Frau Pop, das politische Jahr war bisher mitunter geprägt durch die Debatten rund um das Heizungsgesetz. Wie blicken Sie auf den Winter?
Ramona Pop: Die Bundesregierung hat mit dem langen Streit um das Gebäudeenergiegesetz und das Heizungsgesetz viel Vertrauen verspielt. Und das muss nun zurückgewonnen werden. Viele Menschen sind verunsichert, weil sie zum einen nicht wissen: Wann muss ich eigentlich etwas tun? Und vor allem, wie teuer wird das und wie wird das gefördert? Es war ein Fehler, das Gesetz nicht von Anfang an mit einer passgenauen soziale Förderung zusammenzudenken. Das muss nun holterdiepolter nachgeholt werden. Mit Blick auf die Klimaschutzziele läuft die Zeit davon. Deshalb wird man sich auf Dauer von fossilen Energieträgern verabschieden müssen. Diese werden teurer, über die CO2-Bepreisung auf Heiz- und Kraftstoffe, die 2024 auch wieder steigen soll, und durch den europäischen Emissionshandel. Die Bundesregierung hat es versäumt, ihre Ziele klar zu kommunizieren: ,Wir brauchen die Wärmewende, wir müssen weg von fossilen Energieträgern.’ Die Menschen brauchen Klarheit und eine vernünftige Förderung, damit sie wissen: Ich kann mir das auch leisten.
Erfahrung in der Politik
- Ramona Pop ist seit Juli 2022 Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
- Von 2001 bis 2021 war die Grünen-Politikerin Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, von 2016 bis 2021 war sie Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe.
- Pop verbrachte ihre frühe Kindheit in Rumänien und ist deutsche und rumänische Staatsbürgerin. fmg
Neben Wärmepumpen setzt die Ampel auf Nah- und Fernwärmeanschlüsse. Wie steht es da um den Verbraucherschutz?
Pop: Die Fernwärme ist derzeit so was wie ein Monopol. Bei Strom und Gas haben wir mehr Transparenz und mehr Anbieter - bei der Fernwärme gibt es meistens nur einen Anbieter. Wir brauchen unbedingt mehr Preistransparenz, also wie setzt sich der Preis zusammen und welche Energiequellen werden verwendet. Bisher ist das eher eine Blackbox. Zusätzlich fordern wir ganz klar: Es muss beaufsichtigt werden, wie die Preisbildung stattfindet. Es kann nicht sein, dass die Fernwärme ausgebaut wird und die Verbraucher einen intransparenten Preis zahlen müssen, ohne ausweichen zu können. Zudem muss es für die Verbraucher weiter die Möglichkeit geben, in den bestehenden Verträgen, die in der Regel sehr lange Laufzeiten haben, die Anschlussleistungen zu verändern. Verbraucher sollten nur für die Anschlussgröße bezahlen müssen, die sie auch brauchen.
Wer sollte die Preisbildung beaufsichtigen?
Pop: Bei Strom und Gas ist es die Bundesnetzagentur über das Energiewirtschaftsgesetz. Es würde sich anbieten, Energie aus einer Hand zu regulieren und zu beaufsichtigen.
Es rächt sich jetzt, dass die energetische Sanierung von Gebäuden bisher viel zu langsam stattgefunden hat. Und nun muss es schnell gehen.
Neben dem GEG plant parallel die EU eine energetische Sanierungspflicht für alte Häuser. Welches Gesetz ist Ihrer Meinung nach sinnvoller für den Klimaschutz?
Pop: Der Gebäudebereich ist der riesige Bereich, in dem bislang fast gar nichts passiert ist, um CO2 einzusparen. Wenn bisher von der Energiewende gesprochen wurde, meinte man meistens Strom. Es rächt sich jetzt, dass die energetische Sanierung von Gebäuden bisher viel zu langsam stattgefunden hat. Und nun muss es schnell gehen. Wenn es aber schnell gehen muss, droht Verunsicherung. Was jetzt auf EU-Ebene entschieden wird, wird sicherlich ein großer Baustein sein. Die Idee ist, als Erstes die Gebäude zu sanieren, die im schlechtesten energetischen Zustand sind. Da gibt es das größte Potenzial pro eingesetztem Euro, CO2 einzusparen. Aber das muss sozialverträglich passieren! Wir wissen, dass insbesondere Menschen mit geringem Einkommen eher in schlecht gedämmten Häusern leben, als Mieter oder als Eigentümer. Insofern muss man da ansetzen, um sowohl sozial zu handeln als auch die Klimaschutzziele möglichst schnell zu erreichen. Dafür muss sich jetzt die Bundesregierung in Brüssel einsetzen. Im Übrigen könnte auch der öffentliche Bereich vorangehen.
