Lindenfels. Schon seit Monaten bereitet die vom Landkreis Bergstraße angekündigte Zuweisung von Flüchtlingen dem Lindenfelser Bürgermeister Michael Helbig großes Kopfzerbrechen. Dabei war allerdings nie die Frage, ob die Burgstadt Flüchtlinge zugewiesen bekommt, sondern lediglich wann und wie viele. Zumindest auf diese Frage hat der Rathauschef nun eine erste Antwort erhalten: „Am 27. Juli gab es die erste Zuweisung mit neun Personen, am 3. August die zweite Zuweisung mit zwei Personen. Und am 31. August kamen noch einmal sieben Personen“, informierte nun Helbig auf BA-Anfrage.
Unter den insgesamt bislang 18 zugewiesenen Flüchtlingen sind zwei Ukrainer. Die restlichen Nationalitäten seien mit Türken, Russen und Afghanen „bunt gemischt“, so Helbig, Größtenteils handle es sich um Familien. Untergebracht sind sie in Wohnungen in der Nibelungenstraße. Im Luisenkrankenhaus wohnen derzeit laut Angaben des Kreises Bergstraße 278 Personen.
Zuweisungen werden zunehmen
Sorge bereitet dem Stadtoberhaupt eine E-Mail des Kreises, in der bereits klar kommuniziert wird, dass die Zuweisungszahlen in den kommenden Monaten noch zunehmen werden. „Bis zum vierten Quartal bekomme ich die Flüchtlinge noch unter. Aber danach bin ich blank“, betont Helbig.
Doch nicht nur bei den zur Neige gehenden Unterbringungskapazitäten stößt die Stadt Lindenfels allmählich an ihre Grenzen. Die hohe Flüchtlingsquote hat auch Auswirkungen auf den örtlichen Kindergarten und die Schule. Selbst mit dem im Herbst geplanten Waldkindergarten und der räumlichen Erweiterung der Kindertagesstätte „Morgenstern“ in Winterkasten werden nicht alle Kinder einen Platz bekommen können. „Das werden wir nicht hinbekommen. Es wird eine Warteliste geben und bestimmt werden einige ein halbes oder ganzes Jahr warten müssen“, so Helbig.
Derzeit hat die Stadt noch Platz für etwa 20 Flüchtlinge. Doch was passiert, wenn auch diese Unterbringungsmöglichkeiten im Laufe des Jahres belegt sind? „Im Moment schauen wir nur von einer Woche auf die nächste“, erläutert Helbig. Sollten die Kapazitäten ausgeschöpft sein, müsse man sich nach potenziellen Flächen für Containerstandorte umsehen. „Wobei ich keine ebene Fläche für Container im Stadtgebiet sehe“, räumt Helbig ein.
Die prekäre Unterbringungssituation hinterlässt mittlerweile deutliche Spuren bei der Verwaltung. „Unsere Mitarbeiter des Bau- und Ordnungsamts beschäftigen sich zu 50 Prozent mit Flüchtlingsarbeit: Sie schauen Wohnungen an, arbeiten Mietverträge aus, sprechen mit dem Kreis und den Vermietern, beschaffen Mobiliar und stimmen Termine ab. Das sind alles Dinge, die so eigentlich nicht in der Stellenbeschreibung stehen“, erläutert Helbig.
Seiner Meinung nach muss sich deshalb dringend etwas ändern. „Wir fühlen uns allein gelassen. Das Problem wird einfach an die letzte Instanz abgedrückt. Und das sind die Kommunen. Wo soll das noch hinführen? Außerdem dauern die Asylverfahren zu lange“, kritisiert er.
