Interview

Bürgermeister Burelbach: „Es geht nicht ohne Rücksichtnahme“

Zu Beginn seiner dritten Amtszeit kritisiert Heppenheims Bürgermeister Rainer Burelbach ausufernde Bürokratisierung und lobt junge Menschen.

Von 
Marius Blume
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Für Heppenheims Bürgermeister Rainer Burelbach beginnt heute die dritte Amtszeit. Im Gespräch in seinem Dienstzimmer blickt er nicht nur auf die kommenden sechs Jahre. © Dagmar Jährling

Heppenheim. Rund drei von vier Wählerinnen und Wählern, die im März zur Wahlurne schritten, wollten Rainer Burelbach (CDU) als Heppenheims Bürgermeister behalten. Zum heutigen 1. September beginnt nun offiziell seine dritte Amtszeit. Anlass für ein Interview rund um die großen Themen. Burelbach bezieht klare Positionen und versucht motiviert zugleich, alle einzubeziehen.

Ihre erneute Wiederwahl liegt schon wieder fast ein halbes Jahr zurück, Sie kommen gerade aus dem Urlaub, biegen jetzt in die dritte Amtszeit ein: Gibt es da eine Chance zum Innehalten oder bleibt man im Arbeitsmodus?

Rainer Burelbach: Da bleibt man schon, aber der Urlaub hat gutgetan. Es war angenehm, mal etwas anderes lesen zu können. Ich fühle mich sehr erholt – und konzentriere mich jetzt wieder auf die Arbeit.

Was haben Sie denn gelesen?

Burelbach: „Novozän – Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz“ von James Lovelock, der das Buch mit 98 Jahren geschrieben hat, inzwischen aber verstorben ist. Und: „Die kürzeste Geschichte Deutschlands“ von James Hawes. Sehr interessant, beide Bücher, ich konnte auch einiges wiederentdecken und dazulernen.

Haben Sie bestimmte Pläne für die nächsten sechs Jahre?

Burelbach: Die sind ja im Prinzip schon vorgegeben durch die Doppelhaushalte und die geplanten Investitionen. Und dann bringt das Tagesgeschäft von Flüchtlingen bis hin zu Gesetzesänderungen natürlich weitere Arbeit.

Es gibt ja inzwischen kaum ein Bauprojekt, bei dem sich nicht Widerstand formiert. Wenige können aufhalten oder verzögern, was weit mehr Menschen betrifft. Nervt das zuweilen?

Burelbach: Ich denke, das Problem sind weniger die Bürger als es die Masse an Verordnungen und Regelungen ist, die sich teils auch widersprechen und zu unglaublichen bürokratischen Hemmnissen führen.

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Aber da sind eben auch viele Vertreter durchaus legitimer Interessen, Bedenkenträger, die zugespitzt sagen: Das will ich so nicht und deswegen geht das nicht...

Burelbach: Das ist ein Fakt. Auf der anderen Seite haben sowohl die Natur als auch die Wasserversorgung und natürlich die Emissionen sowie viele andere Faktoren eine hohe Bedeutung. Außerdem sind wir als Gesellschaft insgesamt weniger tolerant und empfindlicher geworden. Damit muss man heute umgehen und auch entsprechend versuchen, alle Beteiligten mit einzubeziehen.

Das bleibt auch Aufgabe im Verkehr mit seinen ganz unterschiedlichen Arten und Zielen. Wie wollen Sie denen, die eine radikale Wende sofort fordern, vermitteln, dass das Auto absehbar nötig bleibt?

Burelbach: Hier braucht’s ebenso einen Spagat. Es gibt ja die Möglichkeit, zum Wohle der Anwohner, wie gerade wieder geschehen, an zentralen Stellen Tempo 30 einzuführen, um direkt Betroffene zumindest von Lärm und Schadstoffen zu entlasten.

Sehen Sie Tempo 30 als durchgehendes und realisierbares Allheilmittel?

Burelbach: Wir sind ja bundesweit auf dem Weg dahin, und die allermeisten Straßen haben schon ein Tempolimit. Jetzt müssen wir noch den Schilderwald reduzieren, und nebenbei glaube ich auch, dass man zu den Hauptverkehrszeiten innerorts sowieso selten schneller als 30 fahren kann.

Ein kniffliger Punkt ist der Postknoten. Ist auch da angedacht, den oder andere Schnittstellen vor allem fahrrad- und fußgängerfreundlicher zu gestalten?

Burelbach: Unser Programm, mit dem wir das Radfahren attraktiver machen wollen, besteht aus vielen einzelnen Bausteinen. Das gilt es hier umzusetzen. Wir stellen dabei auch Widerstände fest, die wir lösen müssen, um Stück für Stück voranzukommen. Fußgänger sind häufig das schwächste Glied. Es geht nicht ohne die Rücksichtnahme aller.

