Tiere

Rehe machen Gärten in Heppenheim unsicher

Anwohner des Bensheimer Wegs bekommen ungewohnten, hungrigen Besuch. Der Revierförster staunt über die große Population der Tiere.

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mbl/ü
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Mehrfach wurden bereits Rehe in Heppenheimer Gärten gesichtet, wie hier am Bensheimer Weg. © Schilling

Heppenheim. Zumindest aus Sicht von Förstern und Jägern beschönigt der Film „Bambi“ die Realität. Während Hollywood die Angst vor Haien potenzierte, hat Disney das Reh idealisiert, was jegliche Problematisierung und vor allem das gebotene Bejagen immens erschwert. „Es ist ja auch ein sehr schönes Tier“, will Heppenheims Revierförster Thomas Schumacher das gar nicht leugnen; aber er weiß inzwischen dokumentiert, in welch enorm großer Zahl hungriges Rehwild auf hiesigen Flächen vorkommt.

Es verwundert ihn nicht, wie zuletzt von Bürgern beklagt, dass einige Rehe private Gärten aufsuchen und zum Beispiel Blumen verspeisen. Das gefiel etwa Anwohnern des Bensheimer Wegs gar nicht. Ein ähnlich schwieriges Miteinander wie bei der Natur noch viel mehr entwöhnten Großstädtern befürchtet der Förster nicht. Wie ihre Nachbarn staunte Susanne Schilling darüber, wie nah sich, auch am Tag, die eigentlich scheuen Tiere in und durch die Zivilisation wagen.

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Vor Jahren, zum Einzug, sei das schonmal vorgekommen. „Mama, da sind Rehe!“ Na klar, dem Sohn geht wohl mal wieder die Phantasie durch – aber so war es. Und nun eben mehrfach, inzwischen herrscht wieder Ruhe. „Wenn sie etwas anknabbern, ist das schon ärgerlich.“

Rehe sind durchaus Feinschmecker und biologisch „Konzentratselektierer“, die leicht verdauliche, eiweißreiche Kost wie eben etwa Gräser, Kräuter, Knospen und Blätter benötigen. Schumacher betont die Terminal- also Endknospen, die besonders dick und somit attraktiv sind. Beim jüngsten, gespendeten Heppenheimer Wäldchen sei am Zaun weiter eine deutliche Spur zu erkennen, weil die Rehe dort begierig auf und ab laufen.

Die Tiere suchen ein Revier und Nahrung. © Schilling

Sie brauchen bis zu zwei Kilo energiegeladene Nahrung am Tag – etliche Knospen. Die nicht explizit geschützten jungen Bäume müssen dran glauben. Einkalkuliert, aber auch ärgerlich für die Waldleute. So umtreibt nicht nur sie schon länger die Frage, wie zahlreich das Reh vorkommt. Drohnen-Überflüge brachten jüngst Erkenntnisse, die Schumachers Annahmen nochmal bei Weitem übertreffen.

Als Standard, „in der Literatur, etwa auch zum Erwerb des Jagdscheins“, ist von sechs bis zwölf Rehen pro hundert Hektar auszugehen. Eine genauere Bestandserfassung war sehr schwierig, da die Tiere so viele Möglichkeiten haben und nutzen, sich praktisch unsichtbar für den Menschen zu verstecken. Nach dem, was die Drohne einfangen konnte und nun die Auswertung ergab, liegt der hiesige Bestand bei fast 40 Rehen pro hundert Hektar.

Mit etwa einem Jahr müssen sich Kitze ein eigenes Revier suchen

Ein Hektar sind zehntausend Quadratmeter, etwas mehr als ein Standard-Fußballfeld. Solch eine enorme Population nach Schumacher zufolge „schon relativ hohem Ausgangsbestand“ muss Konsequenzen haben und letztlich eigentlich auch in einer mit Jagdzunft und Behörden abzustimmenden höheren Abschussquote münden. Konkret äußert Schumacher sich dazu auf Nachfrage noch nicht. Eben weil, siehe Bambi, dies ein besonders sensibles Thema ist.

Die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland, in Südhessen am ehesten im Odenwald anzutreffen, ist längst ein hitzig debattiertes Thema. Große Beutegreifer wie Wolf, Bär, Luchs kontrollierten seit Jahrtausenden die Rehbestände, die heute, vor allem in dieser Region, praktisch keinem Fressfeind mehr ausgesetzt sind. Manchmal bricht ein Hund durch und reißt instinktgesteuert ein Tier. Deutlich häufiger kommt vor, dass Rehe überfahren werden. Denen folgen dann rasch andere, wenn es dort was zu holen gibt. Schon mit etwa einem Jahr müssen Kitze sich ein eigenes Revier suchen, und das ist nicht leicht.

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Da kommt es auch zu Kämpfen, „und da sind die rabiat“, weiß der Förster. Und er bestätigt die Annahme des Reporters: „Das spricht sich schnell rum“, wenn es irgendwo, vielleicht in Gärten, Attraktives zu haben gibt.

In Zwingenberger Hanglage zum Beispiel, mit viel Grün östlich davon, bedienen sich hungrige Rehe auch zuweilen bei am Rand gelegenen Häusern. Am Bensheimer Weg in Heppenheim atmeten die Betroffenen durch, dass die Rehe nach einer gewissen Drangzeit zuletzt nicht mehr kamen.

Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass nur das Frühjahr zieht. Wenn Beete und Gärten nicht völlig kahl brach liegen, bleiben sie gerade im kargen Winter interessant. Auch das Regenrückhaltebecken nennt Schumacher als einen Ort in oder nahe der Stadt, an dem sich Rehe tummeln. Anwohner erkundigten sich auch bei ihm, aber im Grunde ist klar, dass man nicht viel machen kann.

Susanne Schilling und ihre Nachbarn brauchen die wilden Gäste, die auch Treppen nutzen, nicht ständig, aber sie ahnt: „Die spazieren einfach den Starkenburgweg herab.“ mbl/ü

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