Geburtstag

Bürgermeisterin Klein tritt nicht mehr zur Wahl an

Die Rathauschefin blickt anlässlich ihres 70. Geburtstags dankbar auf ihre Amtszeit zurück. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus wurden am Mittwoch über die Entscheidung informiert.

Von 
Anna Meister
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Am 17. April feiert Bürgermeisterin Christine Klein ihren 70. Geburtstag. Morgens ist sie noch im Rathaus, danach wird sie den Tag mit ihrer Familie verbringen. © Thomas Neu

Bensheim. Zu ihrem 70. Geburtstag zieht die Bürgermeisterin von Bensheim eine sehr persönliche Bilanz. „Ich feiere diesen Tag im kleinen Kreis – mit meiner Familie. Keine offiziellen Termine, eine große Feier mit Familie und Freunden ist am Samstag. Nur ein Moment des Innehaltens mit den Menschen, die mir am meisten bedeuten.“ Auf einen Empfang verzichtet Christine Klein, ganz unabhängig von der Haushaltslage. „Dafür war ich noch nie der Typ.“ Über Glückwünsche freut sie sich trotzdem, sagt sie schmunzelnd. An ihrem Jubeltag am 17. April ist die Bürgermeisterin morgens im Rathaus, den Rest des Tages genießt sie privat.

Wenn Christine Klein auf ihr Leben und das Amt als Bürgermeisterin zurückblickt, spricht sie voller Dankbarkeit und Zufriedenheit. „Ich habe alles erreicht, was ich mir gewünscht habe. Als Bürgermeisterin hatte ich nie den Drang, mich selbst zu profilieren. Ich trat zur Wahl an, weil ich unzufrieden war und in Bensheim etwas verändern wollte.“ Ihre Familie ist ihr Fundament, ebenso wie Kleins Fähigkeit, schwierige Situationen wie Krisen oder Katastrophen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen.

Große Herausforderungen gab es während der vergangenen Jahre einige. Am 15. November 2020 gewann Klein als unabhängige Kandidatin die Stichwahl um das Bürgermeisteramt der Stadt Bensheim gegen den bisherigen Amtsinhaber Rolf Richter (CDU). „Ich bin also direkt einen Monat später ins Amt gestartet – mitten in die Corona-Pandemie. Kaum war das einigermaßen überstanden, kam der Ukrainekrieg mit all seinen Auswirkungen – auch auf unsere Stadt. Die Unterbringung Geflüchteter, die steigenden Kosten, die emotionale Belastung – das alles forderte und fordert uns als Gemeinschaft. Dann kam die Energiekrise und jetzt stehen wir vor der größten Herausforderung in der Geschichte Bensheims: ein tiefes Haushaltsdefizit, das uns zu schwierigen Entscheidungen zwingt.“ Die Stimme der Bürgermeisterin bleibt gefasst, aber man merkt: Die Verantwortung wiegt schwer.

Nebenbei bemerkt bleibt die Zeit in der Stadtverwaltung mit all ihren Aufgaben trotz Defizit nicht stehen. „Umso wichtiger ist es, dass auf unsere Mitarbeitenden Verlass ist. Bensheim hat eine großartige Verwaltung, ich habe mich vom ersten Tag an willkommen gefühlt und bin sehr dankbar für die gute Arbeit, die die Teams leisten. Besonders jetzt, da so viele zusätzliche Aufgaben gestemmt werden müssen.“

Ihre Amtszeit war bisher mehr als ereignisreich. Auch wenn Christine Klein mehr Krisenmanagerin denn Gestalterin sein musste, konnte sie in den vergangenen vier Jahren einiges bewegen. Stolz blickt sie dabei auf ihre Erfolge zurück: Der Katastrophenschutz sei mit einem nachhaltigen Konzept maßgeblich ausgebaut und die IT in der Verwaltung auf sichere Beine gestellt worden. „Bensheim nimmt dabei jetzt eine Vorreiterrolle ein. Die Implementierung von KI in Verwaltungsprozesse ist am Laufen.“ Die vielen Geflüchteten wurden in Bensheim überwiegend dezentral in der ganzen Stadt untergebracht und werden vom Team Soziales & Integration sehr gut begleitet.

