schlaganfalles. ppp

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

Thema : Burgfest Lindenfels

  • Lindenfels Kinder verlegten den „Wilden Westen“ nach Lindenfels

    Der traditionelle Kindernachmittag beim Lindenfelser Burgfest ist der Höhepunkt für viele Familien aus der ganzen Umgebung. Über 180 Kinder zog es in den „Wilden Westen“, den Simone Spielmann und ihr Team vorbereitet hatten. An acht Stationen testeten die Kinder ab drei Jahren ihre Geschicklichkeit. Alle Spiele waren kostenlos. An der Burgschänke stand Simone Spielmann und verteilte die Laufzettel. An jeder der acht Stationen erhielten die Kinder einen Stempel. Wer alle absolviert hatte, durfte sich ein kleines Geschenk aus einer großen Kiste aussuchen. Die Aufgaben waren bunt gemischt. Unter den Augen von Simone Spielmann musste man in drei geschlossene Eimer greifen und Spinnentiere aus dem Wasser holen. Dann ging es weiter zum Hufeisenwerfen. Geschickt warfen die Jungen und Mädchen echte Hufeisen an eine Stange. Das Zielwerfen mit viel Gefühl lag manchen Mädchen mehr als den Jungen. An zwei Tischen vor der Burgschänke war eine Schürfstelle für die Goldgräber: Nicht unter Tage im Schacht, sondern in Badewannen voller Spielsand mussten Goldnuggets gesucht werden. „Ich habe ihn, ich habe ihn“ rief ein blondes Mädchen. Die „Nuggets“ durften die Kinder mit nach Hause nehmen. In der Burgschänke bastelten Kinder aller Altersklassen unter der Aufsicht von Stefan Lauterbach Halsketten und Armbänder. „Als Indianer braucht man ein Armband.“ Cowboys auf dem SteckenpferdAuf halber Höhe auf dem Weg zur Burg gab es Pfeilwerfen. Für die Älteren hing eine Dartscheibe an einem Baum, für die Jüngeren gab es eine Scheibe mit Bildern. Neben dem Zielen mit Pfeilen lag eine Station, bei der Schaukelpferde mit einem Lasso gezogen werden mussten. Über eine kurze Distanz mussten die Kinder die Schaukelpferde ziehen. Manche machten es mit viel Kraft und roher Gewalt. Zwei Stationen waren rechts und links neben dem Burgtor. Auf der rechten Seite gab es „Hobby-Horsing für Cowboys, die sich nur ein Steckenpferd leisten können“. Jedes Kind durfte sich ein Steckenpferd aussuchen, und los ging es mit dem Westernturnier. Westernpferde müssen wendig und schnell sein, um den Kühen oder Pferden hinterherzujagen. Slalom und Geschwindigkeit spielten eine Rolle auf der Strecke um eine Tonne herum. Auf der linken Seite vom Burgtor probierten die Kinder aus, wie gut sie sich lautlos bewegen können. Ein Muss für Indianer, die sich an den Gegner anschleichen. Ein Geflecht von Schnüren, an denen Glocken und Musikinstrumente hingen, musste überwunden oder unterklettert werden. Ein Mädchen aus Gadernheim hatte den Einfall: „Warum über die Schnüre krabbeln, warum nicht unten drunter durchrobben?“. Sie war die Schnellste und klopfte sich anschließend den Dreck ab. Schon bald gab es keine Laufkarten mehr, aber die Kinder konnten an allen Stationen weiter ihre Fähigkeiten testen. Sie testeten auch das Klettern und Schwingen an den Ästen des jungen Bäumchens gegenüber der Burgschänke. Der junge Baum ertrug die Kletterer mit Ruhe und Gelassenheit.

    Mehr erfahren
  • Lindenfels Trachtenkapelle: Polka-Klänge am Fuß der Burg Lindenfels

    Die Musiker der Lindenfelser Trachtenkapelle stimmten sich mit einer öffentlichen Probe schon einmal auf das anstehende Burgfest ein.

    Mehr erfahren
  • Lautertal Viele Termine sollen Besucher in den Odenwald locken

    Der Veranstaltungskalender der TAG präsentiert Events wie das Lindenfelser Burgfest und kulturelle Höhepunkte. Eine spannende Einladung, den Vorderen Odenwald zu entdecken.

    Mehr erfahren

Thema : Lindenfels-Festival

  • Lindenfels Ein Konzert in Lindenfels zum Mitmachen

    Elisha Mbukwa und seine Band begeisterten bei ihrem Auftritt die rund hundert Besucher.

    Mehr erfahren
  • Life 2023 13-jährige Ausnahmekünstlerin beim Lindenfels-Festival

    Musik ist Franziska Trilligs Leidenschaft. Mit nur sieben Jahren begann sie, Gitarre zu spielen. Heute komponiert die jetzt 13-Jährige eigene Songs. Ihr ganzes Können zeigte sie nun auch bei einem Konzert beim Life-Festival.

    Mehr erfahren
  • Lindenfels-Festival Lindenfels-Festival: Über 100 Besucher beim Klassik-Konzert

    Sopranistin Emma Kindinger, Pianist Mathieu Bech und Klangregisseur Lennart Scheuren zeigten beim Klassik-Konzert ihr ganzes Können

    Mehr erfahren