Rücksichtnahme ist auf vielen Ebenen verlangt. An verschiedenen Stellen in der Stadt sind Flüchtlinge verschiedener Herkunft untergebracht. Wie werden sie Teil der Gesellschaft?

Burelbach: Es gibt viele, die sich da sehr stark engagieren; auf deren Hilfe sind wir angewiesen. Dann gibt es aber auch die übergeordneten politischen Ebenen. Diese müssen den Zustrom regeln und deutlich reduzieren. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage: Was geschieht mit denen, die eine Bleibeperspektive haben? Ganz klar, sie müssen schnell integriert werden.

Müssen wir dazu, während andere Einwanderungsländer wie etwa Schweden mindestens schnelle Kenntnisse der Landessprache verlangen, nicht auch mehr auf das Prinzip Fördern und Fordern setzen?

Burelbach: Auf jeden Fall brauchen wir das Fordern wie das Fördern. Jemand, der staatliche Leistungen erhält, muss aus meiner Sicht auch etwas zurückgeben.

Bei manchen scheitert es an fehlender Anerkennung bereits erlangter Qualifikationen...

Burelbach: Auch da zeigt sich, dass wir in Deutschland überbürokratisiert sind. Dass es immer weniger Mitarbeiter in den Verwaltungen gibt, die unbürokratisch positiv entscheiden und Verantwortung übernehmen.

In Sachen Verantwortung sind wir auch alle gefragt beim Klimaschutz. Welche konkreten Maßnahmen können Sie dazu ankündigen? Über das Fördern von Mini-Photovoltaik-Anlagen hinaus.

Burelbach: Dieses Förderprogramm ist sicher auch ein symbolischer Beschluss der Stadtverordnetenversammlung gewesen, um das Thema in den Vordergrund zu rücken. Wir bleiben natürlich als Stadt gefordert, und wollen mehr auf Taten als auf Pläne setzen. Es wäre insgesamt besser, auch hier weniger komplexe Regelungen zu haben, dann ließe sich, glaube ich, eine Investitionswelle auslösen.

Auch bei der Stadt hat gerade das neue Ausbildungsjahr begonnen. Sorgen Sie sich angesichts junger Menschen, die mehr auf die Work-Life-Balance achten, und damit vielleicht richtig liegen, um das Leistungsprinzip?

Burelbach: Ich glaube nicht, dass die Unterschiede zwischen den Generationen da so groß sind. Ich halte von dem Begriff Work-Life-Balance relativ wenig und stelle fest, dass es bei uns wie in ganz Deutschland jede Menge hoch engagierter junger Menschen gibt. Und wir sollten alles tun, sie nicht auszubremsen.

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Wie finden Sie denn Ihre Balance?

Burelbach: Ich bin dem lieben Gott dankbar für eine gute Grundkonstitution, halte mich fit und bin zufrieden.

Von den Nachwuchskräften zu den Jüngsten: Wie will die Stadt dem Rechtsanspruch auf U3-Betreuungsplätze noch besser nachkommen?

Burelbach: Das ist ein gewaltiger Aufgabenbereich für uns, vom Baulichen bis zum Personellen. Wir versuchen, alle finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, die es braucht. Trotzdem ist das eine Herausforderung, die uns noch lange begleiten wird. Man darf auch das Thema Tagesmütter oder -väter nicht aus dem Blick verlieren. Da liegt noch Potenzial, und auch da unterstützen der Kreis oder die Stadt gerne.

Immer herausfordernder dürfte die Aufgabe werden, einen soliden Haushalt auf die Beine zu stellen. Geht es mit sprudelnder Gewerbe- und niedriger Grundsteuer noch lange gut oder braucht’s doch die Streichliste?

Burelbach: Wir sind gerade in Vorbereitung des nächsten Doppelhaushalts, der schwierig wird, und sicher muss man auch sehen, wo man einsparen kann. Bevor man irgendetwas erhöht an Gebühren oder Steuern, sollte man schauen, wo sich weniger ausgeben lässt. Das Ziel bleibt, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.

Nachdem es jetzt einige Jahre ein sattes Plus gab. Da würden Sie realistisch nicht mehr mit rechnen?

Burelbach: Wir gehen wie vernünftige Kaufleute vorsichtig an die Sache heran. Es kann genauso auch mal in die andere Richtung gehen. Nach dem, was ich zur Konjunkturaussicht gelesen habe, liegt das Potenzial bei weniger als einem halben Prozent Zuwachs – wenn es gut läuft.

Aller guten Dinge sind drei, heißt es. Wie fühlt sich das zum Thema Amtszeiten an?

Burelbach: Ich freue mich. Das war eine wichtige Entscheidung, nochmal zu kandidieren. Ich werde am Ende der sechs Jahre Mitte 60 sein, und dann werden wir weitersehen. Jetzt gilt es erstmal, anzupacken. /ü

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