Heppenheim. Was ist Kunst? An dieser Frage scheiden sich seit jeher die Geister, ohne Frage ist dabei auch ein Generationenkonflikt unverkennbar. Besonders deutlich wird dies bei der Bewertung von Graffitis, die auch im Heppenheimer Stadtgebiet weit verbreitet sind.
Insbesondere für die ältere Generation sind die Werke, die zumeist mit bunter Farbe an die Wände gesprayt werden, oftmals alles andere als Kunst – selbst, wenn es sich dabei nicht um Schmierereien handelt, wie sie am Heppenheimer Bahnhof oder zahlreichen Unterführungen zuhauf vorkommen. Für die jüngeren Mitbürger hingegen sind Graffitis ein fester Bestandteil der Jugendkultur. Insbesondere in den Großstädten gibt es aktive Sprayerszenen, die längst nicht mehr am Rande der Legalität ihrem Hobby nachgehen. Teilweise werden Graffiti-Workshops inzwischen sogar im Rahmen der kommunalen Jugendsozialarbeit angeboten.
Gelungene Beispiele in der Stadt
Auch in der Bergsträßer Kreisstadt gab es in der Vergangenheit schon vergleichbare Projekte. Zu bestaunen sind die dabei entstandenen Kunstwerke insbesondere rund ums Jugendzentrum „Oase“. Unter Anleitung eines Graffitiprofis, selbst ehemaliger Jugendpfleger der Einrichtung, gestalteten Jugendliche vor knapp drei Jahren unter anderem die Boulderwand oder die Skater-Anlage. Schon fast 30 Jahre ist es sogar her, dass die Bahn-Unterführung zwischen Mozart- und Ernst-Schneider-Straße künstlerisch umgestaltet wurde. „Die Erde ist nur ein Land. Und alle Menschen seine Bürger“, ist dort seitdem an der Wand zu lesen. Umrahmt werden die ausdrucksstarken Worte von bunten Bildern – vorrangig von Porträts von Menschen aus aller Herren Länder. Zu sehen sind aber auch Luftballons, auf denen die Kernmerkmale einer weltoffenen Gesellschaft zu lesen sind: Hope, Vertrauen, Freedom, Peace, Love, Unity, Harmony oder Equality. Gestaltet wurde die Unterführung damals vom Ausländerbeirat der Stadt, der Bahai-Gruppe Bergstraße und dem Kulturamt.
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Die Motivation der Jugendlichen durch „Selbstverwirklichung, Kreativität und das Gruppengefühl“ stärken und bestenfalls damit auch weitere politische Signale an die Gesellschaft senden. So lautet nun das Ziel einer parlamentarischen Initiative der Tierschutzpartei. Geschehen sollte dies durch die „Bereitstellung legaler Sprayflächen“ im Stadtgebiet, befinden Fraktionsvorsitzender Yannick Mildner und sein Stellvertreter Alexander Fritz. Gemeinsam mit der städtischen Jugendförderung sollten die Sprayer der Kreisstadt Ausschau nach geeigneten Flächen halten, fordert das Duo. „Denn Graffiti ist eine anerkannte Kunstrichtung, Strafverfolgung auf lange Sicht keine Lösung“, untermauerte Fritz das Anliegen von Partei und Fraktion unlängst im Sozial-, Kultur- und Sportausschuss.
Sehr schnell richteten die Ausschussmitglieder den Blick ins benachbarte Lampertheim: Hier darf seit einigen Wochen an manchen Orten bereits legal gesprayt werden. Vor allem in Unterführungen dienen die Graffiti dort als bewusst gesetzte Farbakzente, um Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen die Sorge vor sogenannten Angsträumen zu nehmen. Die Graffiti sind zudem auch hier immer verbunden mit einer Botschaft.
„Den Versuch ist es wert“
Just das Lampertheimer Beispiel stieß zwar bei Ulrike Janßen (LiZ/Linke) auf massive Ablehnung („ganz schrecklich“), doch nahezu alle anderen Fraktionen signalisierten dem Antrag ihre Unterstützung. „Sowas tut keinem weh“, sagte FDP-Mann Markus Wilfer, Michael Eck von der SPD meinte mit Verweis auf die bereits genannten gelungenen Beispiele im Stadtgebiet: „Den Versuch ist es auf jeden Fall wert.“ Und auch Martin Fraune (Grüne) lobte: „Für Jugendliche ist das ein sehr gutes Projekt.“
Einziges Manko aus Sicht der CDU war der Passus im Antrag, wonach Graffiti „jederzeit, legal und ohne Anmeldung“ an den noch auszuweisenden Flächen angebracht werden könnten. „Uns wäre es schon wichtig, dass es eine Anmeldung gibt“, sagte Anna-Lena Trares. Grundsätzlich unterstütze aber auch die Union den Antrag.
Diese eher seltene Unterstützung wollte wiederum Fritz nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, weshalb er die Worte „ohne Anmeldung“ aus dem Antragstext streichen ließ. Folge: Neun der elf Ausschussmitglieder stimmten nun zu. Und selbst die Enthaltung von Kerstin Buchner (Freie Wähler) ging mit vergleichsweise wohlwollenden Äußerungen einher: „Auch ich finde das Projekt in Ordnung.“ Sie erinnerte jedoch auch daran, dass das legale Sprayen kontrollierbar bleiben müsse. Zugleich warnte sie vor einem Wettbewerb. Getreu dem Motto: Heute gesprayt, morgen schon übermalt.
Noch keine konkreten Standorte
Offen blieben im Ausschuss freilich noch die geeigneten Standorte. „Rathaus und St. Peter dürften es eher nicht sein“, merkte Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) süffisant an. Sollte das Parlament der Ausschussempfehlung Anfang Oktober aber folgen, müsste er als Chef der Verwaltung schon recht bald konkrete Flächen benennen. fran/ü
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