Braucht es noch mehr staatliche Förderungen?
Pop: Ja. Die Förderung muss vor allem nach sozialen Kriterien erfolgen. Muss jemand, der eine gute Einkommenslage hat, dasselbe bekommen wie jemand ohne Vermögen? Wir fordern daher eine sozial ausdifferenzierte Förderung. Und gerade in Zeiten knapper Kassen würde das sicherlich helfen, zielgenauer zu fördern.
Würden Sie Verbrauchern empfehlen, vor dem Winter noch den Gas- oder Stromanbieter zu wechseln?
Pop: Die Preise bei Strom und Gas sinken gerade bei neuen Verträgen. Gleichzeitig haben wir abgefragt, wie die Wechselbereitschaft von Verbrauchern und Verbraucherinnen in bestehenden Verträgen eigentlich ist - recht niedrig. Mehr als 80 Prozent der Haushalte haben angegeben, dass sie nicht gewechselt haben in diesem Jahr und das auch nicht vorhaben. Sie geben unter anderem an, mit ihrem Anbieter zufrieden zu sein oder den Preis akzeptabel zu finden. Wir wissen, dass Menschen inzwischen vorsichtig sind, ihren bestehenden Vertrag zu wechseln und sicherheitshalber bei ihrem Anbieter bleiben. In der Hochkrisenzeit gab es Anbieter, die Verbrauchern einfach von einem Tag auf den anderen gekündigt haben. Wir würden aber trotzdem raten, sich umzuschauen, ob es nicht vielleicht doch günstigere Anbieter gibt. Wichtig ist zu schauen, ob der neue Anbieter auch seriös ist.
Wie kann verhindert werden, dass Vermieter Kosten für den Einbau einer teuren Wärmepumpe auf Mieter umlegen?
Pop: Es war eigentlich geplant, eine Kostenbegrenzung für die Mieterinnen und Mieter einzuführen. Leider ist diese im letzten Gesetzentwurf wieder weggefallen. Sie sollte davor schützen, dass nach einer energetischen Sanierung drastische Nebenkosten auf die Mieter zukommen. Im Zusammenhang mit den Investitionskosten setzt sich der vzbv schon lange dafür ein, dass die Modernisierungsumlage so geändert wird, dass Vermieter maximal die Investitionskosten umlegen dürfen, mehr nicht. Also bitte kein Gewinn mit mehr Klimaschutz. Das muss auch für Investitionen in eine Wärmepumpe oder andere Heizsysteme gelten. Derzeit darf die Modernisierungsumlage auf unbestimmte Zeit erhoben werden. Ob Mieterinnen und Mieter mit geringeren Heizkosten dagegen ansparen können, ist leider mehr als fraglich. Das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern bleibt ein Dilemma, das aufgelöst werden muss. Derzeit sitzt der Vermieter am längeren Hebel. Es gibt Fälle, da interessieren sich die Vermieter überhaupt nicht für die Gas- oder Strompreise, weil sie wissen: Der Mieter zahlt es sowieso.
Aber Mieter werden sich wohl so oder so auf steigende Kosten einstellen müssen?
Pop: Bis zu einem bestimmten Punkt, ja. Der vzbv unterstützt beispielsweise das sogenannte Drittel-Modell: Für die energetische Sanierung oder den Heizungsaustausch zahlt ein Drittel der Staat, ein Drittel der Vermieter und ein Drittel der Mieter über die Nebenkosten. Das stellt sicher, dass eben zum Schluss nicht der Mieter auf allen Kosten sitzen bleibt. Aber auch das stockt leider gerade in der Koalition, sie kommt da nicht voran.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-verbraucherschuetzerin-die-buerger-sollten-sich-nach-guenstigen-gas-und-stromvertraegen-umse-_arid,2117478.html