Heppenheim. Wären da nicht „Sehenswürdigkeiten“ wie die DRK-Kleiderkammer, Post, Drogerie Müller oder Sparkasse gewesen, hätte man den Trupp, der am Dienstagnachmittag durch die Innenstadt zog, für ganz normale Touristen halten können.
Waren sie aber nicht, auch wenn man sie optisch nicht von Urlaubern unterscheiden konnte: Beim Rundgang vom Bahnhof durch die Fußgängerzone zum Marktplatz und wieder zurück ging es vielmehr um Praktisches: Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet Ukraine zu zeigen, wo man sich in Heppenheim mit dem Wichtigsten eindecken kann und wo die Behörden in der Kreisstadt ihren Standort haben.
Organisiert wurde dieser etwas andere Stadtrundgang von Heppenheims Flüchtlingshilfe, die sich so wie alle öffentlichen sowie privaten Einrichtungen und Initiativen derzeit darum bemüht, den Kriegsflüchtlingen das Ankommen im fremden Land zu erleichtern.
Sprachliche Barrieren überwinden
Das sind zum einen Sprachbarrieren zu überwinden, zum anderen wollen die für die meisten Ukrainer unbekannten Verwaltungs- und Versorgungsstrukturen erläutert sein.
Alle Geheimnisse werden durch eine rund zweistündige Tour zwar nicht wirklich enträtselt, ein erster Überblick, wie er am Tag nach Ostern vermittelt wurde, dürfte aber zumindest hilfreich sein.
Mehr als 30 Interessenten waren für den Rundgang angekündigt. Als die Gruppe mit Benedikt Fehr von der Flüchtlingshilfe und Gabriele Dierig an der Spitze gegen 14.45 Uhr vom Bahnhof in Richtung Ernst-Schneider-Straße loszog, war es allerdings nur ein gutes Dutzend Ukrainerinnen und Ukrainer, das sich per Bus oder Auto am Ausgangspunkt eingefunden hatte.
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Was es für die Dolmetscherinnen wie Tanja Helfert leichter machte, die Informationen an Frauen, Jugendliche und Kinder (lediglich ein älterer Herr war dabei) weiterzureichen. Dass die Infos ausschließlich auf Russisch vermittelt wurden, warf ein bezeichnendes Licht auf die Absurdität dieses Krieges: In den Großstädten der Ukraine, so Tanja Helfert, spricht man russisch, nicht ukrainisch.
Von Kleiderkammer bis Eiscafé
Am Nordrand des Villenviertels und am Stadtbach entlang ging es zunächst zur Karlstraße, an der das Gebäude der Stadtjugendpflege mit der Kita „Karlchen“ im Erdgeschoss liegt.
Interessant für die Flüchtlinge hier: die Integrationsbeauftragte der Stadt, die hier ihre Sprechstunden anbietet. Einige Meter weiter am Eck Ernst-Schneider-Straße/In der Krone die Kleiderkammer des DRK, in deren Schaufenster unter anderem Kinderkleidung zu sehen ist – was die Aufmerksamkeit der Ukrainerinnen auf sich zog.
Von Interesse für Menschen, die weit weg von der Heimat sind, ist natürlich auch das Postamt, das auf dem Weg in die Fußgängerzone lag. Und dann die Fußgängerzone selbst: Hier findet man all das, was in den Kriegsgebieten inzwischen kaum noch zu finden ist – Bäcker, Metzger, Drogerie, Parfümerie, Bekleidungsgeschäfte. Und Eiscafés: Im ältesten und traditionsreichsten gab’s auf halber Strecke der Tour für alle ein leckeres Eis.
Am wenigsten können die Ukrainerinnen und Ukrainer derzeit wohl mit einer Buchhandlung anfangen: Bis die Deutschkenntnisse so weit sind, dass man ein Buch in dieser Sprache lesen kann, wollen sie zurück in ihrer Heimat sein.
Vom Bürgermeister begrüßt
Ausgesprochen nützlich dürfte hingegen das Wissen sein, dass man im Stadthaus, dem früheren Kaufhaus Mainzer, viele Dinge erledigen kann, die für den Aufenthalt vor Ort wichtig sind.
Dass es zehn Minuten vor Ankunft der Gruppe, die langsamer als geplant vorangekommen war, geschlossen wurde, war bedauerlich – wurde aber ein wenig durch die freundliche Begrüßung ausgeglichen, die der Bürgermeister für den Trupp hatte: Rainer Burelbach hielt sich zufällig im Obergeschoss auf und öffnete ein Fenster hin zur „Bachgass’“, um den Geflüchteten alles Gute für ihre Zeit an der Bergstraße zu wünschen.
Von der Fußgängerzone ging es weiter in Heppenheims schönsten Teil, die Altstadt, wo vor allem der Marktplatz mit seinem Rathaus die Blicke auf sich zog. Danach standen das alte und das neue Landratsamt auf der Liste der Gebäude, die speziell für die Flüchtlinge von Interesse sind.
Am Schluss der Tour führte der Weg noch einmal an Villen vorbei, bevor man am Ende des Stadtrundgangs am Schwimmbad vorbei wieder am Bahnhof landete. Über eine Neuauflage des Rundgangs, so Benedikt Fehr, werde bereits nachgedacht. jr/ü
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