Politik

Heppenheimer Parlamentssitzung mit Wette und Eigentor

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fran/mbl/ü
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Die Stadtverordneten kamen in Ober-Laudenbach zusammen. © Christopher Frank

Heppenheim. Das hätte auch schiefgehen können: Bereits im Bau-, Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss hatte sich eine Mehrheit für Heppenheims Beitritt zur bundesweiten Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeiten“ ausgesprochen, und auch in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag in der Ober-Laudenbacher Mehrzweckhalle standen die Zeichen auf Zustimmung.

„Eigentlich wollten wir geschlossen mit Ja stimmen“, berichtete ein Mitglied der Großen Koalition aus CDU und SPD nach der Sitzung. Dass die Mehrheit mit nur 15 Ja-Stimmen bei acht Ablehnungen und neun Enthaltungen längst nicht mehr so deutlich ausfiel, lag wohl an der Antragstellerin Ulrike Janßen (LiZ/Linke) selbst.

Gemeinde Fürth als Beispiel

„Ich glaube, das war ein intellektuelles Eigentor”, attestierte der verbal attackierte Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) der LiZ-Politikerin. Ziel der Tempo-30-Initiative ist es schließlich, die kommunal Verantwortlichen in die Lage zu versetzen, selbst alle Straßen der eigenen Gemarkung mit Geschwindigkeitsregelungen versehen zu können.

„Oehlenschläger hat es einfach getan”, verwies Janßen auf den Fürther Bürgermeister, der Tempo 30 als Gemeindespitze im vorbildlichen Handstreich verfügt habe. Wie es von Burelbach für Heppenheim zu erwarten sei. Tatsächlich setzt der wie sein Amtskollege auf den Lärmaktionsplan, um Tempo 30 beispielsweise auch auf Bundesstraßen erwirken zu können. Heppenheim hinke hinterher, beteuerte Janßen.

„Das ist auf die Trägheit der Verwaltungsspitze zurückzuführen.” Burelbach sagte „Das widerspricht sich im Kern” und erinnerte sie daran, dass ihr Antrag, vereinfacht gesagt, dafür wirbt, den Bürgermeister zu etwas zu befähigen, dass er Janßens Vorwürfen zufolge längst „hätte können dürfen”.

Ehrenwertes Ansinnen

Burelbach ließ sich sogar zur Frage hinreißen: „Wer soll jetzt noch dafür abstimmen?” Die Entschlossenen kämpften irritiert. „Abgesehen davon, dass die LiZ-Linke ihren eigenen Antrag nicht so gut kennt”, sei das Ansinnen doch ein sehr ehrenwertes, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzender Franz Beiwinkel.

Es spiegele außerdem die gesellschaftliche Haltung wider. Auch Sonja Eck (SPD) versuchte, „einen guten Antrag zu retten. Ich hoffe, dass Frau Janßen jetzt nicht alles kaputtgemacht hat.” Der entlockte das nur ein „Ach Gottchen”.

FDP-Fraktionsvorsitzender Christopher Hörst mahnte, man könne nicht einfach davon ausgehen, „dass plötzlich überall 30 gilt” und müsse sich davon lösen, „es immer allen recht machen zu wollen. Wer an der Hauptstraße wohnt, sollte wissen, was das heißt.” Das Geforderte negiere, „dass Menschen durch den Odenwald schnell nach Heppenheim kommen müssen. Oder in Heppenheim über die Tiergartenstraße auf die Autobahn”.

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Eine andere Sorge treibt die FDP beim Schaffen von Wohnraum um. Und allgemein stellten sich über den Klima-Antrag von CDU, SPD und Grünen die Fragen:

Wird das Bauen unattraktiver und vor allem deutlich teurer? Oder leistet die Stadt mit einem Förderprogramm für Balkonkraftwerke und Solarthermie-Module, mehr Solaranlagen auf städtischen Gebäuden, einer Änderung der Altstadtsatzung zur Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen und klimafreundlichen Regelungen bei künftigen Bebauungsplänen einen maßgeblichen Anteil zur Energiewende?

„Bestimmt nicht der große Wurf, aber ein Beitrag”, wie es vor Ort gelingen könne, erklärte Beiwinkel. Man wolle die Bevölkerung mit einem niedrigschwelligen Angebot sensibilisieren und zum Kauf der Steckermodule animieren, zugleich mit gutem Beispiel vorangehen, untermauerten das Sonja Eck und CDU-Fraktionsvorsitzender Hermann-Peter Arnold (CDU).

Offen für Entwicklungen

Als zu vage kritisierte Formulierungen („Regelungen zum Einsatz regenerativer Energien“) rechtfertigte Eck mit dem „stetigen Wandel“, denn: „So bleiben wir offen für alle Entwicklungen.” Die große Mehrheit sah das ähnlich: 25 der 30 anwesenden Stadtverordneten stimmten für den Antrag. Ein konkurrierender Antrag der LiZ/Linke-Fraktion wurde abgelehnt.

Insbesondere Janßen wollte die Fördersumme von insgesamt 30 000 Euro lieber in eine große Photovoltaik-Anlage investiert wissen als in 200 Balkonkraftwerke. Gleichwohl landete LiZ/Linke-Fraktionsmitglied Bruno Schwarz einen Teilerfolg. So folgten stattliche 27 Parlamentarier zumindest einem seiner Änderungsanträge, wonach die Leistung der zu fördernden Steckermodule nicht auf 600 Watt begrenzt werden, sondern sich stattdessen an den „aktuellen Vorgaben“ orientieren sollte.

Der promovierte Chemiker selbst blieb der Abstimmung fern, unterstrich aber: Eine Förderung von Balkonkraftwerken sei durch den Wegfall der Mehrwertsteuer bei der Anschaffung nicht wirklich rechtssicher, de facto liege dadurch eine Doppelförderung vor.

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Einen nun mehrheitlich abgesegneten Bebauungsplan für 14 neue Doppelhaushälften in Kirschhausen attackierte die LiZ-Linke über Janßen, anders als in den Ausschüssen, nur mehr halbherzig. Fraktionsvorsitzender Yannick Mildner (Tierschutzpartei) fand es falsch, die Nähe zum Wald und unzureichende Artenschutz-Vorgaben einfach abzutun.

„Nichts gegen diese Baugebiete” wollte Hörst vorbringen. Er warb nur dafür, dass „perspektivisch eine zusätzliche Erschließung über die umliegenden Wohngebiete möglich ist”.

Was ihn dann ärgerte, war der Umstand, dass das Gremium die dreieinhalb Zeilen offenbar missverstand und von einer direkt geforderten zweiten Zufahrt ausging. Nicht einmal die Option einzuräumen, „kann nicht im Interesse der Stadt und der Ortsentwicklung Kirschhausens sein”.

Dessen Ortsvorsteher Peter Engelhardt (CDU) bot er eine Wette an, dass die Flächenbebauung dort mit dem nun Anstehenden sicher noch nicht beendet sei. Es ging eben hoch her in Ober-Laudenbach, bei der letzten Sitzung vor Heppenheims Bürgermeisterwahl. fran/mbl/ü

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