Richtungsweisende Entscheidungen für die Innenstadt

Auch wenn die Haushaltslage angespannt ist, ist es der Bürgermeisterin wichtig, die Innenstadtentwicklung weiter voranzutreiben. „Ein schönes Beispiel, wie das gelingen kann, war die Wiedereröffnung der Sparkassen-Hauptstelle in der Innenstadt. Die Begrünung des Vorplatzes mit der neu gestalteten Bahnhofsunterführung als Eingangstor zur Innenstadt war mir dabei eine Herzensangelegenheit und wird von den Menschen gerne genutzt.“ Auch für die Sanierung des Traditionsgasthauses „Ochs“ hat sie sich stark gemacht. Ein Objekt mit Signalwirkung für die Innenstadt ist für die Bürgermeisterin das ehemalige Kaufhaus Krämer. Dafür soll in näherer Zukunft eine richtungsweisende Entscheidung getroffen werden. Und dann ist da noch die Entwicklung des Sanner-Geländes in Auerbach. Es soll ein zukunftsweisendes und verkehrsarmes Wohnquartier, möglichst klimaneutral, werden, für das sich die Bürgermeisterin schon vor ihrer Wahl eingesetzt hat. „Ich freue mich sehr darauf, mitzuverfolgen, wie das wächst, was ich mit angestoßen habe.“

Trotz aller Belastungen und so mancher schlaflosen Nacht, die Christine Klein damit verbrachte, über die Zukunft der Stadt nachzudenken, möchte sie ihren Beruf nicht missen. „Bürgermeisterin zu sein ist etwas ganz Besonderes. Kein Tag ist wie der andere. Immer liegt etwas Neues auf dem Schreibtisch. Trotz aller Herausforderungen komme ich jeden Tag sehr gerne ins Rathaus.“

Mindestens genauso gerne ist sie aber unterwegs und tauscht sich mit den Bürgerinnen und Bürgern aus. „Ich bin dankbar für diese Gespräche. Die Menschen begegnen mir sehr wertschätzend und offen. Ich bekomme auch von dort widergespiegelt, dass nicht ich für die finanzielle Krise verantwortlich gemacht werden kann. Der überwiegende Teil der Leute weiß um die schwierige wirtschaftliche Situation in ganz Deutschland und der geopolitischen Lage.“ Die Bürgermeisterin möchte die Situation nicht beschönigen - aber dennoch sollte im Umgang miteinander ein angemessener Ton gewahrt werden.

Ihr Alltag ist streng durchgetaktet. Das Defizit spielt bei fast jedem Termin eine Rolle - sei es im Austausch mit den Vereinen, die jahrelang von der städtischen Förderung profitierten, mit der lokalen Wirtschaft oder bei den Terminen mit der Kommunalberatung oder den Aufsichtsbehörden.

Am Anfang stand die Frage „Habe ich etwas falsch gemacht?“

Zeit für sich selbst zu finden, ist in einem Amt wie diesem nicht leicht. „Aber meine Familie und die guten Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern geben mir Kraft.“ Die offene Kommunikation ist ihr wichtig – auch in Zeiten, in denen Kritik laut wird. „Die Haushaltslage in Bensheim ist angespannt, das wissen wir alle. Ich nehme jede Kritik ernst und stelle mich der großen Verantwortung, die ich als Bürgermeisterin habe. Es braucht unpopuläre Maßnahmen, aber sie sind notwendig. Alles, was wir tun, tun wir mit Blick auf das Wohl der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern.“

Die Bürgermeisterin spricht ruhig, aber mit Nachdruck. Sie weiß, wie sehr solche Zeiten auch persönlich belasten können. Als bekannt wurde, in welcher Höhe die Stadt Gewerbesteuer zurückzahlen muss, habe sie sie anfangs gefragt: Was habe ich falsch gemacht? „Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Jede Krise ist eine Chance, davon ist Christine Klein fest überzeugt. Es gilt zu hinterfragen, was wirklich wichtig im Leben ist und welchen Wert die Dinge für das tägliche Leben und Miteinander haben.

