Die Besten der Bergstraße - Erinnerung an Hans Richter, der ein Freiluft-Theater schuf, wie es in dieser Form lange Zeit weit und breit nicht zu finden war

Hans Richter: Der Mann, dem Heppenheim die Festspiele verdankt

Von 
Hans-Joachim Holdefehr
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Heppenheim. Nein, besonders gemütlich saß man lange Zeit nicht gerade im „Theater im Hof“. Die Zuschauer nahmen Platz auf langen, harten Holzbänken, vor sich hatten sie nicht minder lange, harte Holztische, darauf ihren Bergsträßer Wein (anfangs vorzugsweise Riesling), und dazu knabberten sie am Laugengebäck. Insgesamt also ein Ambiente, das man eher als „rustikal“ bezeichnen würde – doch genau das sollte es ausdrücklich auch sein. Denn die Idee der Heppenheimer Festspiele orientierte sich am Theater der Shakespeare-Zeit und den damaligen Aufführungsbedingungen in England.

Der Mann, der diese Idee hatte und sie an der Bergstraße umsetzte, war selbst ein Schauspieler: Hans Richter. Als er erstmals mit der Bergsträßer Kreisstadt in Berührung kam, hatte er in seinem Metier schon jahrzehntelange Erfahrung und nicht minder langen Erfolg gesammelt.

1967 erstmals in der Stadt

Kinderstar, „ewiger Lausbub“ und vielfach Geehrter

Geboren wurde Hans Richter als Sohn eines Sängers und einer Konzertmeisterin am 12. Januar 1919 im damaligen Nowawes (heute Potsdam-Babelsberg) bei Berlin.

Mit 12 Jahren stand er erstmals vor der Kamera für die berühmte Verfilmung von „Emil und die Detektive“ nach dem gleichnamigen Buch von Erich Kästner. Schlagartig galt Richter im deutschen Film als eine Art naseweiser Lausejunge vom Dienst und wurde das, was man damals als Kinderstar bezeichnete. Das Image des „ewigen Lausbubs“ haftete ihm noch in späteren Jahren an.

Bis 1943 war Richter an über 30 Spielfilmen beteiligt, darunter allerdings auch so Unsägliches wie der Nazi-Propagandastreifen „Hitlerjunge Quex“ mit Heinrich George und Berta Drews, dem Vater und der Mutter von Götz George.

1944 dann war Richter Mitwirkender an einer Produktion, die für viele Generationen zum immer wieder gern gesehenen Klassiker wurde: „Die Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann.

Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft nahm Richter 1948 seinen Beruf wieder auf. Bis 1979 verzeichnet seine Filmographie weitere rund 60 Leinwand-Produktionen, an denen er mitwirkte. Als Theaterschauspieler war er außerdem in Hamburg (unter der Leitung von Gustaf Gründgens) und Frankfurt engagiert, hinzu kamen in späteren Jahren auch Rollen in TV-Produktionen.

Für sein Wirken wurde Richter vielfach ausgezeichnet, darunter 1983 mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und 1989 mit dem Filmband in Gold.

Hans Richter starb am 5. Oktober 2008 in einem Pflegeheim in Heppenheim und wurde in Bensheim begraben. hol

Es war im Jahr 1967, als die Dreharbeiten für den Kinofilm „Herrliche Zeiten im Spessart“ Hans Richter zum ersten Mal nach Heppenheim führten. Er lernte bei dieser Gelegenheit den Kurmainzer Amtshof mit seinem mittelalterlichen Ambiente kennen und auf Anhieb schätzen. Vor allem dessen Innenhof hatte es ihm angetan – als ideale Austragungsstätte eines Freiluft-Theaters nach historischem Vorbild.

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Sieben Jahre sollte es noch dauern, bis aus dieser ersten Begegnung die Heppenheimer Festspiele, das „Theater im Hof“, geworden waren – eine „mutige und riskante Entscheidung“, wie später die Regisseurin Pia Hänggi rückblickend beschrieb.

Die erste Festspiel-Premiere am 9. August 1974 fand allerdings an einem anderen Ort in Heppenheim statt: Als Eröffnungsstück wurde auf dem Kirchplatz St. Peter der „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal gegeben, mit dem mächtigen „Dom der Bergstraße“ als Kulisse im Hintergrund.

1974 beginnt eine Erfolgsgeschichte

Es war dies der Beginn einer Erfolgsgeschichte, wenn auch viele Einwohner der Sache anfangs wohl eher skeptisch bis unterkühlt gegenüberstanden, was sich aber schnell ändern sollte. In jedem Sommer wurde Heppenheim jetzt für mehrere Wochen zur Festspielstadt. Die Zuschauer kamen bald in Scharen: In der erfolgreichsten Phase der Festspiele waren die Spielzeiten oft schon Monate vorher ausverkauft und erreichten jeweils über 30 000 Besucher. Im Jahr 2010 wurde die Millionenmarke überschritten.

Die Stücke – vor allem klassische Lustspiele etwa von Shakespeare oder aus dem Zeitalter der Commedia dell’arte (Molière, Goldoni) – waren selbst inszeniert, wie überhaupt die Festspiele lange Zeit ein reines Familienunternehmen waren. Hans Richter als Gründer und Intendant wählte Programm und Schauspieler aus und besorgte die Regisseure, wenn er nicht selbst Regie führte. Selbst auf der Bühne stand er allerdings nur in wenigen Fällen. Seine Frau Ingeborg richtete die Texte ein, Sohn Thomas übernahm die Rolle des Technikers, Bühnenbildners und Ausstatters. Selbst Kostüme, Programmhefte, Plakate und Kartenverkauf wurden selbst organisiert.

