Heppenheim. Der Hinrich-Wichern-Kindergarten wurde vor 43 Jahren an der Wiesbadener Straße gebaut. Wenige Jahre zuvor waren die Hochhäuser in diesem Teil der Weststadt bezogen worden. Niemand hätte sich gewundert, wenn die Stadt als Eigentümerin der Kindertagesstätte zu dem Schluss gekommen wäre, das Gebäude abzureißen. Doch statt Abriss und Neubau wurden die Räume in diesem Flachbau samt Haustechnik für 241 000 Euro modernisiert.
Die Erste Kreisbeigeordnete Diana Stolz (CDU) überreichte am Dienstag einen Bewilligungsbescheid, der einen Zuschuss des Landes Hessen von 91 398 Euro vorsieht. Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) und die für die Kindergärten zuständige Abteilungsleiterin Petra Bartelsen erläuterten bei der Übergabe des Bescheids, was mit den städtischen Mitteln geschehen ist.
75 Prozent Strom vom Dach
Die Kindertagesstätte wird mittlerweile statt mit Gas mit einer Wärmepumpe geheizt. Die wiederum bezieht die Hälfte der elektrischen Energie aus einer Fotovoltaikanlage. Wenn demnächst noch der Stromspeicher installiert ist, steigt der Anteil des Stroms vom eigenen Dach auf 75 Prozent, wie der Bürgermeister berichtete.
Statt der Heizkörper, die eine ständige Verletzungsgefahr für die spielenden Kinder waren, strömt Wärme aus einer Sockelleiste in die Räume. Fenster und Türen sind neu. „Unser Ziel war es, dass der Kindergarten energetisch fast autark ist“, sagte Burelbach. Mit dem Geld aus dem städtischen Haushalt wurden außerdem die Decken so erneuert, dass die Dämmstoffe den Schall absorbieren. Schlechte Akustik in den Tagesstätten gehört zu den Stressfaktoren für Erzieherinnen und Kinder.
Diana Stolz hat bisher fünf solcher Förderbescheide für Kindertagesstätten in Heppenheim überreicht. Die Kita Alte Schule im Stadtteil Kirschhausen ist in der nächsten Woche als Letzte an der Reihe. Die Zuschüsse summieren sich auf 1,43 Millionen Euro. „Wir haben uns über jeden einzelnen Bescheid gefreut“, sagte die Dezernentin.
Der Bürgermeister verwies auf die Entwicklung, die die Städte und Gemeinden zu Investitionen in die Kinderbetreuung gezwungen hat. Erst das vom Land Hessen verabschiedete Kindergartenförderungsgesetz (Kifög), dann das Gute-Kita-Gesetz des Bundes: „Da war es nur folgerichtig, dass das auch bezahlt wird“, sagte Burelbach. Denn das sogenannte Konexitätsprinzip („Wer bestellt, der bezahlt“) sieht vor, dass Landesgesetze, die sich finanziell auf die Kommunen auswirken, entsprechende Zuweisungen nach sich ziehen.
Aus dem Landesinvestitionsprogramm „Kinderbetreuung“ 2020 bis 2024 wurden im Kreis Bergstraße aus zwei Fördertöpfen insgesamt 23 Einrichtungen gefördert. 21 dieser Bescheide wurden bereits übergeben, zwei weitere werden in der kommenden Woche überreicht, wie Diana Stolz verkündete. Neben der Kita Alte Schule ist dies der evangelische Kindergarten im Lampertheimer Stadtteil Hüttenfeld. Für einen dritten Fördertopf laufe zurzeit die Beantragungs- und Prüfungsphase.
„Klein, aber fein“, nach dieser Devise werden im Wichern-Kindergarten zurzeit nur 49 Kinder in drei Gruppen von sieben Erzieherinnen betreut. Dazu kommen eine Hauswirtschafterin, der Hausmeister und eine Reinigungskraft. Könnten sämtliche Stellen besetzt werden, wäre Platz für 75 Kinder, wie die stellvertretende Leiterin Eileen Leonhard berichtete. Leonhard hat dieses Amt im Juni übernommen, nachdem sowohl die vorhergehende Leiterin Anja Schwartz als auch deren Stellvertreterin das Team verlassen hatten.
Wie Eileen Leonhard und Petra Bartelsen berichteten, ist dieser Weststadt-Kindergarten besonders beliebt. Die Nachfrage sei größer als das Angebot. Viele Eltern ließen sich lieber auf eine Warteliste setzen, als sich einen Platz in einer anderen Tagesstätte zuweisen zu lassen.
Das Gebäude samt Außengelände mit dem Kastanienbaum gehört der Stadt. Trägerin ist noch bis 31. Dezember die evangelische Christuskirchengemeinde. Die Kindertagesstätten im Dekanat Bergstraße werden vom 1. Januar an nach dem Prinzip „Gemeindeübergreifenden Trägerschaft (GüT)“ verwaltet. Das bedeutet, dass sämtliche Aufgaben nicht mehr von der örtlichen Kirchengemeinde, sondern vom Dekanat bearbeitet und verantwortet werden.
Benannt wurde die Tagesstätte an der Wiesbadener Straße nach dem Theologen und Sozialpädagogen Johann Hinrich Wichern (1808 bis 1881). Er gründete das Rauhe Haus in Hamburg und begründete die Innere Mission der evangelischen Kirche. Wichern gilt als Erfinder des Adventskranzes. ai/ü
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