Bergstraße. Die Meinungen gehen nach wie vor auseinander, was die Identität des Räubers betrifft, dem kürzlich ein kleiner Rehbock beim Weiler Altlechtern zum Opfer fiel (der BA hat berichtet): Während Pächter Nikolaus Berg von einem Wolfsangriff ausgeht, ist man beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) der Meinung, dass ein „kleiner Beutegreifer“ für den Tod des Tiers verantwortlich war; konkret hatte einer der Beauftragten bei der Probeentnahme von einem Fuchs gesprochen. Doch in diese Diskussion kommt nun die Nachricht über einen weiteren aktuellen Vorfall.
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Im Grasellenbacher Ortsteil Litzelbach fand Andreas Meixner zwei tote Schafe. Die Familie betreibt den Hilsighof, und Meixner sagt, dass insgesamt 50 Schafe gehalten werden, die das Grün in den Weihnachtsbaumschonungen kurz halten. Sie grasen auf verschiedenen, abgezäunten Weiden, und als der Eigentümer am Montag nach dem Rechten sah, war von den drei Schafen, die in diesem Bereich standen, nur noch eines da: „Es war total verstört, ich hatte den Eindruck, dass es geflüchtet ist.“ Ein anderes war tot, lag ohne erkennbare Verletzungen da, und auch in seinem Fall glaubt der Besitzer, dass das Tier nach einer wilden Verfolgung starb: „Es kommt öfter vor, dass die Tiere einfach tot umfallen, wenn sie gejagt werden.“
„Bis auf die blank genagten Knochen war wenig übrig“
Das dritte Schaf oder was davon übrig war, bot einen erschreckenden Anblick: Bis auf die blank genagten Knochen war wenig übrig; ein Huf mit Fell und der beinahe skelettierte Kopf gaben noch Aufschluss darüber, was für ein Tier hier verendet war. Meixner sieht jeden Tag nach seinen Schafen, schätzt also, dass die Tiere innerhalb der vorangegangenen 24 Stunden umgekommen sein müssen. Wer war der Angreifer? Er weiß es nicht; im vergangenen Herbst kam ihm ein weiteres Schaf abhanden: „Bis heute ist es nicht aufgetaucht.“ Und in früheren Jahren waren schon mal Hunde für den Tod eines Paarhufers verantwortlich. Er hält es allerdings für möglich, dass hier auch ein Wolf am Werk war und verweist auf eine Wolfssichtung im Herbst: „Das war hier ganz in der Nähe.“
Nun will er „kein Fass aufmachen“, hat aber auch Bedenken: „Wenn das hier ein Wolf war, dann können wir über kurz oder lang die Schafhaltung aufgeben. Aber dann müssen wir wieder zum Spritzen übergehen, und das kann ja auch keiner wollen.“ Es sei ein leidiges Thema, bemerkt er und wagt zum Schluss noch eine weitere Hypothese: Ein Tier könnte die Schafe angegriffen haben, andere könnten das „Leerfressen“ übernommen haben.
Beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) weiß man von dem Fall nichts. „Eine Meldung zu einem toten Schaf aus dem Bereich Hammelbach ist bei uns nicht eingegangen“, schreibt Annika Ploenes im Auftrag des Wolfszentrums Hessen.
Getötetes Reh: Vieles spricht für einen „kleinen Beutegreifer“
Sie gibt auch Auskunft über das Verfahren nach dem Fund des toten Rehbocks bei Fürth: „Am 24. April wurde durch unsere Wolfsberater ein Wildtierriss (Reh) in der Gemeinde Fürth dokumentiert. An dem schwachen, circa einjährigen Stück Rehwild wurden viele kleine Einbisse im Kopf-, Nacken- und Halsbereich gefunden. Des Weiteren wurden an dem Stück geringe Zahnabstände und Zahnlochdurchmesser festgestellt.“
Das spreche für die Tötung durch einen „kleinen Beutegreifer“: „Aus diesem Grund wird auf die Untersuchung des am Kadaver genommenen Abstriches verzichtet.“ Die Entscheidung, dass die genetische Probe nicht analysiert werden soll, sei „nach Sichtung der Dokumentationsunterlagen getroffen“ worden, schreibt sie noch und, dass die Beprobung „ausschließlich dem Monitoring“ diene, also der Überwachung. Die Bewertung der Fälle erfolge durch das Wolfszentrum Hessen, „sowohl im Rahmen des Schadensausgleichs als auch im Rahmen des Monitorings“. Außerdem erklärt sie noch: „Neben Wölfen gibt es in Hessen eine deutlich größere Anzahl an verschiedenen Beutegreifern, umgangssprachlich Räuber, die sich von anderen Tieren ernähren. Darüber hinaus verenden in Hessen jährlich weit mehr als 200 000 Wildtiere im Straßenverkehr.“ Die Todesursachen von Wildtieren seien vielfältig: „Aus diesem Grund wird bei gemeldeten Wildtierkadavern zunächst anhand von Spuren an dem Tier und anhand des Zustandes des Tieres geprüft, ob die Analyse eines DNA-Abstriches erfolgversprechend ist.“
Apropos DNA: Bei dem toten Schaf, das im vergangenen Oktober, ebenfalls bei Fürth, gefunden wurde, wiesen die Fachleute Fuchs-DNA nach; die Pressesprecherin fährt fort, dass keine Verletzungen an der Kehle oder im Halsbereich feststellbar waren: „Weitere typische Kriterien eines Angriffs durch einen großen Beutegreifer wie Schleifspur, große, durchgebissene Knochen oder Bissverletzungen mit entsprechendem messbarem Zahnabstand waren nicht gegeben.“
Was das Ende April abgelaufene „Monitoringjahr“ angeht, so liegen dem HLNUG aus Fürth oder dem Landkreis Bergstraße keine bestätigten Nachweise für den Wolf vor, während es im Odenwaldkreis fünf gibt, darunter drei bei Oberzent und einer bei Mossautal. Im Bereich Fürth habe das HLNUG „kein Fotofallenmonitoring etabliert“, schreibt die Behörde noch auf Anfrage. Aber: „Uns liegt aus dem Landkreis Bergstraße ein Bild einer privaten Fotofalle aus dem Januar 2023 vor. Es sei allerdings „nicht zur Veröffentlichung freigegeben“. stk/ü
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