Wie eine große Familie

Familiär war auch der Umgang aller Mitwirkenden miteinander. Langjährige Festspiel-Akteure und Publikums-Lieblinge wie Walter Renneisen, Ingeborg Rassaerts oder Nikolaus Schilling (der lange Jahre in Kirschhausen lebte) erinnerten sich in späteren Interviews einmütig an die gemütliche Atmosphäre von damals, zu der auch beitrug, dass die Schauspieler bereits für die Proben in Heppenheim wohnten und dadurch Jahr für Jahr auch zu vertrauten Gesichtern im Alltag der Stadt wurden. Und an (damals) prominenten Namen war kein Mangel: So standen Joachim Hansen und Fritz Muliar ebenso bei den Heppenheimer Festspielen auf der Bühne wie Günter Strack, Christine Kaufmann und Anja Kruse, Klaus Wildbolz, Eva Pflug, Peter Bongartz, Marion Kracht und Harald Dietl oder Jörg Pleva und Klaus Wennemann.

Zum Erfolg trug sicherlich bei, dass die Heppenheimer Festspiele lange Zeit weit und breit etwas hatten, was man heute ein „Alleinstellungsmerkmal“ nennen würde. Wer (Volks-)Theater in ähnlicher Form anderswo erleben wollte, musste dafür schon in eine Großstadt fahren – und selbst dort war dies keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Auch wirtschaftlich war das Unternehmen ein Familienbetrieb. Die Stadt Heppenheim gab zwar einen festgelegten jährlichen Zuschuss und stellte auch ihren Bauhof für Hand- und Spanndienste zur Verfügung; den Großteil des Risikos aber trugen die Richters selbst.

Im Laufe der Zeit wurden die äußeren Bedingungen im „Theater im Hof“ verbessert. Die Tonübertragung von der Bühne wurde verständlicher, Bühne und Zuschauerraum erhielten eine regensichere Überdachung, die Sitzgelegenheiten wurden bequemer.

1992 übernimmt Sohn Thomas

1992 ging die Leitung der Festspiele auf den Richter-Sohn Thoma s über. Nach einer Verärgerung über den damaligen Heppenheimer Bürgermeister Ulrich Obermayr habe Hans Richter die Intendanz von einem auf den anderen Tag niedergelegt, erinnerte sich die Festspiel-Schauspielerin Inge Rassaerts in ihrem Buch „Alles Theater“.

Sohn Thomas Richter führte als neuer Intendant zum einen das bewährte Lustspiel-Konzept fort, musste zum anderen aber auch vermehrt auf eine sich wandelnde Konkurrenzsituation reagieren: Die Heppenheimer Festspiele waren mittlerweile kein Unikat mehr, die Zahl ähnlicher oder sonstiger Veranstaltungen im Sommer wuchs auch im Umland. Es bedurfte einer – zunächst behutsamen – Neuorientierung, um auf Dauer wirtschaftlich bestehen zu können. Zum eigentlichen Programm kamen nun vermehrt Gastspiele hinzu, nicht nur aus dem Theater-Sektor, sondern später auch aus den Bereichen Musik und Comedy.

Ab 2012 leitet Sabine Richter

Wegen seiner schweren Alzheimer-Demenzerkrankung, an der er 2017 auch 69-jährig starb, musste Thomas Richter die Leitung der Festspiele im Jahr 2012 abgeben. Nachfolgerin als Intendantin war bis 2018 seine Frau Sabine. Bei der Programmgestaltung kam es zu einer Kooperation mit den Hamburger Kammerspielen und ihrem Intendanten Axel Schneider: Inszenierungen, die an der Elbe erarbeitet worden waren, wurden für die Heppenheimer Festspiele übernommen.

Ab 2018 Festspiele GmbH

Die ab 2018 für die Ausrichtung zuständige Festspiele Heppenheim GmbH um Geschäftsführer Stephan Brömme wurde 2020 ein Opfer von Corona: Die gesamte Spielzeit musste ausfallen, die GmbH vorläufige Insolvenz anmelden. Die Spielzeit 2021 ist ebenfalls ausgefallen, zumal in diesem Jahr der Amtshof wegen größerer Sanierungs- und Umbauarbeiten nicht zur Verfügung gestanden hätte. Eine Fortsetzung der Festspiel-Tradition soll es damit ab 2022 im modernisierten Amtshof geben.

Wer für das Programm künftig verantwortlich sein wird, will die Stadt Heppenheim im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung ermitteln. Sicher ist bis jetzt nur, dass dann für das „Theater im Hof“ stark verbesserte Aufführungsbedingungen vorzufinden sein werden – und das rechtzeitig vor dem Jahr 2024, wenn es 50 Jahre her sein wird, dass die Geschichte der Heppenheimer Festspiele mit dem „Jedermann“ ihren Anfang nahm.

Ehemalige Mitarbeit Hans-Joachim Holdefehr ist Redakteur beim Bergsträßer Anzeiger.

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