„In Zeiten, in denen viel Geld da ist, ist es leicht zu regieren. Das hat sich geändert. Ich wünsche mir sehr für die Zukunft der Stadt, dass es uns mit vereinten Kräften gelingt, zu erhalten, was Bensheim ausmacht. Letztlich bilden diese Faktoren - das breite kulturelle und sportliche Angebot, die Infrastruktur, unsere Vereine und mehr - das Fundament für einen attraktiven Arbeits-, Wohn- und Wirtschaftsstandort.“

Ein wichtiger Schritt – persönlich und für Bensheim

Die Zeiten für Bensheim sind hart, die Aussichten eher wolkig denn heiter. In diesem Jahr steht die erste wichtige personelle Entscheidung auf dem Plan, die den weiteren Weg prägen wird: Die Wahl der Ersten Stadträtin oder des Ersten Stadtrates. Im Frühjahr 2026 ist die Kommunalwahl angesetzt, die politisch die Weichen für die nächsten Jahre stellen wird. Und danach steht die Bürgermeisterwahl an. Der Termin muss noch von der Stadtverordnetenversammlung festgelegt werden.

Am 14. Dezember 2026 endet die erste Amtszeit der Bürgermeisterin. Eine große Entscheidung steht bevor – ein Schritt, der Christine Klein emotional sehr bewegt. In aller Offenheit erklärt sie: „Viele fragen mich, wie es nach dieser Amtszeit weitergeht. Und ich sage es ehrlich: Ich trete zu keiner zweiten Wahl an. Wenn ich zehn Jahre jünger wäre, würde ich gar nicht lange überlegen – ich würde mich wieder zur Wahl stellen.“ Die Arbeit als Bürgermeisterin erfülle sie zutiefst. „Sie ist herausfordernd – aber auch unglaublich sinnstiftend. Gerade in schwierigen Zeiten wie diesen, in denen unsere Stadt mit großen Belastungen zu kämpfen hat, übernehme ich Verantwortung. Mein Verständnis war und ist: Ich gehe nicht von Bord, wenn das Schiff in schwerer See liegt.“

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Doch Christine Klein bleibt auch realistisch: „Ich bin sehr dankbar, gesund, fit und leistungsfähig in mein nächstes Lebensjahr zu starten. Aber nach einer zweiten Amtszeit wäre ich fast 78 Jahre alt. Und so sehr ich meine Aufgabe liebe, so sehr weiß ich, dass es auch zur Verantwortung gehört, rechtzeitig zu gehen.“ Deshalb habe sie schweren Herzens entschieden, nach dieser Amtszeit nicht erneut zu kandidieren.

Klein spricht sichtlich bewegt, aber bedacht weiter: „Bis dahin – und das sage ich ganz klar – werde ich mit ganzer Kraft, mit Herz und mit Blick auf das Miteinander weiterarbeiten. Wir haben noch viel vor uns. Und ich bin zuversichtlich und freue mich auf die Zeit, die wir gemeinsam gestalten können – auch wenn der Weg nicht immer eben sein wird.“ An oberster Stelle steht für sie in den kommenden Monaten weiter die Konsolidierung des Haushaltes.

Zum Schluss richtet sie sich an Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter: „Ich danke Ihnen allen – für Ihre Arbeit, Ihre Loyalität, Ihre Unterstützung. Heute, in der Vergangenheit und für den Weg, der noch vor uns liegt.“ Am Mittwochmittag hat sie die Mitarbeitenden im Rathaus über ihre Entscheidung informiert. „Mir war wichtig, das persönlich zu tun – aus Wertschätzung.“ Mit dieser Klarheit kann die Stadt den Blick nun nach vorn richten – und sich auf einen Führungswechsel vorbereiten.

Redaktion

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