Heppenheim. In drei Jahren, am 9. August 2024, wird es genau 50 Jahre her sein, dass Heppenheims Festspiele mit der Aufführung von Hoffmannsthals „Jedermann“ auf dem Kirchenvorplatz von Sankt Peter ihren Anfang nahmen. Womit eine Erfolgsgeschichte begann, die im vergangenen Jahr ein jähes Ende nahm: Erst kündigten die Hamburger Kammerspiele die Kooperation mit der Festspiele Heppenheim GmbH, dann fiel das Ersatzprogramm Corona zum Opfer, und schließlich meldete die GmbH Insolvenz an.
Jetzt aber zeichnet sich eine Fortsetzung an: Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) berichtete am Mittwochabend im Stadtparlament von einer europaweiten Ausschreibung, mit der ein neuer Festspiel-Betreiber gefunden werden soll.
Wer auch immer dies sein wird, wird ab 2022 in einer mit großem Aufwand modernisierten Spielstätte arbeiten können. Seit Monaten wird im Kurmainzer Amtshof gewerkelt, am Ausbau zu einem Kulturzentrum gefeilt. Insbesondere der riesige Gewölbekeller soll zu einem attraktiven Veranstaltungsort umgestaltet werden. Die historischen Gegebenheiten haben die Fertigstellung jedoch immer wieder verzögert, was natürlich nicht ohne Einfluss auf die Arbeiten im Innenhof des Amtshofes bleibt.
Der soll künftig so beschaffen sein, dass sowohl die Festspiele als auch andere, nicht zuletzt lokale Veranstalter optimale Bedingungen vorfinden. So wird es beispielsweise eine fest installierte Bühne sowie eine technische Basisausstattung geben. Als Grund hierfür nannte Burelbach in einem Bericht in dieser Zeitung die Absicht, „das historische Gebäude bestmöglich zu schützen“, aber auch die hiermit verbundene größere Flexibilität in der Nutzung.
Im Vertragsentwurf, der Grundlage für die Ausschreibung ist, werden die Bedingungen genannt, die ein künftiger Betreiber vorfinden wird. Demnach wird der Innenhof des Amtshofes sowie Nebenräume für Garderobe, Lager und Getränkeausschank für die Dauer der sechswöchigen Saison von Mitte Juli bis Anfang September verpachtet. Hinzu kommen jeweils eine Woche für Auf- und Abbau. Zweck ist die „Durchführung eines jährlich stattfindenden Freiluft-Theaters mit Sonderveranstaltungen“.
Pachthöhe 60 000 Euro oder mehr
Für eine Pachthöhe von mindestens 60 000 Euro pro Saison steht künftig eine Sitzplatztribüne mit etwa 425 nicht überdachten Sitzplätzen zur Verfügung, außerdem die zehn mal sieben Meter messende Bühne und die Grundausstattung mit Licht- und Tontechnik. Um 27 000 Euro teurer wird es, wenn die dann nur noch 325 Sitzplätze überdacht werden sollen – was angesichts der Unwägbarkeiten beim Wetter angeraten erscheint.
Um „Kultur vor Ort“ geht es in einem weiteren Passus des Vertragsentwurfs, den der Bürgermeister im Stadtparlament vorstellte: „Die Spielstätte wird der Stadt Heppenheim oder örtlichen Kulturbetrieben für vier eigene Auftritte/Konzerte kostenfrei zur Verfügung gestellt“.
Begrenzt wird die Vertragsdauer auf vier Jahre (1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2025), die allerdings automatisch um jeweils vier Jahre verlängert wird, wenn nicht einer der Vertragspartner zwölf Monate vor Ablauf der Pachtzeit kündigt. Die Kaution beträgt 5000 Euro. Versprochen wird, dass die Stadt die künftigen Betreiber bei Werbemaßnahmen unterstützt.
Keine Rede im Vertragsentwurf ist von den Hand- und Spanndiensten, die die Stadt seit Jahrzehnten unentgeltlich zur Verfügung stellte, oder den 21 000 Euro, die in jedem Jahr als Zuschuss an die Festspiele gingen.
Ob und wie schnell Nachfolger für die Festspiele Heppenheim GmbH gefunden werden, bleibt abzuwarten. Insbesondere Corona hat gezeigt, wie schnell ein bis dahin gesundes Unternehmen in Schieflage geraten kann. Andererseits haben sich in den knapp 50 Jahren weit mehr als eine Million Gäste von der Atmosphäre der Spielstätte in Heppenheims Altstadt fesseln lassen.
Gegründet wurden die Festspiele Heppenheim vom Schauspieler („Feuerzangenbowle“, gemeinsam mit Heinz Rühmann) und Regisseur Hans Richter (1909-2008) und seiner Ehefrau Ingeborg Bieber (1921-2009). Das „Theater im Hof“ im Amtshof war dem Shakespeare-Theater nachempfunden. Bei Wein, Laugengebäck und rustikalen Komödien konnten es sich 580 Zuschauer gemütlich machen.
1992 übernahm Richters Sohn Thomas die Festspiele und das Theater, übergab die Leitung aber schon Jahre vor seinem Tod (2017) ab 2012 an seine Ehefrau Sabine Richter. Ab 2018 und bis zur Insolvenz 2020 war dann Stephan Brömme der Geschäftsführer der Festspiele Heppenheim GmbH, die einen Vertrag mit der Stadt bis 2020 hatte. jr
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