Sein Wunsch deshalb: „Es sollten nur die Flüchtlinge aufgenommen werden, die auch gute Chancen auf eine Bleibeberechtigung haben. Und die, die keinen Anspruch darauf haben, sollten wieder zurückgeschickt werden.“
Auch in Bezug auf die Arbeitsmoral der in Lindenfels untergebrachten Flüchtlinge findet der Rathauschef deutliche Worte: „Nur wenige Ukrainer wollen wirklich offiziell arbeiten, obwohl sie es im Gegensatz zu anderen Geflüchteten dürften. So haben einige ein Jobangebot im Pflegeheim bekommen. Nur einige wenige haben es aber angenommen. Und die Leute im Ort kriegen das mit“, weiß Helbig. Die Folge: Die Akzeptanz in der Lindenfelser Bevölkerung nimmt stetig ab, wie der Bürgermeister verstärkt beobachtet: „Die Stimmung ist nicht gut. Die Leute wollen das nicht mehr bezahlen. Und solange die Geldleistungen nicht sanktioniert werden, wird sich daran auch nichts ändern.“
Bleibeperspektive entscheidend
Der Kreis Bergstraße sieht die Situation genauso: „Sowohl für den Kreis als auch für die Kommunen ist die derzeitige Situation eine große Herausforderung“, schildert der zuständige Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf und stellt klar: „Weder der Kreis noch die Kommunen können die Rahmenbedingungen der Zuweisung und des Flüchtlingsgeschehens beeinflussen.“
Der Kreis Bergstraße habe von Anbeginn gefordert, dass an die kommunale Ebene nur Menschen zugewiesen werden, die auch eine realistische Bleiberechtsperspektive haben. „Im Übrigen hatte der Kreis bis 1. Mai 2023 das Modell, dass den Kommunen nur Bleiberechtigte zugewiesen wurden. Allerdings waren die Kommunen schon 2021 nicht in der Lage, die ihnen zugewiesenen Bleibeberechtigten unterzubringen, sodass diese in Kreisunterkünften verbleiben mussten. Mithin ist das Thema ,Unterbringung’ den Kommunen auch schon vor der Direktzuweisung bekannt gewesen“, so Schimpf.
Unterbringung als Daueraufgabe
Zum Thema „mangelnde Unterbringungsmöglichkeiten“ bezieht der Kreisbeigeordnete ebenfalls Stellung: „Der Kreis Bergstraße hat die Kommunen im November 2022 auf die bevorstehende Problematik der Nichtverfügbarkeit von größeren Flächen beziehungsweise Immobilien hingewiesen und die Kommunen um Unterstützung bei der Flächen- beziehungsweise Immobiliensuche gebeten. Für den Fall, dass dies erfolglos verläuft, hat der Kreis mitgeteilt, dass sodann eine Direktzuweisung an die Kommunen erfolgen muss.“
Da dem Kreis vonseiten der Kommunen keine entsprechenden Flächen und Immobilien gemeldet werden konnten, habe dieser den Kommunen im Januar die Direktverteilung ab dem 1. Mai 2023 angekündigt und das voraussichtliche Aufnahmesoll pro Quartal für jede Kommune mitgeteilt. „Die Kommunen sind gehalten, weitere Unterkünfte zu schaffen, da vonseiten des Kreises darauf hingewiesen wurde, dass die Zuweisungen vonseiten des Landes auf nicht absehbare Zeit anhalten werden und die Unterbringung von geflüchteten Menschen eine Daueraufgabe ist“, verdeutlicht Schimpf.
Der Kreis stehe mit den Kommunen in einem regelmäßigen und steten Austausch über deren vorhandene Kapazitäten und deren weitere Planungen. „Der Austausch mit den Kommunen läuft gut und solidarisch“, betont Schimpf.
Bezüglich vorhandener Kapazitäten laufe derzeit eine Abfrage bei den Kommunen – „auch vor dem Hintergrund, dass das Land angekündigt hat, dass ab Mitte September mit einer deutlichen Erhöhung der Zuweisungen gerechnet werden muss. Sollte eine Kommune zum Zuweisungszeitpunkt nicht über entsprechende Kapazitäten zur Unterbringung verfügen, war es bisher so geregelt, dass Plätze in anderen Kommunen genutzt werden“, erläutert der Kreisbeigeordnete. Allerdings ändere diese Verfahrensweise nicht die von der jeweiligen Kommune aufzunehmende Anzahl nach Verteilungsschlüssel. „Das heißt, diese Kommune ist gehalten, Plätze in dem Kapazitätsumfang zu schaffen, wie sie der Verteilungsschlüssel ausweist.“
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